Stand: 04.02.2020 10:22 Uhr

Krebs: Vorsicht vor selbst ernannten Heilern

Aus einer Pipette wird ein Tropfen auf einen Zuckerwürfel getropft © picture alliance image BROKER Foto: imageBROKER
Viele Menschen sind wegen ihrer Krebsdiagnose so verzweifelt, dass sie sich unseriösen Heilern zuwenden.

Die Diagnose Krebs schockiert. Sofort denkt man ans Sterben. Aber die Statistiken sprechen eine andere Sprache. Die Lebenserwartung bei Krebs steigt seit Jahren an. Während 1980 noch zwei Drittel der Betroffenen an ihrem Tumorleiden starben, kann heute die Hälfte mit Heilung rechnen. Das ist vor allem auf die Fortschritte bei den wissenschaftlich fundierten Therapien der Schulmedizin zurückzuführen. Das sind vor allem Chemotherapie, OP, Bestrahlung, Immunonkologie, zielgerichtete Therapien und auch komplementäre Verfahren. Doch die Angst etwa vor Nebenwirkungen der etablierten Therapien lässt manche Menschen so sehr verzweifeln, dass sie sich lieber unseriösen Heilpraktikern und selbst ernannten Heilern zuwenden, die ihnen sogenannte sanfte, alternative Behandlungswege versprechen. Das kann die Betroffenen nicht nur sehr viel Geld, sondern auch das Leben kosten. Tatsächlich kann die Naturheilkunde die medizinische Behandlung unterstützen und Nebenwirkungen lindern. Als alleinige Therapie sind ihre Verfahren aber nicht geeignet.

Auch Ärzte unter unseriösen Anbietern vertreten

Nicht nur Wunderheiler und unseriöse Heilpraktiker profitieren vom Misstrauen gegen die etablierte Medizin. Immer wieder werben auch Ärzte, Institute und Privatkliniken mit fragwürdigen Heilversprechen um zahlungswillige Klientel - und zitieren dabei gern bekannte Forscher und wissenschaftliche Studien. Manche werben mit natürlichen Therapien, die selbst in austherapierten Stadien den Krebs angeblich aufhalten oder sogar heilen könnten. Solche Versprechungen seien immer unseriös, warnen Experten.

Spezielle Methoden sind oft für wenige geeignet

Mitunter werden auch Therapieverfahren beworben, die unter anderen Voraussetzungen sehr wirksam sein können. Ein Beispiel dafür ist die lokale Chemotherapie, bei der die Medikamente direkt in die von Tumoren betroffene Region geleitet werden. Bei bestimmten Lebermetastasen hat sich diese aufwendige Technologie bewährt und wird in großen Zentren von Spezialisten erfolgreich eingesetzt. Wird sie dagegen - für viel Geld - zur Behandlung anderer Tumoren angeboten, erweist sie sich aber bestenfalls als wirkungslos.

Noch unzureichend erforschte Verfahren

Manche Anbieter locken mit dem Versprechen, innovative Verfahren einzusetzen, obwohl deren Wirksamkeit noch nicht bewiesen ist. Wer Interesse an solchen Verfahren hat, sollte sich besser erkundigen, ob sie an großen Kliniken im Rahmen klinischer Studien angeboten werden.

Fragwürdige Werbung für Immuntherapien

Moderne Medikamente, die durch gezielte molekularbiologische Eingriffe die körpereigene Abwehr beim Kampf gegen den Tumor unterstützen, haben sich in den vergangenen Jahren bei vielen Krebserkrankungen als vierte Säule der Therapie etabliert und die Überlebenschancen der Betroffenen deutlich gesteigert. Das nutzen unseriöse Anbieter immer wieder aus, indem sie in der Werbung für fragwürdige Immuntherapien auf neueste Studien verweisen, die aber überhaupt nichts mit den beworbenen Behandlungen, meist sogenannten dendritische Zellen oder Eigenbluttherapien, zu tun haben.

Anbieter bewegen sich in der juristischen Grauzone

Bei der Werbung für höchstwahrscheinlich unwirksame Therapien bewegen sich die Anbieter oft in einer rechtlichen Grauzone. Obwohl das Heilmittelwerbegesetz (HWG) irreführende Werbung verbietet, wird im Internet und in Anzeigen immer wieder versprochen, Krebs ohne Nebenwirkungen und Schmerzen behandeln zu können. Tatsächlich wird also nur eine schmerzlose und nebenwirkungsfreie Behandlung angeboten, keine Heilung. Zur Sicherheit unterschreiben Patienten oft einen individuellen Vertrag, der die mündlichen Zusicherungen nicht abdeckt. So kommen die Anbieter ungeschoren davon, selbst wenn alles gegen eine Wirksamkeit ihrer Methoden spricht.

Unseriöse Krebstherapeuten erkennen

Immer wieder werden Fälle von unseriösen Therapeuten bekannt. Bei alternativen Krebstherapien ist in folgenden Fällen große Vorsicht geboten:

  • Der Anbieter besteht darauf, dass alle schulmedizinischen Behandlungen wie Chemo- und Strahlentherapie abgebrochen werden.
  • Er besteht auf einen langfristigen privaten Behandlungsvertrag.
  • Die Wirksamkeit der Therapie wird allein mit Referenzen, Empfehlungen und Fallberichten "belegt", aber ohne anerkannte wissenschaftliche Publikationen.
  • Die Sprache der "Belege" klingt wissenschaftlich und ist für Nicht-Mediziner schwer zu verstehen.
  • Die Therapie wirkt angeblich gegen alle Krebserkrankungen in allen Stadien und gegen andere schwere Erkrankungen wie AIDS und Multiple Sklerose.
  • Die Methode wird als natürlich, sanft und zugleich nebenwirkungsfrei angepriesen.
  • Angeblich wurde eine Vielzahl von Erkrankten geheilt, die von Schulmedizinern bereits aufgegeben wurden.
  • Der Anbieter verweist auf eine Verschwörung schulmedizinischer Ärzten und der Pharmaindustrie, die den Durchbruch einer alternativen Methode verhindern soll.

Wer sich für alternative Therapien interessiert, sollte immer nach Belegen für die Wirkung der Therapie fragen. Behandlungsverfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit sind in der Regel auch in den Leitlinien aufgeführt. Im Zweifel lohnt sich ein Anruf beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (Kostenlose Hotline, Tel. (0800) 420 30 40).

Der behandelnde Arzt muss von alternativen Therapien wissen

Wenn ein Patient sich für alternative Behandlungsverfahren entscheidet, ist es lebenswichtig, den Arzt darüber zu informieren. Denn es gibt alternative Therapieansätze, zum Beispiel hochdosierte Vitamincocktails, die sich mit bestimmten Arzneimitteln nicht vertragen, deren Wirkung massiv beeinträchtigen oder sogar den Körper vergiften. Deshalb ist der offene Umgang mit solchen Behandlungsverfahren unverzichtbar.

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Experten zum Thema

Dr. Burkard Otremba, Onkologe
Onkologische Praxis - Oldenburg - Delmenhorst
Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, HIV-Schwerpunktpraxis
Standort Oldenburg
Grüne Straße 11
26121 Oldenburg
(0441) 77 05 98-0
www.onkopraxis-oldenburg.de

Weitere Informationen
Deutsche Krebshilfe e. V.
Buschstraße 32, 53113 Bonn
Informations- und Beratungsdienst: (0228) 729 90 95 (Mo-Fr 8-17 Uhr)
www.krebshilfe.de
                                                          
Krebsinformationsdienst (KID)
Deutsches Krebsforschungszentrum
Tel. (0800) 420 30 40 (8-20 Uhr, kostenlos aus dem deutschen Festnetz)
www.krebsinformation.de

Infoblatt "Alternative und komplementäre Krebsmedizin" (PDF zum Herunterladen)
www.krebsinformationsdienst.de

Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG)
www.krebsgesellschaft.de

Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie - KOKON  
www.kokoninfo.de

Onkopedia
www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines

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Visite | 04.02.2020 | 20:15 Uhr

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