Tim Allhoff stellt neues Bach-Album vor
Tim Allhoff ist mit Bach groß geworden und war schon als Kind von seiner Musik fasziniert. Im Februar kommt Allhoffs neues Album auf den Markt, das sich nur mit Bach beschäftigt. Ein Interview.
Die Süddeutsche Zeitung zählt Tim Allhoff zur "Königsklasse der Solo-Pianisten". Fest steht, dass der sympathische Bayer unglaublich vielseitig ist - als Pianist, Komponist und Arrangeur. Deswegen arbeiten Klassikstars wie die Sopranistin Fatma Said oder die Trompeterin Lucienne Renaudin Vary so gern mit ihm zusammen. Auf seinen bisherigen Alben hat Allhoff bereits die ganze Bandbreite seiner musikalischen Prägung gezeigt: Bach und Schumann, Jazz und Neue Klassik, Filmmusik und Pop. Im Februar erscheint ein neues Album. Diesmal konzentriert er sich ganz auf Johann Sebastian Bachs Klavierwerk. Kostproben aus diesem Programm präsentiert Tim Allhoff vorab live bei NDR Kultur EXTRA.
Johann Sebastian Bach hat insgesamt über 16.000 Minuten Musik geschrieben, habe ich gelesen. Das ist ein total großes, umfangreiches Schaffen. Wie bist du bei der Auswahl der Stücke für dein neues Bach-Album vorgegangen?
Tim Allhoff: Tatsächlich gab es ein paar Stücke, die zählen zu meinen persönlichen All-Time-Favourites, die wollte ich auf jeden Fall auf dem Album haben. Es gab andere Stücke, für die es noch gar keine Klavierbearbeitung gab, da habe ich selbst Transkriptionen geschrieben. Es war unglaublich schwer. Ich hatte viel zu viel Musik und habe dann nach und nach gestrichen. Am Laptop habe ich geschaut, bei wieviel Minuten ich bin und was ich noch streichen muss. Im Endeffekt sind es die persönlichen Diamanten, die übrig bleiben durften.
Du hast ausgedruckte Noten dabei, kein Tablett. Wo sind zwischen den Zeilen diese Freiheiten, die du in der Musik von Bach findest?
Allhoff: Es ist tatsächlich mein erstes Album von zehn, auf dem sich keine Improvisation findet. Mir war für dieses Album wichtig, dass man nicht aus Jazz Bach macht, sondern ich wollte wirklich ein Bach-Album im Sinne der ursprünglichen Kompositionen aufnehmen. Man darf nicht vergessen, dass die Musik zu Barock-Zeiten Musik war, die frei musiziert wurde. Das heißt, man hat sich getroffen und zusammen gejammt. Einerseits haben die Werke eine bestimmte Struktur, die fast schon mathematisch ist, wenn man speziell Fugen anschaut. Das bringt eine unglaubliche Strenge mit sich. Auf der anderen Seite finden sich sehr wenige Angaben zu Tempo und Dynamik. Warum Bach in den vergangenen Jahrhunderten fundamental verschieden interpretiert wurde, ist, glaube ich, weil man als Künstler und Künstlerinnen die Möglichkeit hat, sich reinzufühlen und das aufzusaugen, wie man es wirklich möchte. Es gibt durchaus strengere klassische Musik, die mehr ins Detail geht.
Was glaubst du, warum spielen so viele Menschen immer noch die Musik von Bach, inklusive dir?
Allhoff: Weil es eine Musik ist, die direkt ins Herz geht. Es ist Musik, die unfassbar berührt und wahnsinnig zeitlos ist. Auf der einen Seite hat diese Art der musikalischen Sprache das gesamte musikalische Schaffen beeinflusst. Ich glaube, Bach ist einfach zeitlos. Ich kenne wenige Menschen - selbst, wenn sie gar nichts mit Klassik am Hut haben - denen man Bach vorspielt und die nicht ein Strahlen ins Gesicht kriegen. Bach war einfach ein guter Mann.
Es gibt wahnsinnig viele Einspielungen von Bachs Musik, auch von bekannten Jazzmusikern. Du bist jemand, der viel im Jazz-Kontext gearbeitet hat. Ich stelle mir das ganz schön hart vor, wenn man selbst ins Studio geht und Bach aufnimmt. Du hast sicherlich diese ganzen großartigen Interpretationen von unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern im Hinterkopf. Wie bist du mit diesem Druck umgegangen?
Allhoff: Der Druck war auf jeden Fall da. Wenn man lange nur im Jazz zuhause war oder wie ich da herkommt und auf einmal ein reines Klassikalbum mit Bach aufnehmen möchte, ist das eine Ansage. Ich habe ein tiefes Bedürfnis verspürt, diese Platte aufzunehmen. Letzten Endes muss man sich davon freimachen und darf sich nicht einschüchtern lassen von all den Tausenden perfekten Einspielungen, die es schon gibt. Weil noch perfekter kann man es nicht aufnehmen. Ich glaube, es ist auch keinem damit gedient, wenn man es zum 100.000sten Mal genauso aufnimmt, wie es das schon gibt. Ich wollte Bach auf meine Art und Weise spielen.
Hast du eine bestimmte Kindheitserinnerung an diese Musik von Bach, die du gerne hier teilen würdest?
Allhoff: Ich komme aus Augsburg, bin in Augsburg geboren und war dort auf einem musischen Gymnasium. Da war es tatsächlich so, dass wir ab der fünften Klasse zweimal die Woche Chorprobe hatten und dort die Matthäus-Passion und das Weihnachtsoratorium gesungen haben. Mit 11 oder zwölf Jahren hat mich die Musik von Bach auf eine Art und Weise berührt, wie wenig zuvor. Ich habe immer versucht, da einzutauchen und zu gucken, warum klingt das so? Das ist, glaube ich, die erste und auch die präsenteste Erinnerung - die Schulzeit.
Das Gespräch führte Charlotte Oelschlegel.