"Katapult"-Gründer Benjamin Fredrich tritt nach Vorwürfen zurück
Der Gründer und Chefredakteur des "Katapult"-Magazins aus Greifswald, Benjamin Fredrich, tritt als Chefredakteur des Magazins zurück. Zuvor hatten ihm ukrainische Journalisten bei "Übermedien" vorgeworfen, Gehälter nicht in der vereinbarten Höhe gezahlt zu haben. Er wolle sich aber weiter um das Projekt "Katapult Ukraine" kümmern.
Es begann als Vorbild-Projekt: Unmittelbar nach Beginn des Ukraine-Krieges hatte Fredrich das Projekt "Katapult Ukraine" initiiert, um die Berichterstattung aus und über die Ukraine zu stärken. Er hatte Menschen aus der Ukraine als Redakteure eingestellt und versucht, auch in Odessa eine eigene Redaktion aufzubauen. Das durch Spenden finanzierte Projekt "Katapult Ukraine" zog Aufmerksamkeit auf sich. Auch der NDR berichtete.
Journalisten Sergey und Roksana Panashchuk erheben schwere Vorwürfe
Sergey Panashchuk sollte für Fredrich das Büro in Odessa leiten. "Er schickte 6.000 Euro für Büro-Ausgaben, twitterte die Neuigkeit, dass er ein Büro in Odessa, Ukraine, eröffnet habe, und vergaß uns", sagt Sergey Panashchuk in dem Beitrag. Die fünf Journalisten in dem Büro in Odessa hätten irgendwann gemerkt, dass ihnen "gar keiner richtig sagt, was sie machen sollen. Denen fehlte im Grunde genommen ein Ansprechpartner, eine Struktur", sagt der Medienjournalist Stefan Niggemeier im Gespräch mit NDR Kultur.
Die eigentlich zugesagten Arbeitsverträge von "Katapult" hätten die Journalisten nie erhalten. "Irgendwann ist das dann so zu Ende gegangen, dass sie einfach ihre Gehälter nicht mehr bekommen haben", so Niggemeier. "'Katapult' hat irgendwann gesagt: Ihr macht ja gar nicht mehr richtig etwas für uns, wir zahlen auch nicht mehr das vereinbarte Gehalt für den letzten und für diesen Monat."
Fredrich räumt Fehler ein und weist Vorwürfe zurück
In seinem Statement zum Rücktritt räumte Fredrich Fehler ein. "Dass ich es nicht geschafft habe, grundlegende Erwartungen zu erfüllen, und schlecht kommuniziert habe, stört mich", schreibt Fredrich. Den Vorwurf, die Gelder nicht ausgezahlt zu haben, wies er zurück: "Wie angekündigt, haben wir diesen Menschen monatlich 1.650 Euro überwiesen. Bei manchen länger, bei manchen kürzer." Dass es nicht immer zu Einstellungen gekommen sei, habe rechtliche Gründe gehabt, weil die Ukraine kein EU-Mitglied ist. Er habe sich bei der Formulierung "einstellen" verschätzt. "Das Geld haben die Leute aber trotzdem bekommen", so Fredrich. Er gibt an, noch ausstehende Gehälter von ukrainischen Mitarbeitenden überwiesen zu haben.
Niggemeier: Keine Transparenz, was mit den Spendengeldern passiert ist
Niggemeier reagierte auf das Statement von Fredrich, dass dieser in keiner Weise Transparenz darüber hergestellt habe, wie viel Geld "Katapult Ukraine" genau eingenommen habe und wohin es geflossen sei. "Am Anfang gab es die Versicherung: 'Jeder Cent, der hier gespendet wird, geht an Journalisten und Medien in der Ukraine.' Ob das wirklich so passiert ist, da gibt es größere Zweifel", sagt Niggemeier. "Ich kann nicht beweisen, dass das Geld woanders hingeflossen ist. Aber bei dem vielen guten Willen, mit dem das Projekt am Anfang auch getragen wurde, fehlt da jetzt einfach die Transparenz, um zu sagen: 'Das ist mit dem Geld passiert.'" Fredrich behaupte zwar, "dass man bei 'Katapult' von außen immer in unser Innerstes gucken" könne, aber das sei nicht der Fall.
Fredrich: Trennungen seien unumgänglich gewesen
Fredrich bestätigte in seinem Statement, dass es das Büro in Odessa nicht mehr gibt. Zudem begründete er, warum er sich von einigen ukrainischen Journalisten getrennt hat. "Ich verstehe, dass die Leute, von denen wir uns wieder trennen mussten und die Niggemeier für seinen Artikel interviewt hat, verärgert sind", so der "Katapult"-Gründer. Die Trennungen seien jedoch unumgänglich gewesen. "Manche Leute haben trotz Bezahlung keine Artikel abgegeben, manche haben diskriminierende Sprache verwendet, manche haben bei der Übersetzung unserer Artikel in andere Sprachen eigenmächtig kritische Abschnitte über die Ukraine entfernt."
Fredrich will sich nun voll auf das Projekt "Katapult Ukraine" konzentrieren
Fredrich schreibt in seinem Statement, er trete zurück von der operativen Geschäftsführung sowie der Chefredaktion von "Katapult", um sich nun voll auf das Projekt "Katapult Ukraine" zu konzentrieren und seine ursprünglichen Pläne zu verwirklichen. Welche Rolle er dort genau einnimmt, ließ er offen. Von Verlagsseite gibt es bislang keine Antwort auf eine Interviewanfrage des NDR.
"Ich glaube, dass es im Grunde eine gute Idee ist zu sagen: Er macht nicht mehr alles. Eine Erklärung kann schon sein, dass das Problem eine Mischung aus Selbstüberschätzung und Überforderung war", kommentierte Niggemeier die Entscheidung bei NDR Kultur. "Sich ganz auf dieses Projekt zu konzentrieren, das kann eine gute Idee sein. Vielleicht ist das eine Art, damit konstruktiv umzugehen."
Nasrin Morgan und Juli Katz übernehmen Leitung
Das Magazin "Katapult" aus Greifswald wird nun von einer weiblichen Doppelspitze geleitet. Die beiden neuen Geschäftsführerinnen werden Nasrin Morgan und Juli Katz sein, derzeit Referentin der Geschäftsführung und Online-Chefredakteurin. Die Besetzung der Chefredaktion steht noch aus. "Wichtig ist nun einfach, dass aufgeklärt wird, dass Transparenz herrscht und dass die neuen beiden Geschäftsführerinnen ein Team zusammen schmieden", sagte Corinna Pfaff, Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). "Ich glaube, dann kann das eine Strahlkraft behaltet. Jedes Scheitern eines journalistischen Projektes schadet uns allen."
Mit Informationen von Juliane Bergmann und Lenore Lötsch (NDR Kultur).