"Niki Backstage" in Hannover: Restaurieren heißt auch Detektivin sein
Ist der Riss Kunst oder kann der weg? Mit solchen Fragen beschäftigt sich das Team Restauration des Sprengel Museums vor der großen Herbstausstellung zu Niki de Saint Phalle. Schon jetzt kann man den Expertinnen in der Schau "Niki Backstage" zugucken.
Wann ist der Riss in einem Kunstwerk ein Schaden und wann ist er von der Künstlerin bewusst gesetzt worden? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit das Team Restauration im Sprengel Museum Hannover. Vor der großen Herbstausstellung "Niki. Kusama. Murakami." werden die Werke der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle auf ihren Zustand überprüft. Unter der Überschrift "Niki Backstage" kann man im Ausstellungsbereich dabei zusehen.
Plastik und Stoff: Viel Platz für Schmutzpartikel
Eliza Reichel hat sich eine stark vergrößernde Stirnbrille aufgesetzt, einen starken Scheinwerfer angeschaltet und einen kleinen Staubsauger eingeschaltet. Mit feinen Pinseln nähert sich die Restauratorin vorsichtig dem plastikübersäten Körper von Niki de Saint Phalles Skulptur "Pferd und Braut" aus den 1960er-Jahren. Puppenbein und Plastikblume kleben da neben geschmolzenem Kunststoff und Stoffelementen am Pferdekörper - viel Platz für Schmutzpartikel.
"Kunststoffe sind eine große Herausforderung, weil sie strukturell immer weiter zerfallen", erklärt Restauratorin Reichel. "Hinzu kommt die Materialvielfalt: Wir wissen nicht bei jedem Stück genau, womit wir es zu tun haben. Es kann alles Mögliche dabei sein - Wolle, Baumwolle, Kunststoff-Textilien. Deshalb müssen wir auch mit allen möglichen Schadfaktoren rechnen."
Kunst-Appetit bei Silberfischchen, Pelzmotte und Nagekäfer
Welches Getier Kunstwerke anziehen, ist in einer von mehreren Vitrinen in der Ausstellung zu sehen. Wie sonst Schmetterlinge und Käfer in biologischen Sammlungen sind hier Kunstverkoster wie das Silberfischchen, die Pelzmotte und der gemeine Nagekäfer aufgespießt, umgangssprachlich als Holzwurm bekannt. Auch der Speckkäfer darf nicht fehlen. Ist das die Spezies, die sich mit Vorliebe an Beuyssche Butterhügel macht? "Das klingt erst mal so, aber die fressen leider alles Mögliche - nicht nur Speck", so Reichel. "Das sind ziemlich vielseitige Verwerter. Und weil wir im Museum eine große Materialvielfalt haben, wollen wir die absolut nicht haben."
Eine gute Klimaanlage, zuträgliche Luftfeuchtigkeit und Lichteinstrahlung halten die Schadinsekten in Schach und sorgen für die Langlebigkeit der Kunstwerke. In den Vitrinen sind Geräte ausgestellt, mit denen sich diese Parameter prüfen lassen. Doch ein Stück weit müsse sie auch Chemikerin sein, um die Zusammensetzung der Materialien analysieren zu können, die sie erhalten will - und Detektivin, sagt Reichel. "Genau das macht unseren Beruf so spannend: In vielen Fällen kennen wir die Antworten gar nicht. Warum sieht ein Werk heute so aus? Ohne seine Geschichte zu kennen, kann man das oft nicht beurteilen - gerade bei Veränderungen, Schäden oder anderen Spuren, die es im Lauf der Zeit mitbekommen hat. Meist gibt es dazu keinerlei dokumentierte Informationen."
Niki de Saint Phalles Schießbilder: Welches Loch ist original?
Ist ein Loch in einem von Niki de Saint Phalles Schießbildern ein Transportschaden oder Ausdruck des gewalttätigen Aktes, den die Französin mit dem Beschuss dieser Werke in Happenings bezweckte? Gibt es Fotos aus verschiedenen Jahren, die Aufschluss geben könnten? Ist etwas darüber im Werkverzeichnis zu finden? Auf dem Tisch neben den noch unverpackten Werken in Holzkisten liegen ein dickes Buch und Hängemappen, die mehr über die Geschichte der Kunstwerke verraten.
"Wer diesen Beruf wählt, tut das aus Liebe zur Kunst - anders ergibt das keinen Sinn", findet Reichel. "Und genau deshalb macht es auch so viel Freude, tief in ein Werk einzutauchen." Sie klappt ihre Stirnbrille wieder herunter und taucht ein in das dreidimensionale Reich Niki de Saint Phalles aus rankenden Plastikzweigen, verschlungenen Garnresten und Spielzeugflugzeugen, die auf dem Rücken ihrer Pferdeskulptur gelandet sind.
"Niki Backstage" in Hannover: Restaurieren heißt auch Detektivin sein
Im Herbst zeigt das Sprengel Museum eine große Ausstellung zu Niki de Saint Phalle. Den Restauratorinnen kann man schon jetzt zusehen.
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Sprengel Museum
Kurt-Schwitters-Platz 1
30169 Hannover - Telefon:
- (0511) 16843875
- Öffnungszeiten:
- Dienstag 10 - 20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag10 - 18 Uhr
Montag geschlossen
