Bandscheibenvorfall: Symptome, Ursachen und Behandlung

Stand: 15.09.2024 21:04 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Stechende Schmerzen sind typische Symptome beim Bandscheibenvorfall. Oft trifft es Lendenwirbelsäule (LWS) oder Halswirbelsäule (HWS). Bewegung unterstützt die Behandlung. Eine OP ist meist vermeidbar.

von Levke Heed

Die Bandscheiben sind elastische Stoßdämpfer zwischen unseren Wirbelkörpern. 23 gibt es, sie verteilen den Druck gleichmäßig auf die gesamte Wirbelsäule. Bandscheiben bestehen aus einem weichen Gallertkern, umgeben von einem Faserring. Die Elastizität der Bandscheiben entsteht dadurch, dass sich die Gallertmasse bei Entlastung wie ein Schwamm mit Nährflüssigkeit füllt. Je älter wir werden, umso mehr nimmt die Fähigkeit der Bandscheibe ab Flüssigkeit zu binden. Wird der Faserring spröde, kann er den Gallertkern nicht mehr in seiner Form halten. Die Bandscheibe wölbt sich dann in den Wirbelkanal vor und kann Nerven bedrängen (Protrusion). Reißt der Faserring auf, tritt die Gallertmasse in den Nervenkanal aus (Bandscheibenvorfall mit Prolaps).

Bandscheibenvorfall: Das sind die Symptome

Viele Menschen bemerken den Bandscheibenvorfall zunächst nicht, oft ist er ein Zufallsbefund. Ein Bandscheibenvorfall, auch Bandscheibenprolaps genannt, kann im gesamten Bereich der Wirbelsäule auftreten, mit Abstand am häufigsten (rund 90 Prozent) treten Bandscheibenvorfälle an der Lendenwirbelsäule (LWS) auf. Hier ist die mechanische Belastung auf die Wirbelsäule am stärksten. In der Häufigkeit folgen Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule (HWS) und - eher selten - an der Brustwirbelsäule (BWS).

Symptome im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS)

Bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule sind folgende Symptome möglich:

  • Starke stechende Schmerzen im Rücken und / oder Bein sowie in den Füßen
  • Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Beinen und Füßen 
  • Kraftverlust / Schwäche in den Beinen
  • Lähmungserscheinungen in den Beinen 
  • Probleme bei der Blasen- und Stuhlentleerung

Bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Brustwirbelsäule sind die Schmerzen häufig auf den betroffenen Wirbelsäulenabschnitt begrenzt. Von den Schultern aus laufen die Beschwerden um den Brustkorb herum.

Diagnose stellen beim Bandscheibenvorfall

In den meisten Fällen sind ein Gespräch und eine körperliche Untersuchung für eine Diagnose ausreichend. Erst, wenn die Schmerzen auch nach Wochen intensiver Behandlung nicht nachlassen, ist eine Bilduntersuchung sinnvoll. Zu den bildgebenden Verfahren zählen unter anderem Röntgen, Kernspin- beziehungsweise Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT). Zu frühe Bilddiagnostik birgt die Gefahr, dass Ärztinnen und Ärzte aus den Bildern falsche Schlüsse ziehen. Oft zeigen sie Veränderungen im Bereich der Bandscheiben, die gar nicht für die Beschwerden verantwortlich sind, und können Anlass zu unnötigen Operationen geben.

 

VIDEO: Bandscheibenvorfall: Was tun? (5 Min)

Unterschied: Piriformis-Syndrom oder Bandscheibenvorfall?

Bei der Suche nach der Ursache für Rückenschmerzen und andere Beschwerden ist es besonders wichtig, dass der Arzt prüft, ob tatsächlich ein Bandscheibenvorfall für die Symptome verantwortlich ist oder aber eine Verhärtung des Piriformis-Muskels zwischen Kreuzbein und Oberschenkel. Beim Piriformis-Syndrom drückt der Muskel direkt auf den Ischiasnerv und verursacht ausstrahlende Schmerzen in Gesäß und Bein sowie Kribbeln und Missempfindungen - die Symptome ähneln also sehr denen bei einem Bandscheibenvorfall. Experten schätzen, dass viele OPs an den Bandscheiben vermieden werden könnten, wenn das Piriformis-Syndrom vorher richtig diagnostiziert und behandelt würde.

Ursachen für einen Bandscheibenvorfall

Bei Entlastung nehmen die Bandscheiben Nährflüssigkeit auf und geben sie bei Belastung wieder ab. Einige Faktoren, die häufig auch zusammenwirken, können den Nährstoffaustausch stören und dazu führen, dass die Bandscheiben an Elastizität verlieren:

  • Vererbung
  • Stress
  • Bewegungsmangel
  • Fehlhaltung
  • Überbelastung
  • Fehlbelastung
  • mangelnde Bewegung
  • schwache Rumpfmuskulatur
  • Übergewicht
  • Rauchen

Behandlung eines Bandscheibenvorfalls: OP meist nicht nötig

Bei rund 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle verschwinden die Symptome innerhalb von sechs bis zwölf Wochen von allein. Die Selbstheilungskräfte des Körpers sind der Grund: Das ausgetretene Gewebe wird abgebaut. Maßnahmen zur Behandlung hängen vor allem von Symptomen und Beschwerden ab. Viele Studien haben gezeigt, dass konservative Therapien eine mindestens genauso gute Erfolgsquote haben wie eine Operation.

Chronifizierung der Schmerzen unbedingt vermeiden

Eine zeitnahe Behandlung ist wichtig, um der Gefahr einer sogenannten Chronifizierung, der Entstehung eines Schmerzgedächtnisses, vorzubeugen. Zudem kann es auf Dauer zu Fehlhaltungen kommen. Eine Therapie ist ratsam, wenn Betroffene Schmerzen und Taubheitsgefühle haben.

Konservative Behandlung bei einem Bandscheibenvorfall

Bei der konservativen Behandlung ist es wichtig, die Betroffenen zu mobilisieren und aus dem Schmerz zu bekommen. Es folgt ein gezielter Aufbau der Muskulatur, um die Haltung zu verbessern. Die Kräftigung der Muskulatur sorgt für eine stabile Wirbelsäule. Und: Je besser Betroffene sich bewegen können, um so besser ist die Ernährung der Bandscheibe.

Bausteine der konservativen Behandlung

Schmerztherapie: Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente wie Paracetamol oder sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac kommen zum Einsatz. Verspannungen lösen sich und Bewegung wird wieder leichter. Physiotherapie und Bewegungsprogramm: In der Physiotherapie erlernen Betroffene, sich rückengerecht zu bewegen, um Ihren Rücken bestmöglich zu entlasten. Kräftigungsübungen dienen dazu, die geschwächte Rückenmuskulatur, besonders die Tiefenmuskulatur, gezielt aufzubauen. Bewegung fördert den Heilungsprozess, Schonung dagegen ist kontraproduktiv.

Als eine der effektivsten Maßnahmen zur Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Expertinnen und Experten empfehlen, zeitnah mit einem Bewegungsprogramm und Physiotherapie zu starten. So bleiben Kraft und Beweglichkeit erhalten. Hat der Körper das ausgetretene Gewebe resorbiert, ist der Rücken in der Regel wieder voll belastbar. Jetzt ist es wichtig, durch regelmäßiges Training in Bewegung zu bleiben.

Anwendungen: Ergänzend können Massagen oder Wärme- beziehungsweise Kältebehandlungen hilfreich sein. Auch Akupunktur kann ein Baustein in der konservativen Behandlung sein.

Interventionelle Therapie: Spritzen gegen den Rückenschmerz

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die Interventionelle Therapie: Dabei spritzt der Arzt zum Teil mit Unterstützung bildgebender Verfahren Schmerzmittel, Kortison oder eine Mischung aus beidem direkt an den Schmerzausgangspunkt. Das soll zu einem Abklingen der Entzündung und der Schwellung führen.

Bandscheibenprolaps: Wann ist eine OP notwendig?

  • Starke neurologische Ausfälle, wie Lähmung der Arme oder Beine, Blase oder Enddarm können nicht mehr kontrolliert werden - das ist ein medizinischer Notfall, der so schnell wie möglich behandelt werden muss.
  • Massive, nicht beherrschbare Schmerzen, die das alltägliche Leben stark einschränken und sich trotz konservativer Behandlung nicht verbessert haben.

Die ausgetretene Bandscheibe kann mikrochirurgisch oder endoskopisch entfernt werden. Ziel ist, möglichst schonend nur das störende Gewebe zu beseitigen, um die Funktion des verbliebenen Bandscheibengewebes so gut wie möglich zu erhalten. Bei fast allen Betroffenen kann die OP die starken Schmerzen schnell lindern, da der bedrängte Nerv wieder entlastet wird. Der Klinik-Aufenthalt dauert in der Regel nur wenige Tage. Die Betroffenen können meist bereits wenige Stunden nach der OP wieder aufstehen, sind zügig wieder belastbar.

Wann ist eine künstliche Bandscheibe sinnvoll?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine defekte durch eine künstliche Bandscheibe ersetzt werden. Solche sogenannten Bandscheibenprothesen sind allerdings nur in sehr wenigen Fällen sinnvoll. Vor allem bei jüngeren Betroffenen mit einem isolierten Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS) können sie empfehlenswert sein. Voraussetzungen für eine Bandscheibenprothese sind stabile Wirbelknochen und intakte Wirbelgelenke. Die einer natürlichen Bandscheibe nachempfundene Prothese soll den Abstand zwischen den Wirbeln sowie deren normale Beweglichkeit erhalten und so Symptome wie Schmerzen lindern.

Versteifung gegen Bandscheibenvorfall

Eine letzte Behandlungsoption ist eine Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese). Dabei werden Wirbelkörper miteinander verschraubt. An dieser Stelle bleibt die Wirbelsäule dauerhaft unbeweglich.

Risiken einer Bandscheiben-OP

Wie jede OP bringt auch ein Eingriff an der Bandscheibe Risiken mit sich: Infektionen, Nachblutungen und Nervenverletzungen sind möglich. Und nicht immer bringt die Operation den gewünschten Erfolg. Im schlimmsten Fall haben die Patientinnen und Patienten nach dem Eingriff stärkere Schmerzen als zuvor, da operationsbedingte Nervenschäden und Gewebeschädigungen sowie Narben und Verwachsungen zusätzliche Beschwerden verursachen können.

Ja oder Nein zur Bandscheiben-OP: Entscheidung in Ruhe treffen

Bevor Betroffene sich für eine Operation entscheiden, sollten sie folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Gibt es eine klare Diagnose und eine entsprechende Empfehlung für eine OP, die auf der allgemeinen Leitlinie basiert?
  • Bei Unsicherheiten: Patientinnen und Patienten haben das Recht auf eine Zweitmeinung. Im besten Fall ziehen sie bei der Entscheidung noch eine Physiotherapeutin und einen Psychologen hinzu.
  • Eine OP sollte in einer Klinik durchgeführt werden, die auf die Behandlung von Bandscheiben-Erkrankungen spezialisiert sind. Denn: Bei Ärztinnen und Ärzten mit viel Erfahrung ist die Aussicht auf einer erfolgreiche Therapie besser

Einem weiteren Bandscheibenvorfall vorbeugen

Auf Dauer hilft nach einem Bandscheibenvorfall keine Schonung, sondern regelmäßiges Training der Rückenmuskulatur und Bewegung mit dem Ziel, die Muskulatur zu stärken und die Bandscheiben zu entlasten. Bewegungsmangel ist Gift für die Bandscheiben. Darum ist das funktionelle Rückentraining nicht nur in der Behandlung sinnvoll, sondern auch für die Vorbeugung. Training für die Tiefenmuskulatur seitlich der Wirbelsäule ist dabei wichtig. Aber auch die untere Bauchmuskulatur muss gestärkt werden, da sie im Gegensatz zur Rückenmuskulatur meist schwächer ist. Ein Gleichgewicht sorgt für mehr Körperstabilität und verbessert die Haltung.

Da der Stoffwechsel der Bandscheibe über Bewegung funktioniert - bei Entlastung nehmen die Bandscheiben Nährflüssigkeit auf und geben sie bei Belastung wieder ab - sind neben Spazierengehen auch andere Arten von Ausdauersport wie Walken sinnvoll. Zudem kann Übergewicht die Gefahr für einen Bandscheibenvorfall erhöhen und sollte darum vermieden beziehungsweise reduziert werden.

Bandscheibenvorwölbung: Unterschied zum Bandscheibenvorfall

Wenn der Faserring der Bandscheibe vorgewölbt wird, aber nicht einreißt, handelt es sich um eine Bandscheibenvorwölbung. Ähnlich wie bei einem Bandscheibenvorfall kann die Vorwölbung heftige Schmerzen verursachen, bildet sich aber meist nach einigen Wochen von allein wieder zurück.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 17.09.2024 | 20:15 Uhr

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