Menschen demonstrieren auf einer Straße © picture alliance / Sipa USA | Robyn Stevens Brody Foto: Robyn Stevens Brody
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AUDIO: Deutsche Kulturschaffende und ihre Trump-Kritik (4 Min)

Jetzt erst recht oder Boykott: Vom Umgang mit Trumps Politik

Stand: 11.03.2025 15:24 Uhr

Auch die deutsche Kulturszene ringt um den Umgang mit US-Präsident Donald Trump. Immer mehr Künstlerinnen und Künstler beziehen Stellung - durch Konzertabsagen wie von Christian Tetzlaff oder laute Meinungsäußerung von Jan Vogler

von Severine Naeve

Donald Trumps Kulturpolitik bedeutet bislang: kürzen, verbieten, abschaffen. Seine Übernahme des renommierten Kennedy Centers in Washington, einer der wenigen staatlichen Kultureinrichtungen der USA, sorgte für viel Aufregung. Denn Feminismus, Gleichberechtigung oder Diversität sollen nicht mehr thematisiert werden. Vielerorts gibt es in den USA im Kulturbereich Kürzungen, Schließungen und die Abkehr von Vielfalt und freier Meinungsäußerung. Eine Situation, die ganz unterschiedliche Reaktionen bei deutschen Kulturschaffenden hervorruft.

Tetzlaff moniert Stille der US-Kulturszene

Die Entscheidung, alle seine Konzerte in den USA abzusagen, hat sich der Geiger Christian Tetzlaff nicht leicht gemacht. Er sagte im Gespräch mit NDR Kultur: "Ich habe fürchterlich mit mir gerungen, denn Amerika war eigentlich immer mein Hauptspielfeld. Ich habe jedes Jahr mindestens 20 Konzerte in Amerika und habe viele Kontakte, Freunde, Organisatoren und Räume, in denen ich wahnsinnig gern spiele. Ich habe aber für mich keine andere Möglichkeit mehr gesehen, auch für die Zukunft nicht. Wenn es etwas ist, was die Situation für die Amerikaner thematisiert, die unter der Politik leiden, dann kann ich mir vorstellen, ein Konzert zu spielen, aber als Unterhaltungsprogramm im Moment nicht", stellt Tetzlaff klar.

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Das hat vor allem den Hintergrund, dass er sich dem Schweigen der Kulturszene nicht anschließen wollte. "Für mich ist der Grund, dass ich absage, weil in Amerika absolute Stille herrscht, bei Musikern, bei Orchestern, selbst bei Politikern. Wir würden alle erwarten, dass jetzt Millionen auf der Straße sind, denn es wird alles abgeschafft, wofür Amerika stand. Es werden Frauenrechte abgeschafft, es werden Gleichberechtigungs-Themen vollkommen gecancelt. Heute ist das Bildungsministerium aufgelöst worden, und 45.000 Menschen sollen entlassen werden. Die Liste ist endlos, aber keiner kommentiert es", bemängelt der Musiker.

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Der Cellist Jan Vogler kann die Entscheidung seines Kollegen Christian Tetzlaff, seine Konzerte abzusagen, gut nachvollziehen - auch wenn er für sich selbst einen anderen Weg wählt: "Ich werde versuchen, so viel wie möglich in Amerika Kultur zu machen und meine Meinung so oft wie möglich zu sagen, denn im Moment wird Trump in den Talkshows absolut zerfetzt. Es gibt schon viele Leute, die kritisch sind, und das ist immer noch ein Zeichen von Demokratie. Ich bleibe optimistisch, obwohl ich viel Schaden sehe, den er anrichtet."

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 Tilman Michael an der Met: Werden jetzt erst recht gebraucht

Der Deutsche Tilman Michael ist seit neuestem Chordirektor an der Metropolitan Opera in New York. Auch er und seine Kolleg*innen und Kollegen sind fassungslos angesichts der Ereignisse, seit Trump die Präsidentschaft übernommen hat: "Viele von uns haben gehofft, dass es nicht so schlimm kommt. Und nun haben wir alle das Gefühl, es kommt noch viel, viel schlimmer als wir alle gedacht haben."

Ein Mann mit kurzen braunen Haaren und schwarzem Shirt schaut nach vorn © picture alliance/dpa/Oper Frankfurt | Foto: Kirsten Bucher
Tilman Michael, Chorleiter an der Metropolitan Opera in New York meint, dass die Kunst angesichts von Trumps Kulturpolitik nun erst recht gebraucht wird.

Auch wenn er sich an der Met einigermaßen sicher fühle vor Trumps wilden Eingriffen in so viele Kulturbereiche: "Ich glaube, wir haben alle große Sorge und andererseits: Wir sind die Met und wir sind New York und in New York ist entschieden anders gewählt worden als im gesamten Land. Wir haben das Gefühl, dass wir jetzt erst recht gebraucht werden und zweitens aber auch, dass keine konkrete Gefahr besteht. Die Regierung kann nicht einfach die Met übernehmen", erklärt Tilman Michael.

Aber was Donald Trump durchaus kann, ist, die Stimmung im Land verändern. So nimmt es auch Tilman Michael wahr: "Wofür die Kunst steht, für Offenheit, für Toleranz, auch für Diversität, ist im Moment hier komplett unerwünscht."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 11.03.2025 | 06:40 Uhr

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