Cem Ali Gültekin: "Jeder kann lernen, lustig zu sein"
"So etwas kannst du nicht lernen, entweder du hast es oder du hast es nicht" - könnte man meinen, wenn man an Comedians oder Kabarettisten denkt. Doch inzwischen gibt es die Hamburger Schule für Comedy.
Der Schauspieler und Comedian Cem Ali Gültekin ist Gründer und Schulleiter der Hamburger Schule für Comedy. Ein Gespräch.
Herr Gültekin, Sie standen gestern noch vor Schülerinnen und Schülern, haben unterrichtet. Was hat Sie denn selber dabei zum Lachen gebracht?
Cem Ali Gültekin: Es gibt einige Sachen, die einen zum Lachen bringen, weil es gerade in Workshop-Situationen sehr wichtig ist, eine gute Mischung aus Inhalt, aber auch Humor zu bringen, damit das Ganze ein bisschen aufgelockert wird.
Wie müssen wir uns diesen Unterricht überhaupt vorstellen?
Gültekin: Der Unterricht an der Hamburger Schule für Comedy ist vergleichbar mit dem Unterricht an einer Schauspielschule: Wir unterrichten Schauspiel, Improvisation, Kreativität, Gag-Writing. Auch Bühnenpräsenz ist ein wichtiges Thema, weil es in der Comedy und im Kabarett nicht nur darum geht, den Gag technisch sauber zu bauen - das ist nur die halbe Miete. Der Rest setzt sich zusammen aus dem, was ich auf der Bühne präsentiere, und da gehören mehr Sachen dazu, um das Ganze zu einer Gesamt-Performance zu bringen.
An der Schauspielschule muss man meistens ein bisschen Talent mitbringen, um überhaupt aufgenommen zu werden. Wie ist das bei Ihnen? Kann jeder lernen, lustig zu sein?
Gültekin: Ja, im Grunde genommen kann jeder lernen, lustig zu sein. Es geht darum, die persönliche Grenze herauszufinden. Auch bei uns gibt es eine Aufnahmeprüfung, die man bestehen muss. In den ersten Wochen geht es erst einmal nur darum, zu gucken, wo derjenige oder diejenige steht. Welche Themen bringt er oder sie mit, welchen Humor? Wo setzen wir überhaupt an?
Was ist ein typischer Anfängerfehler bei den meisten?
Gültekin: Ein typischer Anfängerfehler ist, dass man am Anfang zu viel will. Die Schüler kommen und denken oftmals, dass sie schon nach zwei Wochen den Schlüssel für den perfekten Gag in die Hand bekommen. Das ist natürlich nicht so, Comedy ist wirklich harte Arbeit. Man muss sich viel Zeit nehmen, viel Gehirnschmalz investieren, um auf einen guten Gag zu kommen. Da gibt es nicht diesen einen goldenen Schlüssel, den man vermitteln kann, und dann kann jeder plötzlich Comedian werden.
Besteht nicht die Gefahr, dass alle, die den gleichen Unterricht besucht haben, am Ende gleich denken und dieselben Pointen raushauen?
Gültekin: Das machen wir ganz bewusst nicht. Es gibt keine Schablone, wo wir sagen: Da müsst ihr alle durch und dann seid ihr fertige Comedians. Ich bin selber durch eine individuelle Schule gegangen, habe an verschiedenen Bühnen gespielt, mich in verschiedenen Kunstformen ausgedrückt. Daher weiß ich, dass es nicht diesen einen Weg gibt, wo dann am Ende alle gleich sind. Sondern wir haben verschiedene Altersklassen, von jung bis alt, verschiedene Berufsbranchen, vom Azubi bis zum pensionierten Mathelehrer. Wir mischen das und gucken ganz individuell, wo derjenige steht, was er mitbringt, was sein Ziel ist. Manche wollen sich auch persönlich weiterentwickeln und nutzen diese sechs Monate, um schlagfertiger und kreativer zu werden in der Arbeit, die sie jetzt schon machen. Es ist nicht so, dass jeder, der an die Hamburger Schule für Comedy kommt, auch zwingend ein Comedian werden muss.
Nicht jeder will auf die große Bühne, sagen Sie, aber es gibt die mit Sicherheit auch. Kennen wir denn Absolventen von Ihnen?
Gültekin: Ja. Wir hatten in den vergangenen Jahren Menschen wie Martina Schönherr, Christin Jugsch, Kristina Bogansky - die kann man schon bei NightWash und im Quatsch Comedy Club erleben. Aus der letzten Klasse haben wir einen Handwerksmeister, der mit Anfang 60 noch mal was Neues ausprobieren wollte. Er hat schon nach knapp zweieinhalb Monaten seinen ersten Contest gewonnen und spielt mit namhaften Leuten wie Tutty Tran, Osan Yaran oder Hans-Hermann Thielke.
Als Radiomoderator versucht man auch, hier und da mal lustig zu sein. Wie gehe ich am besten vor, wenn ich ein Thema auf dem Tisch habe und mir noch eine witzige Pointe überlegen will?
Gültekin: Sie nehmen den Text und schauen ihn durch auf Potenzial und gucken dann, wo man eine Wendung reinbringen kann. Es geht ja im Grunde genommen nicht nur in der Comedy, sondern auch beim Film oder in einem Roman darum, dass wir versuchen, die Erwartungen zu brechen. Wenn wir witzig sein wollen, dann lenken wir den Zuschauer, den Zuhörer in eine bestimmte Richtung. Das Gehirn fängt dann von alleine an zu denken: Okay, jetzt weiß ich, wo der Hase lang läuft. Und in dem Moment, wo wir es nicht erwarten, kommt eine Wendung. Je verrückter diese Wendung, je weiter diese Wendung weg ist von dieser Ausfahrt, die der Zuschauer oder der Zuhörer im Kopf hatte, desto lustiger.
Müssten wir alle viel mehr lachen?
Gültekin: Ich finde ja. Durch Humor und Lachen entsteht eine großartige Emotion, die alles in Wallung bringt, die den Körper und den Geist in eine Richtung lenkt, die, glaube ich, sehr richtig und auch notwendig ist für die jetzige Zeit.
Das Interview führte Jan Wiedemann.