MRT Gerät mit Bedienmonitor © Colourbox Foto: -

Rückenschmerzen: Warum das MRT oft mehr schadet als nützt

Stand: 19.11.2021 13:15 Uhr

Bei Rückenschmerzen ordnen viele Ärzte MRT-Aufnahmen an. Doch nicht immer ist das sinnvoll. Worauf sollten Erkrankte achten? Und wann kann die MRT-Untersuchung sogar schaden?

Nirgendwo auf der Welt werden so viele ambulante Magnetresonanztomografien (MRT) durchgeführt wie in Deutschland, viele davon wegen Erkrankungen des Rückens. Doch meistens sind MRT-Bilder bei normalen Rückenschmerzen gar nicht notwendig - vor allem nicht in den ersten sechs Wochen.

Bildgebende Untersuchungen meist für Ausschlussdiagnose

Bei Rückenschmerzen geht es oft nicht darum, eine Diagnose zu stellen, sondern darum, zur Sicherheit schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen. Doch nur in 15 Prozent der Fälle verbirgt sich hinter den Beschwerden eine möglicherweise ernsthafte Erkrankung wie ein Bandscheibenvorfall, Wirbelgleiten oder ein Tumor. 85 Prozent der Rückenschmerzen sind nicht spezifisch und medizinisch harmlos. Meist gehen diese Rückenschmerzen von der Muskulatur aus und verschwinden nach einigen Wochen wieder - etwa durch manuelle Therapie oder gezieltes Muskeltraining.

Voreiliges MRT kann Nocebo-Effekt verursachen

Häufig ordnen Ärzte bildgebende Untersuchungen an, anstatt eine genaue körperliche Untersuchung durchzuführen, die in der Regel zunächst sinnvoller ist als ein MRT oder eine Röntgenaufnahme.

Wer noch nicht länger als sechs Wochen unter Rückenschmerzen leidet und sich der Schmerz auf den unteren Rücken beschränkt, sollte nicht auf ein MRT oder Röntgenaufnahmen drängen, denn das kann mehr verunsichern als nützen. Die Bilder könnten einen sogenannten Nocebo-Effekt hervorrufen, der den Behandlungsverlauf negativ beeinflussen kann. Der Nocebo-Effekt funktioniert genau anders herum als der Placebo-Effekt, bei dem Patienten an ein Medikament glauben und es daher wirkt, obwohl es keinerlei Wirkstoff enthält. Beim Nocebo-Effekt verschlimmern sich die Beschwerden durch eigene Ängste oder Befürchtungen - zum Beispiel durch ein voreiliges MRT- oder Röntgenbild.

 

MRT-Bilder lösen unnötige Ängste aus

Im Laufe des Lebens kommt es zu altersgemäßen Veränderungen an den Bandscheiben im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule oder am Übergang zum Kreuzbein - etwa schon bei der Hälfte aller 50-Jährigen ist das zu beobachten. Bei den meisten Betroffenen lösen diese Veränderungen keine Symptome aus. Sehen Betroffene diese altersbedingten Bandscheibenschäden jedoch auf einem MRT- oder Röntgenbild, löst das oftmals eine Kette beängstigender Assoziationen und unangemessener Maßnahmen aus - bis hin zur Operation. Denn haben Betroffene das Bild der geschädigten Bandscheibe im Kopf, verbinden sie dieses ungewollt mit ihrem Rückenschmerz. Dabei ist für den eigenen Schmerz meistens nur eine völlig harmlose Funktionsstörung verantwortlich, die sich mit gezieltem Training beheben lässt.

Diese Warnzeichen erfordern ein MRT

Bei etwa jedem vierten Betroffenen werden gleich zu Beginn der Untersuchungen MRT-Aufnahmen angeordnet. Doch um unnötige Aufnahmen per MRT oder Röntgen zu vermeiden, sollte der Arzt jeden Betroffenen zunächst gründlich nach seinen Beschwerden befragen und körperlich untersuchen. Zeigen sich dabei Schiefstellungen oder bestimmte Warnzeichen ("Red Flags"), ist eine Bildgebung gerechtfertigt. Dazu zählen:

  • Taubheitsgefühl 
  • in die Beine ausstrahlende Schmerzen
  • Muskelschwäche
  • Lähmungen
  • Verdacht auf Entzündung oder Bruch.

Nur in diesen Fällen sollte innerhalb von sechs Wochen eine MRT- oder Röntgenaufnahme gemacht werden. So steht es auch in der deutschen Leitlinie für unspezifischen Rückenschmerz, die als bundesweite Handlungsempfehlung für Ärzte gilt.

MRT-Diagnose: Unterschiedliche Ergebnisse

Das Ergebnis einer MRT-Untersuchung hängt laut einer US-Studie nicht allein von der Einstellung des Gerätes und der Lage des Untersuchten ab. Entscheidend ist demnach, wonach der Radiologe sucht und wie er die Aufnahmen interpretiert.

Nachdem zwei erfahrene Wirbelsäulen-Radiologen während der Studie bei einer Erkrankten im MRT nach ausführlicher und sorgfältiger Begutachtung 25 auffällige Veränderungen festgestellt hatten, schickten sie sie zu zehn unterschiedlichen MRTs. Dabei wurden insgesamt 49 angebliche Veränderungen gefunden - also viel mehr, als tatsächlich vorhanden waren. Doch von den 25 für die Beschwerden relevanten Veränderungen wurde nicht einmal die Hälfte erkannt.

MRT: Gefahr der Fehldiagnose

Eine allgemeine Fragestellung wie "Rückenschmerzen" kann also negative Folgen für Betroffene haben: So können zufällige Befunde falsch interpretiert werden und zu überflüssigen Therapien führen. Ein Beispiel: Bei etwa einem Viertel der Bevölkerung zeigen sich ab einem gewissen Alter Bandscheibenvorfälle im MRT. Dabei handelt es sich um altersbedingte Veränderungen, die in der Regel nichts mit den Beschwerden zu tun haben und die nicht behandelt werden müssen.

Expertinnen und Experten zum Thema

Univ.-Prof. Dr. Ulrike Bingel, Leiterin Zentrum für universitäre Schmerzmedizin

Professur für klinische Neurowissenschaften
Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55
45122 Essen
https://neurologie.uk-essen.de/

 

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