Gesunde Sprossen: Was steckt in Alfalfa, Kresse, Brokkoli?
Sprossen und Keimlinge sind extrem reich an gesunden Nährstoffen und Vitaminen, die auch die Immunabwehr stärken können. Aber um Bakterien und Pilze fernzuhalten, braucht es gute Hygiene.
Beim Verzehr von Sprossen, Keimlingen oder Microgreens wird frisch geerntet - quasi neben dem Kochtopf oder der Schüssel für den Salat. Weil die Jungpflanzen den besten Start ins Leben haben sollen, stecken in Keimlingen viele Nährstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe - und zwar hoch konzentriert. Einige Sprossen werden sogar zur Ergänzung medizinischer Therapien erforscht. Andererseits sind Sprossen anfällig für Keimbefall, zur Vermeidung des Krankheitsrisikos durch Bakterien und Pilze gibt es deshalb einiges zu beachten.
Vitamine und Nährstoffe: Warum sind Sprossen gesund?
Weil der Pflanzennachwuchs auch unter widrigsten Umständen beste Startchancen für das Leben und Überleben haben soll, ist das Saatgut reich an Energie in chemisch komprimierter Form. Während des Keimungsprozesses der Sprossen aus den Samen werden zum Beispiel Proteine und Kohlenhydrate zum Wachstum der Pflanze umgewandelt. Diese Wandlungsprozesse (Keimung) machen Vitamine, Mineralien, Proteine und Kohlenhydrate beim Verzehr auch für den Menschen besser aufnehm- und verwertbar (Bioverfügbarkeit). Vorab: Nicht alles rund um gesunde Inhaltsstoffe in Keimlingen, Sprossen oder Microgreens ist schon in Gänze erforscht. Allerdings stecken im sprießenden Nachwuchs von Gemüsesorten wie Brokkoli oft überproportional viele Vitamine und Mineralstoffe auf "kleinstem Raum". Ihr Anteil an Vitaminen und Nährstoffen im Verhältnis zur Pflanzengröße ist entsprechend groß. Aber: "Wunderwerte", mit denen man eine gesunde Ernährung mit Gemüse ersetzen könnte, erreichen Sie nicht. Beispiel Vitamin C: Um einen Tagesbedarf von rund 100 mg Vitamin C zu erreichen müsste man rund 200 g Sprossen essen. Noch üppiger müsste die Portion ausfallen, um seinen täglichen Bedarf an Eisen (zwischen zehn und 15 mg) zu decken, ergänzt Prof. Dr. Robert Fürst, Pharmazeutischer Biologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München: "Die Sprossen sind so leicht, mit wenigen Milligramm, dass man sie mindestens schuhkartonweise essen müsste."
Sprossen in Blau, Rot und Lila stärken Immunabwehr
Pflanzen, die Anthocyane enthalten, sind intensiv rot, lila oder blau gefärbt - dazu gehören Rotkohl, rote Beete oder blauer Brokkoli. Sie fallen Forscherinnen und Forschern aber nicht nur der Farbe wegen auf: Anthocyane können laut Studien positive Wirkung auf Sehfähigkeit und die neurologische Gesundheit haben.
Buntes Gemüse wirkt freien Radikalen entgegen
Außerdem haben Sprossen durch die enthaltenen Anthocyane auch eine nachweislich antioxidative Wirkung, worauf auch die Verbraucherzentrale hinweist. Pflanzen - und auch uns Menschen - helfen Antioxidantien unter anderem gegen Zellstress (oxidativer Stress durch freie Radikale). Der kann Krankheiten wie Arthritis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs begünstigen. Mit der Nahrung aufgenommene Antioxidantien - aus Sprossen, Gemüse, Obst oder Nüssen - können daher zum Schutz vor Erkrankungen beitragen. Übrigens ist eine schützende Wirkung auch für die Vitamine C, B2 und E bekannt.
Brokkoli, Alfalfa, Kresse: Ausgewählte Sprossen im Überblick
Sprossen und Keimlinge enthalten Nährstoffe, Mineralien und Vitamine in besonders komprimierter und geballter Form. Aber einige der kleinen Pflanzen haben besonders gesunde Inhaltsstoffe und Eigenschaften:
- Gesunde Schärfe in Sprossen des Brokkoli: Wer sich beispielsweise Brokkoli oder Senf aus Samen zieht, profitiert - genau wie beim Essen der großen Gemüsevarianten - vom gesunden Senföl darin. Sogenannte Senfölglykoside (wie das starke indirekte Antioxidans Sulforaphan) wurden in Studien mit einem verminderten Risiko für Nierenkrebs in Verbindung gebracht. Außerdem wirken Senfölglykoside wie Sulforaphan antientzündlich. Sulforaphan ist typisch für Kreuzblütengewächse wie Brokkoli oder Blumenkohl sowie andere Arten von Kohl. Auch der wilde Senf - auch Ackersenf genannt - gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse. Forscherinnen und Forscher an der Universität Heidelberg haben Brokkolisprossen auch mit einem geschwächtem Wachstum von Krebszellen und einem effektiveren Angriff von Tumorstammzellen in Zusammenhang gebracht. In der Studie ging es konkret um das Senföl Sulphoraphan in Brokkoli und verwandtem Gemüse - beispielsweise Radieschen.
- Gesunde Bitterstoffe in Sprossen der Alfalfa: Neben der Mungobohne ist Alfalfa (auch Luzerne oder Schneckenklee genannt) besonders beliebt für die Zucht von Sprossen. Das liegt für die meisten sicher am nussig-bitteren Geschmack, doch dahinter stecken auch für die Gesundheit interessante sekundäre Pflanzenstoffe: Sprossen der Hülsenfrucht Alfalfa enthalten reichlich Saponine. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bewertet Saponine als antikanzerogen (stören die Bildung und Verbreitung von Krebszellen) und antibiotisch sowie antifungal. Außerdem wird ihnen ein Cholesterin senkender Effekt zugeschrieben. Therapeutisch werden Saponine als Schleimlöser in verschiedenen Medikamenten gegen Husten verwendet. Grundsätzlich gilt: Im Übermaß (beispielsweise in Wildzuchten) können Saponine giftig sein und beispielsweise Reizungen der Schleimhaut auslösen. Fälle von solchen Vergiftungen durch Sprossen sind jedoch bisher nicht bekannt.
- Kresse gegen Entzündungen: Kresse ist nicht nur kräftig und scharf im Geschmack, sondern wirkt auch antientzündlich (antibiotische und antifungale/antimykotische Wirkung). Das gilt nicht nur für die klassische Kresse aus dem Supermarkt, sondern auch für die eher durch ihre essbaren Blüten bekannte Kapuzinerkresse. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung stecken sowohl in Kohlarten als auch in Kresse und Kapuzinerkresse zudem Glucosinolate. Diese Senfölglycoside kennt man auch aus Rettich oder Radieschen. Der Pflanze helfen Glucosinolate beim Vertreiben von Fressfeinden - der Gesundheit des Menschen nützen sie als Antioxidantien gegen freie Radikale. Somit haben Glucosinolate auch positive Effekte im Kampf gegen Erkrankungen wie Krebs. Außerdem werden Blutdruck senkende Wirkungen beobachtet.
Sollte man Sprossen roh essen?
Für gesunde Erwachsene ohne immunbedingte oder die Immunabwehr beeinträchtigende Erkrankungen lautet die Antwort: Ja, denn roh genossen (Salat, Topping von Bowles, etc.) bieten die Sprossen die meisten Vitamine, Mineralstoffe und Nährstoffe - beispielsweise Vitamin B1, B2, C, E, Magnesium, Eisen, Kalzium und Zink. Hintergrund: Vitamine sind in der Regel hitzeempfindlich - in gekochten Sprossen ist davon dann nichts mehr zu finden.
Für Menschen mit noch nicht ausgeprägter Immunabwehr (Kinder) oder geschwächtem sowie stark beanspruchtem Immunsystem (Ältere, Schwangere) ist das Krankheitsrisiko durch Bakterien und Pilze größer als für Gesunde und kann den Vitaminvorteil der rohen Sprossen überwiegen. Daher empfiehlt beispielsweise das Bundeszentrum für Ernährung für diese Personengruppen, Sprossen und Keimlinge nicht roh zu verzehren.
Bei Immunschwäche: Sprossen blanchieren
Kinder, Schwangere und Immungeschwächte müssen aber nicht gänzlich auf Sprossen und Keimlinge verzichten. Blanchieren kann helfen: Durch die kurze, starke Hitzeeinwirkung werden Bakterien und Pilze abgetötet. Zwar leiden auch hitzeempfindliche Vitamine unter der Behandlung, der positive Effekt der sekundären Pflanzenstoffen bleibt aber in der Regel erhalten. Auch für die Ballaststoffe in den Pflanzenfasern der Sprossen ist Hitze kein Problem.
Risiken: Wie gefährlich können Sprossen sein?
Sprossen und Keimlinge sind sehr gesund - allerdings können sich auf ihnen Bakterien und Pilze ansiedeln. Die Belastung mit Keimen kann besonders für Menschen mit einem geschwächten oder supprimierten Immunsystem gefährlich werden. Dazu zählen an Autoimmunkrankheiten und Diabetes Erkrankte sowie ältere Menschen und kleine Kinder.
EHEC: Krank durch Sprossen
2011 kam es vor allem in Norddeutschland zum vermehrten Auftreten eines sogenannten hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), das mit starken Durchfällen und Bauchschmerzen in Erscheinung trat. Über 50 Menschen starben damals an den Folgen der Infektion, später bekannt als EHEC. Beim HUS werden in der Regel Zellen durch Gifte aus dem Stoffwechsel von Bakterien beschädigt. Das betrifft vor allem Blutzellen und Zellen in den Nieren. Als Ursache machten unter anderem das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Robert Koch-Institut (RKI) Bakterien an verunreinigten Samen des Bockshornklees aus, die zu Sprossen gezogen worden waren. Bei den vermuteten Erregern handelte es sich um enterohämorrhagische Escherichia coli - kurz EHEC genannt. EHEC ist ein Typ von Bakterien, der auch natürlicherweise bei Menschen und Tieren in der Darmflora vorkommen kann.
Hygiene: Darauf kommt es bei Sprossen an
Zum Ziehen der Sprossen aus Saatgut ist ein feuchtes Milieu notwendig - in der Regel werden für den privaten Hausgebrauch kleine Stücke von Kokosmatten oder Ziehmatten stark mit Wasser durchfeuchtet. Für Sprossen kann man die Keime alternativ einweichen und in ein Sprossenglas abschütten. Da feuchte, warme Milieus auch für die Vermehrung von Bakterien und Pilzen gut geeignet sind - und Desinfektionsmittel sich keinesfalls für zu verzehrende Lebensmitteln eignen -, kommt es auf eine sichere Saatgutquelle sowie auf Hygiene bei der Anzucht der Sprossen an. Dabei hilft:
- gute Belüftung am Standort der Keimsets
- Bei Sprossen ist gutes Spülen und vor allem regelmäßiges Spülen im Sprossenglas wichtig.
- Wenden der Sprossen beim Spülen, um dauerhaft feuchte Stellen im Sprossenglas zu vermeiden
- Wird ein Befall mit Pilzen oder Schimmel entdeckt, sollte das Set mit den Sprossen vernichtet werden, um kein Risiko einzugehen.
Sprossen, Keimlinge, Microgreens: Was ist was?
In der Umgangssprache gibt es viel Wirrwarr um den Unterschied zwischen Keimlingen und Sprossen, tatsächlich geht es um die verschiedenen Wachstumsstadien:
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