Zwischen Skandi-Jazz und Indie-Pop: Laila Nysten Trio
Die Geige ist alles andere als ein typisches Jazzinstrument. Um so beachtlicher, dass in diesem Jahr bei der JazzBaltica in Timmendorf eine Geigerin mit dem Förderpreis ausgezeichnet wurde: Laila Nysten.
Laila Nysten stammt aus einer deutsch-finnischen Familie, hat klassische Geige gelernt und sich später für ein Studium der Schulmusik entschieden. Stilistisch festlegen will sie sich nicht – damit ist sie ganz auf der Höhe der Zeit. Ihre musikalischen Interessen reichen vom traditionellen Jazz der 30er Jahre bis zu Folk und Pop. Singen kann Laila übrigens auch. Für ihren Liveauftritt bei NDR Kultur EXTRA hat sie ein Programm mit eigenen Kompositionen zusammengestellt, das sich nach eigener Aussage "zwischen Skandi-Jazz und Indie-Pop" bewegt. Mit dabei sind die Kontrabassistin Melanie Streitmatter und der Pianist Lennart Micheel. Zusammen bilden sie das Laila Nysten Trio.
Wir machen eine kurze Schnellfragerunde mit dir, Laila, wie in einem Freundebuch. Du bist geboren in?
Laila Nysten: Henstedt-Ulzburg und aufgewachsen in Hamburg.
Ein echtes Nordlicht. Die Wurzeln deiner Familie liegen wo?
Nysten: In Finnland und in Hessen.
Du hast mir es im Vorfeld schon verraten, dein Papa ist Finne, und du bist aber nicht mit den Sprachen Deutsch und Finnisch aufgewachsen, sondern du sprichst als zweite Sprache Schwedisch. Wie kommt das?
Nysten: Es gibt in Finnland eine schwedischsprachige Minderheit, und zu der gehört unsere Familie. Das heißt, Schwedisch war immer die Haussprache. Weil ich in Deutschland aufgewachsen bin, haben meine Eltern gemeint, es würde vielleicht ausreichen zweisprachig und nicht dreisprachig aufzuwachsen. Deswegen ist das Finnische bei uns zu Hause ein bisschen unter den Tisch gefallen, aber Schwedisch ist die Familiensprache.
Du hast zwei Geigen mitgebracht. Die Geige ist in der Wahrnehmung eher ein klassisches Instrument. Wann hast du gemerkt, dass für dich die Geige auch im Jazz wunderbar funktioniert?
Nysten: Das ist einerseits eine sehr frühe Entdeckung und andererseits eine sehr späte Entdeckung gewesen. Ich habe schon immer improvisiert. Ich habe aber nie Worte dafür gehabt, dass man das so nennt. Ich habe in meiner Kindheit viel gesungen und improvisiert. Ich habe auf der Geige Melodien gespielt, die mir zugeflogen sind. Stilistisch habe ich mich wie ganz viele Geiger in der Klassik bewegt, bis ich 19 Jahre alt war. Dann habe ich angefangen, in einer Popband zu spielen, und ich glaube, da fing es an, dass sich die Geige mehr als Gitarre instrumentalisiert habe. Mit Anfang des Lockdowns kam es dazu, dass ich gemerkt habe, das Swing total cool ist, also die 1930er-Jahre. Genau das kann man auf der Geige hervorragend spielen. Ich hatte sogar als Kind eine CD von einer französischen Band "Les pommes de ma douche", die ich rauf und runter gehört habe. Erst 2020 hat es Klick gemacht, dass ich gesagt habe, ich glaube, ich möchte das auch. Dann wurde es zum Lockdown Hobby, und dann wurde es zur Obsession. Und jetzt bin ich im Jazz.
Laila, wie entsteht seine Musik?
Nysten: Ich habe zuallererst eine endlose Notiz auf meinem Handy offen, mit Texten. Denn für mich ist beim Songwriting die Sprache super wichtig. Das ist vielleicht auch das Erste, was man transportiert und womit man Menschen erreicht, die nicht unbedingt Jazzgeschult sind. Dadurch finde ich, erreicht man die Menschen sehr direkt und emotional und persönlich. Deswegen habe ich immer irgendwo im Kopf Textfetzen rumfliegen. Manchmal schreibe ich sie auf, und dann füge ich sie zu irgendetwas zusammen, wenn ich das Gefühl habe, da ist thematisch etwas Übergreifendes und da müsste jetzt mehr draus werden. Die andere Möglichkeit ist von der Melodie zu kommen. Da ich ein Melodieinstrument spiele und auch singe, sind Melodien immer da. Häufig ist es so, dass ich nur eine Zelle habe und die dann weiterentwickle. Ich bin nicht so gut im Fertigschreiben, ich bin sehr gut im Anfangen.
Wenn du sagst, du tust dich schwer im Fertigschreiben? Bist du selbstkritisch und willst immer noch wieder was ändern? Oder woran liegt das?
Nysten: Ich glaube, es liegt daran, dass ich zu viele Ideen auf einmal habe und natürlich auch an der Stilvielfalt. Ich habe verschiedene Projekte in verschiedenen Stilen. Manchmal schreibe ich selbst, manchmal bin ich nur Instrumentalistin. Häufig fange ich Dinge an und die werden mit meinem Perfektionismus nicht so schnell so gut fertig, wie ich das gerne hätte und dann lasse ich sie liegen und sage, vielleicht fällt mir nächste Woche etwas dazu ein. Wenn zwischendurch schon drei andere Stücke angefangen sind, dann ist die Dringlichkeit nicht ganz so hoch, das erste Stück wieder fertig zu machen. Deswegen setze ich mir gerne selber Deadlines oder freue mich, wenn die von außen gesetzt werden.
Du bist zweisprachig aufgewachsen und hast den finnischen Hintergrund durch deinen Vater. Merkst du dieses Finnische auch in deiner Persönlichkeit?
Nysten: Ich würde schon sagen, dass man das merkt. Ich habe einen Hang zur Schwermut, ich gleiche das gerne durch Humor aus, aber es ist auf jeden Fall da. Ich habe eine ganz starke Sehnsucht nach dem Norden. Ich habe das Gefühl, ein Teil von mir ist erst in Finnland wirklich frei und kann atmen. Das Gefühl vermisse ich das Jahr über in Deutschland schon sehr. Ich vermisse vor allem die Natur und die Freiheit, aber auch die Mentalität der Menschen dort ist einfach ein bisschen anders als hier. Das ist gar nicht wertend gemeint, aber man merkt, dass es eine andere Sprache und eine andere Kultur hat. Ich bin sehr froh, dass ich das beides in mir trage.
Wieviel Skandinavien ist in deiner Musik?
Nysten: Immer wieder mal was. Ich finde es schwierig, komplett zu kategorisieren, welche Parameter von Musik kann man jetzt nach Kultur oder Skandinavien bewerten. Ich versuche gerne, eine Weite, die ich aus der Landschaft und aus der Natur kenne, in die Musik mit reinzubringen. Ich liebe große, flächige Atmosphären, ich mag traurige Melodien, und ich mag auch eingängige und einfache Melodien. Ein bisschen von diesem nordischen Minimalismus, der sich sowohl durch Design, Musik oder Literatur und Film zieht, gefällt mir gut, und deswegen ist es bestimmt auch immer mal wieder vertreten.
Das Gespräch führte Anna Novák.