Jan Vogler über Trumps Präsidentschaft: "Ich sehe jetzt schon viel Schaden"
Jan Vogler gehört zu den bedeutendsten Cellisten unserer Zeit. Im Interview spricht der Musiker über den Zustand bei den US-amerikanischen Intellektuellen und wie er zur Entscheidung des Geigers Christian Tetzlaff steht, der alle USA-Konzerte abgesagt hat.
Herr Vogler, Sie leben sowohl in Deutschland als auch in den USA. New York ist Ihre Wahlheimat. Donald Trump hat angekündigt, gerade auch im Kulturbereich die Axt anzulegen und viele Veranstaltungen, die ihm zu bunt, zu woke, zu divers sind, zu canceln. Das wird vielleicht nicht in erster Linie klassische Musik betreffen. Da sie gut vernetzt sind: Haben Sie etwas in der Richtung gehört?
Jan Vogler: Noch nicht. Ich fand es erst mal schon sehr schockierend, dass er Präsident vom Kennedy Center in Washington geworden ist. Ich weiß nicht, ob er wirklich was dort beeinflussen wird. Da gibt es ja sehr viele fantastische Konzerte, vom klassischen Spektrum über Weltmusik bis hin zu sehr experimentellen Formaten. Ich hoffe, dass er sich dort nicht einmischt. Wir Intellektuellen in Amerika sind natürlich alle total geschockt, dass er es erstens geschafft hat, ins Weiße Haus zu kommen und natürlich auch über den gesamten Kurs. Und trotzdem bin ich irgendwie optimistisch im Bauch, weil diese 250-jährige Demokratie der Amerikaner, meiner Ansicht nach … das schafft er nicht in vier Jahren.
Er hat eigentlich nur zwei Jahre, weil dann die Midterms kommen, die sogenannten Zwischenwahlen. Und wenn dann die Demokraten unter Umständen die Führung in den Häusern übernehmen, dann hat er ganz schlechte Karten. Also ich hoffe, dass er nicht zu viel einreißt, und ich halte von ihm wirklich gar nichts - das ist meine persönliche Meinung. Ich bin sehr tolerant, weil ich finde, wir leben in der Demokratie. Jeder darf wählen, wen er will, aber ich persönlich habe ihn nicht gewählt - und ich darf in Amerika wählen. Ich habe zwei Pässe. Ich interessiere mich sehr für Politik. Ich finde es auch dilettantisch und auch traurig in vielen Sektoren, was vor allem Entwicklungshilfe betrifft. Zudem gibt es ganz wichtige Felder, auf denen sich die USA in den letzten Jahren engagiert haben, wo sie jetzt eben so tun, als wäre es nicht mehr wichtig. Ich hoffe, wir halten die Zeit kurz.
Aber selbst wenn man sich jetzt nur auf den Kultur-Sektor konzentriert, bekommen viele Leute Bauchschmerzen. Christian Tetzlaff, der Hamburger Geiger, der ja auch viel in den USA unterwegs ist, hat beschlossen, aus Protest all seine USA-Konzerte abzusagen. Wie stehen Sie zu seiner Aktion?
Vogler: Es ist verständlich. Christian hat ja seine Karriere auch in den USA begonnen. Ich habe ihn selbst auch in Amerika beim berühmten Marlboro-Festival - das hat nichts mit der Zigarettenmarke zu tun - kennengelernt. Da war ich noch Ossi. Ich war damals noch hinterm Eisernen Vorhang und habe dann meine westdeutschen Kollegen kennengelernt. Er war vielleicht 19 Jahre. Und ich verstehe diese Entscheidung. Ich habe mich gegenteilig entschieden. Ich werde versuchen, so viel wie möglich in Amerika Kultur zu machen und meine Meinung so oft wie möglich zu sagen, weil im Moment wird Trump ja auch in den Talkshows absolut zerfetzt. Es gibt schon viele Leute, die kritisch sind, und das ist immer noch ein Zeichen von Demokratie. Und ich bleibe wie gesagt optimistisch, obwohl ich jetzt schon natürlich viel Schaden sehe, den er natürlich anrichtet.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.
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