"Nanas" in Hannover feiern 50. Geburtstag
Als Sophie, Charlotte und Caroline - so heißen die drei "Nanas" - vor 50 Jahren in Hannover aufgestellt wurden, sorgte das für viel Aufregung.
Sie waren eine Auftragsarbeit für Niki de Saint Phalle. Für 180.000 DM hatte die Stadt Hannover die drei Skulpturen gekauft, wie sich die Künstlerin in einem Dokumentarfilm von Peter Schamoni erinnert: "Dies ist ein Modell für 'Nanas', die in Hannover stehen werden. Man hat mich gebeten, drei riesige 'Nanas' zu machen, die am See stehen und die Grünanlage etwas fröhlicher machen sollen."
Lautstarker Protest beim Aufbau der "Nanas" 1974
Doch statt glücklichen Gesichtern gibt es Widerstand unter den Bürgern. 20.000 Unterschriften werden im Vorfeld gegen die prallen Frauenfiguren gesammelt. Und Begeisterung sieht an diesem kühlen Wintertag im Jahr 1974 in Hannover wahrlich anders aus: Nicht nur die Künstlerin Niki de Saint Phalle ist zum Leine-Ufer gereist. Auch Hunderte Menschen sind gekommen, um gegen die drei knallbunten, überlebensgroßen Polyester-"Nanas" lautstark zu protestieren.
Unter mürrischen Blicken von Passanten, werden die üppigen Frauenfiguren, die lustvoll ihre Leibesfülle zur Schau tragen, aus ihren Holzkisten gehievt. Ein Schaulustiger ruft: "Eine verkrüppelte Illusion!" Der Passant daneben sieht das anders: "Ich finde das gut. Die Straße ist grau, das ist mal was anderes."
Ereignis mit politischer Bedeutung
Niki de Saint Phalle ist fasziniert von den heftigen Reaktionen: "1974 war dies das größte politische Ereignis über Kunst in Deutschland. Es gab einen Riesenkrach und es war eine politische Angelegenheit. Die Leute waren dafür oder dagegen. Manche hatten sich sogar bewaffnet. Ich hatte das Gefühl, dass Kunst etwas Lebendiges ist. Etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Das war toll." So etwas Außergewöhnliches habe sie danach nie wieder erlebt, erzählt die Künstlerin.
Schwere Kindheit prägt ihr Leben
Schon früh zeigt sich bei Niki de Saint Phalle, die in einer reichen und adeligen französischen Bankiersfamilie zuerst in Paris, später in New York aufwächst, eine Begeisterung für die Rolle der Frau in der Kunst. "Bereits mit zwölf Jahren wurde ich in der Schule Feministin", erinnert sie sich, "nach zwei Jahren hat man mich rausgeschmissen, weil ich das Geschlecht der Statuen rot machte. Man hat mir gesagt: entweder du fliegst raus oder du gehst zum Psychiater. Meine Eltern haben das Kloster vorgezogen."
Beim Psychiater landete Saint Phalle trotzdem später. Dort wird sie ihre teils grausame Kindheit aufarbeiten. Sie wird streng katholisch erzogen, hat stets das Gefühl, eine Belastung für ihre Familie zu sein, wird von den Eltern geschlagen und vom Vater sexuell missbraucht.
Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in ihrer Kunst
Mit nur 18 Jahren heiratet sie ihren Jugendfreund, den Schriftsteller Harry Matthews. Sie bekommen eine Tochter und ziehen nach Paris. Dort erleidet Niki de Saint Phalle einen Nervenzusammenbruch und kommt während der Therapie zur Malerei. Ihre Kunst ist voller Schmerz, Wut und weiblicher Aggressivität gegen Männer.
Das ist auch der Motor für ihr frühes Werk. Ihre Bilder sollen weinen. Mit einem Gewehr zielt sie auf Farbbeutel, angebracht auf Leinwänden, und schießt sich so ihren Weg frei. "Ich war gegen die Gesellschaft, gegen mein Milieu, gegen die Männer. Es war eine Wut, die aus mir ausbrach, ohne Opfer. Künstler haben mich unterstützt, aber ich war eher ein skandalöses Subjekt", beschreibt de Saint Phalle diese Zeit.
Heute sind die "Nanas" nicht mehr wegzudenken
Auch mit ihren ersten "Nanas" erregt sie nicht nur die Gemüter. Sie machen Niki de Saint Phalle weltberühmt. Wie Zeit des Schmerzes ist vorbei. Ihre "Nanas" sind Figuren der puren Freude. Sie feiern die befreite Frau. So auch die drei "Nanas" in Hannover, die heute ein Wahrzeichen der Stadt sind. Aufgestellt wurden Sophie, Charlotte und Caroline unter großen Protesten heute vor 50 Jahren, am 14. Januar 1974.