Musik als Schmelztiegel: Pablo Barragáns neues Programm "Szinergia"
Der spanische Klarinettist spielt Werke von Hartmann, Kodály und Bartók, die durch Volksmusik inspiriert worden sind.
Die Volksmusik hat an vielen Stellen Eingang gefunden in das Werk bedeutender europäischer Komponisten: Franz Liszt, Antonin Dvorák oder Béla Bartók sind nur ein paar berühmte Beispiele. Gerade die vielfältige Folklore Ungarns bot schon immer ein immenses Repertoire an Melodien und Rhythmen, wie geschaffen für eine Verschmelzung mit anderen Musiktraditionen. Für sein neues Album "Szinergia" hat der spanische Ausnahmeklarinettist Pablo Barrágan einige dieser Werke zusammengetragen und mit verschiedenen Ensembles eingespielt. Bei NDR Kultur EXTRA stellt er eine Auswahl davon in Duobesetzung vor, begleitet von dem vielfach ausgezeichneten Pianisten Amadeus Wiesensee.
Warum eignet sich die Klarinette so gut für diese Musik?
Pablo Barragán: Klarinette ist wie eine Stimme. Ich glaube, die Klarinette hat einen Groove und es gibt diese Farbe, die zu allem passt. Es macht Spaß mit der Klarinette, weil man Kleinigkeiten ganz schnell spielen kann.
Zum Teil lächelst Du auch beim Spielen. Wie ist das denn, wenn man beim Klarinettespielen lächelt? Muss man da ein bisschen aufpassen?
Barragán: Ja, man muss aufpassen. Ich erinnere mich an Mozart, das war ein doppeltes Quintett, wo jemand gelacht hat und am Ende hatte das Quintett das nicht richtig spielen können. Da war der Dirigent nicht so glücklich.
Béla Bartók ist jemand, der hat das Erforschen der Volksmusik damals systematisch gemacht, oder?
Amadeus Wiesensee: Ja, Bartók fällt in eine Zeit, wo die Welt unglaublich kompliziert wurde und es diese Sehnsucht nach wissenschaftlicher Eindeutigkeit gab, aber auch nach dieser musikalischen Urtümlichkeit. Das verbindet sich in dieser akribischen Suche nach authentischem Melodiegut. Aus diesem Gut etwas Eigenes zu schaffen und sich mit Respekt ganz viel Liebe und Aufmerksamkeit anzueignen und zu etwas Neuem umzuformen, das sagt uns sehr viel, wie man sich kulturell erweitern kann und Einflüsse einbezieht. Am Ende kommt man seiner eigenen Stimme näher.
In gewisser Weise ist das sehr modern, was Bartók damals gemacht hat. Er hat ein Aufnahmegerät genommen - einen klobigen Phonographen - und ist in die Dörfer gefahren. Dort hat er die Leute singen und spielen lassen, und das hat er aufgenommen. Diese Neugier, rauszugehen und zu schauen, was die Leute machen, das ist etwas, wovon wir durchaus heute noch lernen können, oder?
Wiesensee: Absolut. Neugierde, Offenheit, das offene Ohr, dem Anderen zuhören ohne Vorurteile oder vorgefasste Meinungen: Das ist wichtig. Es ist auch schön, dass diese Version, die wir präsentieren, eine neue Version der Tänze ist. So ein Stück wächst immer weiter und nimmt immer wieder neue Formen an. Da haben wir auf jeden Fall für die Gegenwart viele Lektionen zu ziehen.
Pablo, Du bist gebürtig aus einem kleinen Ort in Andalusien. Was hat die Volksmusik bei dir zu Hause für eine Rolle gespielt?
Barragán: In meiner Familie sind keine Musiker, aber wir haben zuhause immer ganz verschiedene Musik gehört. Flamenco war zum Beispiel eher auf der Seite meines Vaters. Sie haben viel Flamenco gehört. Wenn man einmal in Sevilla oder in Málaga gewesen ist, erfährt man, wie sie dort singen. Es ist für uns ganz natürlich. Singen bringt gute Laune und gute Energie mit sich.
Es macht den Eindruck, als würdest Du diese virtuose Musik ganz locker spielen, aber die Musik hat es in sich, oder?
Barragán: Ja, es ist schon virtuos. Wenn man die Musikerinnen und Musiker, die nur folkloristische Musik spielen, hört, sind sie unglaublich virtuos. Wir wussten schon, das wird ein Risiko, aber wir wollten die Herausforderung annehmen. Die Musik auf dem Album ist authentisch und macht Spaß. No risk, no fun!
Amadeus, hat bei Dir die Volksmusik und die Begegnung mit Volksmusik früher eine Rolle gespielt?
Wiesensee: Ich bin im tiefsten Oberbayern aufgewachsen, da hat man in der Schule schon den Schuhplattler beigebracht bekommen und die Klassenfotos wurden in Tracht aufgenommen. Meine Eltern sind keine Oberbayern, entsprechend habe ich das zwar sprachlich nicht mitbekommen, aber kulturell hat das auf jeden Fall eine gewisse Prägung hinterlassen. In allen Kulturen ist diese Volksmusik einfach etwas total Echtes und Authentisches. Ich höre mir jetzt nicht jedes Wochenende Blasmusik an, aber ich kann der Musik etwas abgewinnen.
Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.