Efrat Alony verbindet Händel mit Jazz - wie passt das zusammen?
"My secret love affair": So beschreibt die israelische Jazzsängerin Efrat Alony ihr Verhältnis zum Werk Georg Friedrich Händels. Diesem hat sie sich im Geiste des Jazz genähert.
Bei diesem genreübergreifenden Rendezvous ist ein bemerkenswertes Album mit dem Titel "Händel fast forward" herausgekommen. Im vergangenen Jahr erhielt Efrat Alony dafür den OPUS Klassik in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen". Und dort ist die weltoffene Wahlberlinerin mit der markanten dunklen Stimme tatsächlich gut aufgehoben. Alony geht es in erster Linie um Klang und Ausdruck. Genres und Konventionen kümmern sie wenig. Ihre Musik ist so extravagant, wie es ihre Bühnenoutfits sind. Bei NDR Kultur EXTRA präsentiert Efrat Alony ihren ganz persönlichen Händel in Minimalbesetzung, unterstützt von Philipp Nykrin am Klavier.
Worum geht es dir beim Musikmachen?
Efrat Alony: Es geht um Begegnungen. Die Rahmenbedingungen sind fast nicht relevant. Sei es Jazz oder klassische Musik. Es geht wirklich darum, was wir leider im Alltag viel zu wenig machen: uns gegenseitig wahrnehmen. In der Musik gibt es diese wunderbare Möglichkeit, intime Beziehungen zu haben und zu erforschen, was in anderen vorgeht. Dazu gehört zum Beispiel, Empathie zu finden. Und vor allem im Jazz geht es darum, gemeinsame Lösungen zu finden.
Du bringst ganz viele musikalische Einflüsse mit. Du bist in Haifa, Israel, geboren und dort hast du israelische Kunstmusik kennengelernt. Später hast du Jazz studiert, unter anderem in Boston am Berklee Institut. Aber du hast auch klassische Einflüsse und lebst seit 26 Jahren in Berlin, wo du der Klassik richtig verfallen bist, oder?
Alony: Genau. Aufgewachsen bin ich mit ganz viel israelischer Musik, aber auch mit Pink Floyd, den Beatles, Led Zeppelin. Tatsächlich erstmal nicht mit klassischer Musik. Ich bin der klassischen Musik bewusst zum ersten Mal begegnet, als ich in Israel studiert habe. Es war für mich, als ob tausend Türen gleichzeitig aufgegangen sind. Als ich dann in Berlin unter anderem auch Komposition in der klassischen Abteilung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler studiert habe, war das ein großes Privileg. Ich bin einfach zu den Berliner Philharmonikern gegangen, und da hat ein Ticket damals gerade mal 16 Mark gekostet. Es war toll, eines der besten Orchester der Welt mitbekommen zu können.
Jetzt verbindest du all diese Leidenschaften, die du hast, in diesem Projekt, was wir hier heute erleben: Händel fast forward. Jazz und Händel, warum passt das so gut zusammen?
Alony: Das passt zusammen, weil Barock auch Improvisation ist. Das vergisst man gerne. Denn auch in der Barockmusik war jede Performance einzigartig und wurde nicht wiederholt, sondern es gab immer nur einen Take und der nächste war komplett anders. Ich finde, es lebt von dem Moment, von der Virtuosität und der Fantasiewelt der Mitmusiker. Es lebt von der Interaktion, und es geht für mich persönlich um dieselben Themen. Ich bin ein sehr visueller Mensch und mag Theater. Es war für mich ein wunderbarer Rahmen, das Drama richtig auszuleben, was im Jazz nur bedingt gerne gesehen wird. Es war ein wunderbares Format, das richtig auszuprobieren.
Philipp, du hast eine besondere Rolle: Du bist kein reiner Begleiter, sondern du bist Orchester und Motor. Wie erlebst du eure Zusammenarbeit?
Philipp Nykrin: Es ist ein sehr spannendes und durchaus herausforderndes Projekt als Pianist. Die Originale geben schon ganz stark etwas vor. Efrat hat sie sehr mutig und sehr kreativ arrangiert auch sehr stark reharmonisiert, was für mich als Pianist natürlich auch sehr spannend ist. Das Duo ist für mich so eine Gratwanderung zwischen Musik interpretieren, der Musik gerecht werden und gleichzeitig jegliche Kreativität, die wir in uns haben, herauszubringen und mit dem Ganzen offen umgehen. Das ist sehr herausfordernd und ich hoffe, wir werden der Musik gerecht, aber auch uns zu zweit als Improvisator*innen.
Wieviel Händel ist noch in dieser Musik, die wir bei euch erleben?
Alony: Das Konzept war: Die Melodien bleiben und alles drumherum verändert sich. Die Harmonie, die Taktart und die Tempi sind anders. Formal gibt es auch manchmal eine andere Struktur, aber die Melodie bleibt. Jetzt, nachdem wir das Projekt auch öfter gespielt haben, sündige ich manchmal und dann mache ich noch Variationen zusätzlich zur Melodie. Aber ich hoffe, dass die Leute, die das nicht kennen, Freude daran haben und vielleicht interessiert es sie dann, die Originale zu hören. Es ist eine Win-Win-Situation für jeden. Für die Leute, die die Stücke von Händel kennen, hoffe ich, dass sie den roten Faden mitverfolgen können und vielleicht an dieser neuen Welt Freude haben.
Das Gespräch führte Anna Novák.