KI-Kinderbücher erobern Amazon: Verlage kämpfen gegen "Fake und Schrott"
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist auf dem Vormarsch - auch auf dem Buchmarkt. In den Verkaufslisten der großen Online-Versandhändler finden sich immer häufiger von KI generierte Kinderbücher. Was ist davon zu halten?
"Für gute Kinderbücher sehe ich im Moment wirklich keine Gefahr", sagt Kinderbuchexpertin und Host des NDR Bücher-Podcasts "eat.READ.sleep" Katharina Mahrenholtz, "weil diese Bücher ja in der Regel 'Book on Demand'-Bücher sind. Das heißt, man stößt nur darauf, wenn man zum Beispiel bei einem großen Internet-Händler unspezifisch nach Kinderbüchern sucht. Dann werden solche Bücher manchmal vorgeschlagen."
Trotzdem beobachten Verlage eine Verschiebung im Markt, wie Christian Sprang vom Deutschen Börsenverein berichtet. "Wir kriegen viele Beschwerden von Verlagen, die empfinden, dass ihre seriösen Bücher bei Amazon neben diesen Fake- und Schrott-Büchern, die KI-generiert sind, immer stärker ins Hintertreffen geraten", so der Justitiar.
Verkaufs-Trick und Marketing-Strategie?
Sprang bezieht sich auf Bücher, die vermutlich aus markt-strategischen Gründen auf Bestsellerlisten von großen Online-Händlern erscheinen. "Dieses Buch zum Beispiel heißt 'Weil du ein wunderbares Mädchen bist' und hat einen Bestseller auf Platz 1 in der Kategorie 'Für Kinder über LGBT+-Familien'", sagt Michael Mantel, Illustrator zahlreicher Kinderbücher. Er zeigt auf seinem Tablet beim Amazon-Händler auf Buchcover, die computer-generiert wirken. "Beim Weiterstöbern habe ich dann das hier gefunden: 'Weil du ein besonderes Mädchen bist' - Bestseller bei 'Über Waisen und Kinder in Pflegeheimen'. Dann wird es etwas absurder: 'Auch starke Mädchen dürfen Fehler machen' - Bestseller Nummer 1 in 'Erdkunde Schulbücher'." Der Illustrator wundert sich und vermutet, "dass das mit den speziellen Kategorien vielleicht bewusst so gemacht wird. Aber dass es hier so viele ähnliche Bücher gibt, die auch noch alle Bestseller-Plätze haben, legt nahe, dass die Leute entweder selber die Strategie kopieren oder dass vielleicht jemand sogar die Leute coacht, wie man mit solchen Strategien erfolgreich wird."
Ein möglicher weiterer Grund für die Zunahme KI-generierter Kinderbücher ist die Textlänge. Gerade die ist im Vergleich zu langen Sachbüchern und Romanen für Erwachsene "oft eben nicht so sonderlich komplex konstruiert", wie Katharina Mahrenholtz erklärt. Dennoch räumt die Expertin ein, dass es Bereiche in der Literatur gibt, bei der es sich anböte, KI bei der Erstellung von Angeboten einzusetzen: "Das ist jede Art von Massenware, also Bücher, in denen bekannte Themen und wiederkehrende Muster nur neu gemixt werden. Dann kommt - böse gesagt - so eine Art Fast-Food-Literatur raus: schnell gelesen, schnell vergessen."
Selbstversuch mit KI-Programmen
Wie schwer ist es aber, ein Kinderbuch über KI zu erstellen? Tim Winterscheid macht den Selbstversuch. Er ist Host des NDR Instagram-Kanals "Matsch und Muse". Zusammen mit seiner kleinen Tochter wollte er ein Buch nach genau ihren Wünschen KI-generiert erstellen lassen. "Es gibt kein Programm, das jetzt so ganz einfach zugänglich ist und das einem sofort ein fertiges Buch mit künstlicher Intelligenz entwirft", erklärt der Journalist. "Darum habe ich dann mehrere Programme nutzen müssen und habe dann mir erst mal mit einem Programm einfach nur die Geschichte erstellen lassen. Allerdings muss ich sagen: Es war immer ein bisschen vorhersehbar."
Im Gegensatz zu Vater hatte das Töchterchen am Text nicht so viel auszusetzen, allerdings bei den Einhorn-Bildern für die Geschichte schon. "Wenn du genau schaust, auf jedem Bild sieht das Einhorn unterschiedlich aus, weil die KI es irgendwie noch nicht hinbekommt." Auch das Zusammenfügen von Text und Bild bedarf schon einiger Vorkenntnisse, denn, so Winterscheid, "das hat mir die KI überhaupt nicht abgenommen und das hat richtig lange gedauert." Am Ende würde der Familienvater davon abraten, ein komplettes Bilderbuch von KI erstellen zu lassen, denn es ist "wirklich eine unglaubliche Fummelei." Eine Fummelei, die von Verlagen mit ihren Design-Abteilungen und Lektoraten eben hoch professionell übernommen wird.
Renaissance der Buchhändlerinnen und -händler
Müssen Kinderbuchautorinnen und -autoren um die Zukunft fürchten? "Also wirklich nicht", sagt Literatur-Expertin Katharina Mahrenholtz, denn von "KI geschrieben heißt ja gar nicht automatisch besser." Und so sieht sie die Medien auch in der Verantwortung: "Wie können nämlich mehr gute Kinderbücher empfehlen, mehr über Kinderliteratur berichten und Eltern sozusagen immer wieder mit einer Liste in die Buchläden schicken. Und da finden Sie dann halt noch mehr Beratung." Ähnlich sieht das auch der Justitiar des Deutschen Börsenvereins Christian Sprang: "Ich glaube, dass es die Renaissance des Buchhändlers ist. Denn was im Laden steht, wird von jemandem kontrolliert, der sich wirklich mit Liebe und Interesse für seine Kunden Mühe gibt. Daher ist es eher ein Phänomen, wenn sie online shoppen."
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