Cover: Martin Mosebach, "Die Richtige“ © dtv

Diesen Roman liest man gerne: "Die Richtige" von Martin Mosebach

Stand: 12.03.2025 06:00 Uhr

Mittlerweile legt Martin Mosebach alle zwei Jahre einen neuen Roman vor. "Die Richtige" heißt das neue Werk des Büchnerpreisträgers aus Frankfurt, das - im weitesten Sinne - im Kunstbetrieb spielt.

von Alexander Solloch

Gerade hat die Frau sich ausgezogen, sich mit dem Bauch auf die Matratze gelegt, ein Bein leicht angewinkelt, gerade so, wie der Maler es von ihr gefordert hat. Noch aber fängt er nicht an, den Pinsel zu schwingen. Er redet, murmelt vielmehr, an wen richtet er seine Worte, an sie, das Modell, oder doch nur an sich selbst?

"Dies könnte ein neuer Anfang werden … Eine neue Frische … Ich muss versuchen, wieder loszuwerden, dass meine Bilder ein Markenzeichen haben … Handschrift ja, aber aus der sich einschleichenden Masche herauszukommen… Ein Bild ohne Botschaft … ein stummes Bild … stumm wie du jetzt … a thing is what it is and nothing else …" Leseprobe

Eine Frau und ihre Haut als Sujet eines Malers

Louis Creutz, Maler, genialischer Egomane, ein Einzelgänger, den gelegentlich die Menschengier überkommt: er hat "die Richtige" zu sich ins Atelier gelockt, Astrid, Mitte 30, 15 Jahre jünger als er selbst. Seinen alten Sammlerfreunden Beate und Rudolf war sie zunächst als "die Richtige" erschienen, als sie der Meinung waren, Rudolfs Bruder Dietrich müsse endlich heiraten. Nur um herauszufinden, wie weit seine Wirkmacht reicht, hat der Maler sich auf das schwierige Experiment eingelassen, die beiden zu verkuppeln, den wohlhabenden, in Fragen der Liebe sympathisch unbeholfenen Unternehmer und die selbstbewusste, zugleich unbekümmerte Deutschschwedin. Das klappt erstaunlicherweise, und nun sitzt sie in seinem Atelier, "die Richtige" - und wie weit werden die beiden jetzt gehen? Creutz interessiert sich nicht für Landschaften, für Stillleben - einzig die Frau ist ihm ein gültiges Sujet der Ölmalerei, die Frau und ihr wichtigstes Organ:

Was sei es denn, was vom Menschen bleibe, wenn man seine Illusionen, seine Träume und phantastischen Auffassungen von sich selbst abziehe? Die Haut. Die Haut sei der Mensch, diese dünne Oberfläche enthalte ihn ganz. Wenn man den Menschen ansehe, dann sei es die Haut, die ihn repräsentiere, und man könne sogar sagen, die ihn vollständig repräsentiere, wenn er gemalt werden solle. Leseprobe

Die Sprache als Brille, die das Bild verdeutlicht

Nicht für den Leser, wohl aber für Creutz‘ Umgebung mag es bisweilen etwas anstrengend sein, das todernste Bramarbasieren des Künstlers, von dem man nicht annehmen mag, dass er durch irgendetwas froh zu machen wäre. Aber das trübt die Lesefreude überhaupt nicht, die ja sowieso nicht dadurch entsteht, dass man sich etwa Identifikation mit dem Protagonisten wünschte.

Freude bereitet der Umstand, dass Martin Mosebach wieder einmal mit seinem ewigen Vorhaben gescheitert ist, so zu schreiben, dass man nicht merkt, dass da einer schreibt: "Mein Schreiben besteht eigentlich vor allem darin - also, meine Bemühungen bestehen darin, die Sprache weitgehend unsichtbar zu machen und eigentlich nur Bilder zu erzeugen", so Mosebach. "Die Sprache soll gar nicht besonders anwesend sein, wie eine Brille, wie eine Glasscheibe, die ein Bild verdeutlicht. Man schaut da durch und sieht Bilder. Das ist meine Idealvorstellung."

Mosebachs unverwechselbare tänzelnde Sprache und Beobachtung

Bilder ohne Botschaft - das schon, aber eben nicht ohne Markenzeichen. Mag Martin Mosebach auch darunter leiden, weil er sich Unsichtbarkeit wünscht: Seine federnde, aufgeladene, tänzelnde Sprache, seine fröhlich-lauernde Beobachtung der Seltsamkeiten des menschlichen Treibens bleiben unverwechselbar und unerreicht in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Nach zwei Dritteln wirft der Autor eine völlig überraschende Figur in die leicht wohlstandsverwahrloste Szenerie, eine Obdachlose, die einst auch von Creutz porträtiert worden ist. Jetzt wird sie als Schwarzfahrerin in der U-Bahn aufgegriffen. Die Kontrolleure aber dringen nicht zu ihr durch:

"Also nochmal, woher kommen Sie? Do you speak English? Ausweis - passport." Flora schwieg, ihr Blick ruhte in Trauer auf dem Fragenden, mit einem Ausdruck, als wolle sie sagen: "Du fragst und fragst. Aber du würdest meine Antwort nicht verstehen. Passport, ja, hatte ich, habe ich vielleicht sogar noch, müsste in meinen Sachen suchen - aber wo sind die? Ich bin frei, ich habe alles aufgegeben." Leseprobe

Frei ist auch er, Martin Mosebach, frei von allen Moden, allen Zwängen, am Ende gar von seinen Geschichten. Darum liest man ihn so gern.

Am 14. März stellt Martin Mosebach in der Reihe "Der Norden liest" im Schulungshaus von Hamburg Wasser im Stadtteil Hamburg-Wellingsbüttel auf. Dort stellt er sein Buch vor, Beginn ist um 19.30 Uhr.

Weitere Informationen
Ein junger Mann trägt einen hohen Stapel Bücher der seinen Kopf verdeckt. © photocase.de Foto: luxuz

"Der Norden liest" im Sonntagsstudio nachhören

Haben Sie eine Lesung von "Der Norden liest" verpasst? Einige Veranstaltungen können Sie im Sonntagsstudio nachhören. mehr

Caroline Wahl © Frederike Wetzels Foto: Frederike Wetzels

"Der Norden liest" - Alle Termine im Überblick

In der Reihe "Der Norden liest" präsentieren das Sonntagsstudio und NDR Kultur - Das Journal renommierte Autoren und Newcomer der Buchszene. Hier die kommenden Termine und alle Infos zur Herbsttour im Überblick. mehr

Die Richtige

von Martin  Mosebach
Seitenzahl:
352 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
dtv
Veröffentlichungsdatum:
13. März 2025
Bestellnummer:
978-3-423-28455-4
Preis:
26 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 12.03.2025 | 12:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Rote und rosafarbene Bücher stehen vor einen rosafarbenen Hintergrund. © IMAGO / Panthermedia

Neue Bücher: Diese Neuerscheinungen hat 2025 zu bieten

Neues gibt es beispielsweise von Wolf Haas, Antje Rávik Strubel oder Kristine Bilkau und vielen weiteren. Ein Vorausblick. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Peggy Parnass, deutsch-schwedische Schauspielerin und Autorin, bei der Parade zum Christopher Street Day (CSD) 2022 in Hamburg. © picture alliance/dpa Foto: Georg Wendt

Schauspielerin Peggy Parnass ist tot

Nach NDR-Informationen starb sie im Alter von 97 Jahren in ihrer Heimatstadt Hamburg. Zeitlebens setzte sie sich für Minderheiten ein. mehr