Stand: 01.04.2020 09:14 Uhr

Coronavirus: Welche Medikamente wirken könnten

Tabletten liegen auf einer chemischen Formel. (Symbolbild) © Colourbox Foto: eamesBot
Derzeit gibt es keine Medikamente, die speziell zur Behandlung der Covid-19-Erkrankung zugelassen sind.

Bis ein wirksamer Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 zur Verfügung steht, behandeln die Ärzte vor allem die Symptome der Erkrankung. Je nach Schwere des Krankheitsbildes gehören dazu die Gabe von Sauerstoff, der Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes sowie Antibiotika zur Behandlung bakterieller Begleitinfektionen.

Suche nach Medikamenten gegen die Sars-CoV-2-Infektion

Weltweit werden verschiedene Mittel und ihre Wirkung gegen das Coronavirus diskutiert und getestet. Bisher gibt es noch keine Medikamente, die speziell gegen die Sars-CoV-2-Infektion zugelassen sind. Alle Anwendungen sind bislang sogenannte individuelle Heilversuche, also experimentelle Verabreichungen von Medikamenten, die für andere Erkrankungen entwickelt wurden - in der Hoffnung, dass diese auch gegen den neuen Erreger wirksam sein könnten. Die Liste dieser Medikamente ist lang. Aktuell umfasst sie nach Angaben des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller mehr als 30 Wirkstoffe. Einige Wirkstoffe sollen ab Anfang April im Rahmen von länderübergreifenden Studien an vielen Erkrankten getestet werden. Davon erhoffen sich Mediziner schneller klare Ergebnisse, welche Medikamente tatsächlich wirksam sind.

Mittel gegen HIV und Ebola

Als vielversprechende Kandidaten gelten derzeit der Wirkstoff Remdesivir und ein HIV-Medikament:

Remdesivir wurde ursprünglich gegen Ebola entwickelt, aber nie zugelassen, weil die Wirksamkeit gegen Ebola nicht ausreichte. Bei Corona könnte das jetzt anders sein, denn in Zellkulturen waren klare Aktivitäten gegen Coronaviren nachweisbar. Und auch erste klinische Therapieversuche mit dem Wirkstoff, unter anderem in Hannover, zeigten vielversprechende Effekte. Remdesivir kann zwar nicht verhindern, dass das Virus in die Zellen gelangt, aber es hemmt die Vermehrung des Viruserbguts im Lungengewebe. Da Remdesivir über keine Arzneimittelzulassung verfügt, müssen die Ärzte jede Anwendung individuell bei der Herstellerfirma und der Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes beantragen. Das kann bis zu sechs Tage dauern. Weltweite klinische Studien sollen nun klären, ob Remdesivir tatsächlich für die Therapie gegen Covid-19 geeignet ist. Auch deutsche Kliniken sind beteiligt: Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Uniklinik Düsseldorf und der München Klinik Schwabing sollen ab Anfang April Patienten mit dem Medikament behandelt werden.

Das HIV-Medikament mit dem Handelsnamen Kaletra kombiniert zwei sogenannte Protease-Hemmer: Lopinavir und Ritonavir. Es wurde bereits bei der Sars-Epidemie 2002/2003 eingesetzt und ist als Saft oder in Tabletten-Form zur Behandlung der HIV-Infektion zugelassen. Die Wirkstoffkombination hemmt spezielle Enzyme, die das Virus zur Vermehrung braucht. Bei Covid-19 kann es eingesetzt werden, wenn die Atmung nicht mehr funktioniert und der Patient beatmet werden muss. Allerdings ist das immer eine Einzelfallentscheidung, bei der die Ärzte den potenziellen Nutzen und mögliche Nebenwirkungen abwägen müssen. Eine erste Studie bei 199 chinesischen Covid-19-Patienten verlief allerdings enttäuschend.

Malaria-Mittel Chloroquin

Als ein weiteres mögliches Medikament gegen die Covid-19-Erkrankung gilt Chloroquin, das seit über 80 Jahren als Mittel gegen Malaria eingesetzt wird. Aktuell gibt es in China, Italien und Frankreich Behandlungsversuche bei Covid-19-Erkrankten. Französische Forscher hatten berichtet, dass Chloroquin die Virusmenge im Rachen vermindern könne. Doch die Ergebnisse sind unter Medizinern umstritten. Zudem muss Chloroquin sehr hoch dosiert werden, damit es im Lungengewebe ankommt, und kann als Nebenwirkung gefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Dennoch sind jetzt auch in Deutschland Studien mit Chloroquin angelaufen.

Pankreatitis-Wirkstoff aus Japan

Ein weiteres Medikament, das gegen das Corona-Virus wirksam sein könnte, ist Camostat Mesilate, ein in Japan zugelassenes Arzneimittel zur Behandlung einer Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis). Infektiologen des Deutschen Primatenzentrums Göttingen haben entdeckt, dass das Medikament einen Mechanismus blockiert, der das Coronavirus in die Zellen schleust. Ob sich dieser Effekt tatsächlich auch für die Behandlung von Patienten mit Covid-19 nutzen lässt, ist aber noch ebenso unklar wie die Verfügbarkeit des japanischen Arzneimittels.

Medikamente nur bei schweren Verläufen

All diese Medikamente werden bisher nur bei schweren Krankheitsverläufen verabreicht, da die Ärzte noch zu wenig über ihre Wirksamkeit und mögliche gefährliche Nebenwirkungen wissen. Zum Glück brauchen die meisten Covid-19 Patienten keines der starken Medikamente.

So ist das Coronavirus aufgebaut

Viren wie das Coronavirus sind winzig und bestehen aus einem Erbgutstrang, der von einer dünnen Hülle umgeben ist. Anders als Bakterien oder Körperzellen sind Viren extrem simpel aufgebaut. Sie bewegen sich nicht von selbst, fressen nicht und können sich nicht allein, ohne einen Wirtsorganismus vermehren. Deshalb gelten sie auch nicht als Lebewesen. Das einzige Ziel der Viren ist, sich mithilfe eines Wirts zu vermehren. Gelangt ein Coronavirus über Tröpfchen in den Rachenraum, kann es über bestimmte Bindungsstellen an der Zelloberfläche an eine Körperzelle andocken und sich so Zugang ins Zellinnere verschaffen. Coronaviren können Zellen im Atemtrakt, also erst im Rachen und dann in der Lunge, befallen.

Coronavirus vermehrt sich in Körperzellen

Einmal eingedrungen, zwingt das Virus die Körperzelle dazu, sein Erbgut zu vervielfältigen und neue Virushüllen herzustellen. So werden befallene Körperzellen quasi zu Virusfabriken und produzieren viele neue Viren. Am Ende entlässt die Körperzelle die neuen Viren und bleibt geschädigt zurück. Das körpereigene Immunsystem versucht, eine weitere Ausbreitung der Viren zu verhindern. Es bildet nach einigen Tagen neue, passende Abwehrstoffe: Antikörper, die die Erreger erkennen und bei ihrer Bekämpfung helfen. In der Regel ist man vor einer erneuten Infektion mit dem gleichen Virus geschützt, sobald das Immunsystem passende Antikörper gebildet hat.

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Experten zum Thema

Prof. Dr. Marylyn Addo
Leiterin Sektion Infektiologie
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, 20246 Hamburg
www.uke.de

Prof. Dr. Tobias Welte
Direktor Klinik für Pneumologie
Medizinische Hochschule Hannover MHH
Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover
www.mhh.de

Dr. Thomas Fenner
Labor Dr. Fenner
Bergstraße 14, 20095 Hamburg
www.fennerlabor.de

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Visite | 31.03.2020 | 20:15 Uhr

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