Kritik an "Bonhoeffer": "Film geht an machen Stellen zu weit"
Das Drama "Bonhoeffer" wirft Fragen zur historischen Genauigkeit und der Darstellung des Theologen, der im NS Widerstand geleistet hat, auf. Der Film gehe an manchen Stellen zu frei mit Fakten um, kritisiert Florian Höhne von der Bonhoeffer-Gesellschaft.
"Bonhoeffer", das Filmdrama über Dietrichs Bonhoeffers schwere Jahre im Nationalsozialismus, ist jetzt in den Kinos. Schon zu seinem amerikanischen Kinostart war der Film umstritten. Bonhoeffers Großneffe, Tobias Korenke, bezeichnete ihn im Interview mit NDR Kultur als "anspruchsloses Machwerk", für den sich in Deutschland kaum ein Verleih finden werde. Doch nun ist der Film auch bei uns zu sehen. Dazu ein Gespräch mit Prof. Florian Höhne, dem Ersten Vorsitzender der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft.
Herr Höhne, warum ist dieses Thema so virulent, dass man es in deutsche Kinos bringen will oder muss?
Florian Höhne: Naja, ich denke, der Stoff ist virulent. Ich habe auch viele Kritikpunkte an dem Film, aber er ist zumindest populär anschlussfähig gemacht, so dass man ihn sich erst einmal unterhaltend ansehen kann. Deshalb hat der Film auch einen Verleih gefunden, weil das Thema Bonhoeffer und seine Geschichte so relevant und aktuell ist.
Es gab eine unmögliche Vermarktung des Films, insbesondere auf Plakaten vom Verleiher in den USA. Man sah Bonhoeffer dort mit einem Colt, bereit zum Schuss. Aber bleiben wir bei dem Film an sich: In ihm stecken historische Fehler. Sind das einfach die Mittel des Kinos oder geht das darüber hinaus?
Höhne: Man muss beides klar trennen. Die Vermarktung in den USA war hochproblematisch: Das Filmplakat mit Waffe in der Hand geht gar nicht, das widerspricht allem, was wir über Bonhoeffer wissen. Nun wird in Deutschland der Film anders vermarktet. Das ist gut so und das unterstütze ich auch.
Trotzdem bleiben Bedenken dem Film selbst gegenüber, weil er wirklich sehr, sehr frei mit historischen Fakten umgeht. Nun muss man, wenn man historische Filme macht, irgendwie frei mit Fakten umgehen. Es gehört zur künstlerischen Freiheit und ist legitim. Der Film geht aber an manchen Stellen zu weit meines Erachtens, sodass ein irreführendes und einseitiges Bild von Bonhoeffer entsteht - und das teilweise ohne Not. Ich gebe ein Beispiel: Gegen Ende des Films wird seine Hinrichtung gezeigt und da sieht man das Ortsschild von Schönberg. Nun war Bonhoeffer tatsächlich kurz vor der Hinrichtung in Schönberg, ist aber im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet worden. Und das kommt in dem Film so nicht vor. Zudem wird die Hinrichtung relativ dramatisch-emotional, aber irgendwie auch ritterlich, fast Christus-ähnlich geschildert. Man sieht drei Galgen und Bonhoeffer schreitet zum mittleren. Nach allem, was wir wissen, haben Hinrichtungen in Konzentrationslagern nicht so stattgefunden. Das heißt hier wird die Hinrichtungsszene meines Erachtens verharmlost und Bonhoeffer wird gleichzeitig als ein Christus-gleicher Held gezeichnet. Bei beidem habe ich, vorsichtig gesagt, meine Fragezeichen, ob das der historischen Realität gerecht wird.
Ich finde es gerade in der heutigen Zeit wichtig, dass wir auch nach den historischen Fakten fragen und die im Blick behalten. Dass wir uns verstören lassen davon, wie es wirklich gewesen sein könnte und nicht nur eine dramatisch-spannende Geschichte erzählen.
Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm war im Interview mit uns erstaunlich entspannt, was den Film angeht. Er meinte, man solle ihn nicht auf die Abweichungen von der historischen Realität reduzieren. Vielmehr solle man das, was Regisseur Todd Komarnicki als seine Botschaft sieht, Zivilcourage gegen Unrecht, als Sprungbrett für heutige Fragen nutzen.
Höhne: Ich stimme ihm zu, dass es eine gute Sache ist, die Zivilcourage gegen Unrecht zu betonen. Und ich glaube dem Regisseur, dass die Macher eine ehrliche Intention mit dem Film hatten, diesen Mut zu stärken. Aber ich sehe den Umgang mit den historischen Fakten in dem Film etwas kritischer als Herr Bedford-Strohm. Dieser Umgang ist eben so frei an manchen Stellen, dass es zu Missverständnissen und Instrumentalisierungen kommen kann. Deshalb ist es wichtig, den Film, wenn man ihn sieht, historisch einzuordnen und ihn auch wirklich zu lesen als ein Aufruf zum Mut und zur Zivilcourage, auch gegen Rechts.
In den USA wird Dietrich Bonhoeffer von evangelikalen Kreisen in meiner Hinsicht unsäglich instrumentalisiert: als Kämpfer gegen das woke, linke Amerika. Da haben sich dann wieder andere Kreise gegen gewandt und damit eine wirklich virile Diskussion über ihn ausgelöst - auch wenn ich das vergleiche mit hierzulande. Wir kennen ihn doch eigentlich nur von der Gedichtstrophe "Von guten Mächten wunderbar geborgen" auf Postkarten. Wie sehen Sie das?
Höhne: Wir haben in Deutschland, denke ich, auf unterschiedlichen Ebenen eine Auseinandersetzung mit Dietrich Bonhoeffer. Da ist einmal der Name und dieses "Von guten Mächten wunderbar geborgen", was vielen bekannt ist. Gerade in der Kirche und der Theologie spielt Bonhoeffer aber oft eine größere Rolle, ist ein wichtiger Gesprächspartner und hat viele Texte und Gedichte geschrieben, die inspirierend sind. Wir als Bonhoeffer-Gesellschaft setzen uns ausführlich mit ihm auseinander. Es gibt viele theologische Arbeiten zu Bonhoeffer und auch an den Universitäten ist immer wieder von Studierenden ein großes Interesse da. Von daher erlebe ich es schon so, dass es auch in Deutschland einen sehr vielseitigen Diskurs zu ihm gibt.
Sollte man lieber den Film angucken und darüber diskutieren oder ein ordentliches Buch über Dietrich Bonhoeffer lesen?
Höhne: Auf jeden Fall beides! Wenn man Film anguckt, dann auch ein ordentliches Buch dazu lesen.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.
