Verwaiste Dorfkirchen als Kulturorte: "Mut zum Experimentieren"
Unter der Schirmherrschaft der Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hat die Nordkirche eine Reihe zur kulturellen Belebung von Dorfkirchen ins Leben gerufen, Veranstalter sind der Kulturhimmel & Kirche & Tourismus. Ein Gespräch.
Was tun, wenn Dorfkirchen und damit zentrale Begegnungsorte im ländlichen Raum langsam verwaisen? Das Projekt "Dorfkirche mon amour" hat sich zum Ziel genommen, Dorfkirchen auf dem Land als Kulturorte wiederzubeleben. Eine Teilnahme ist per Bewerbung möglich, die immer bis Ende Februar eingereicht werden kann. Im Interview spricht Projektleiterin Luise Klafs von der Nordkirche über die Relevanz von kulturellen Angeboten im ländlichen Raum.
Welchen Stellenwert haben Dorfkirchen Ihrer Meinung nach für die jeweiligen Gemeinden – auch wenn sie vielleicht verwaist sind?
Luise Klafs: Mein Eindruck ist, dass die Aufmerksamkeit im Dorf steigt, wenn klar wird, dass die Dorfkirche überwiegend leer steht oder gar nicht mehr genutzt wird. Dann bilden sich Gruppen von Engagierten, die sich Gedanken zur gemeinsamen Nutzung machen. Das können Menschen innerhalb der Kirchengemeinde sein, müssen es aber nicht.
Warum haben Sie sich das Projekt "Dorfkirche mon amour" ausgedacht?
Klafs: Weil sich Kirche in einer großen Transformation befindet: Wie wollen wir umgehen mit dem "Kleiner-Werden"? Mit "Dorfkirche mon amour" versuchen wir die Botschaft zu senden, dass Veränderung eine Chance sein kann. Dass wir uns öffnen wollen, um Dorfkirchen als Begegnungs- und Kult(ur)orte lebendig zu halten. Dafür braucht es Mut zum Experimentieren und die Motivation einfach mal loszulegen.
Wie funktioniert das Projekt?
Klafs: Vereine, Gemeinden oder Einzelpersonen wie zum Beispiel Künstlerinnen und Künstler können bei uns jedes Jahr bis Ende Februar ihre Ideen zur Belebung ihrer Dorfkirche einreichen und entwickeln dann mit uns ein Konzept, wie das umsetzbar ist. Außerdem unterstützen wir die Veranstaltungen finanziell und in der Öffentlichkeitsarbeit, das heißt wir kümmern uns um Flyer, Plakate, die dann von den Aktiven vor Ort verteilt werden.
Wie gut werden die Angebote bisher angenommen?
Klafs: Viel zu gut (lacht). Wir haben 2021 mit vier Veranstaltungen begonnen und sind mittlerweile bei einer Bewerbungszahl von über 40 pro Jahr, Tendenz rasant steigend. Das zeigt mir, dass das Bedürfnis groß ist, selbst zu gestalten und Kirche als lokalen Player auf dem Land ernst zu nehmen. Die große Frage, an der wir im nächsten Schritt arbeiten, ist, wie sich die Veranstaltungen dauerhaft etablieren lassen, so dass die Initiativen irgendwann allein weitergehen können.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Menschen, wenn ihre Dorfkirche wieder zum Leben erweckt wird?
Klafs: Die Stimmung bei den Veranstaltungen ist, so wie ich es wahrnehme, oftmals fast überbordend euphorisch. Erstens ist die Dorfkirche oft schon lange nicht mehr so proppevoll gewesen, zweitens hat man das Gefühl einer echten Selbstwirksamkeit und dann wird das Netz vor Ort auch noch sichtbar gestärkt. Oft ist es so ein Gefühl von: Wir leben zwar weit draußen, aber wir können auch etwas.
Warum ist es in Ihren Augen wichtig, auch in ländlichen Regionen kulturelle Angebote zu schaffen?
Klafs: Gerade der ländliche Raum wird im politischen Diskurs oft mit Hoffnungslosigkeit und Frust in Verbindung gebracht. Das finde ich schade. Für mich, die selbst auf dem Land lebt, sind ländliche Räume oft das Gegenteil: lebens- und liebenswerte Orte voller Entfaltungsmöglichkeiten. Und Kirche kann das fördern, mit den je eigenen Mitteln. Die Dorfkirchen und die ehren- und hauptamtlichen Strukturen gibt es, sie müssen nur als solche gesehen und genutzt werden.
Das Interview führte Anina Pommerenke.