Ideologie statt Förderung: Trumps Kulturpolitik in den USA
Das Kennedy Center in Washington ist eine der wenigen staatlichen Kultureinrichtungen in Amerika. Nun hat es Donald Trump nach eigener Aussage "übernommen". Die amerikanische Musikjournalistin Anne Midgette skizziert die Aussichten für den Kulturbetrieb in den USA.
"Wir haben das Kennedy Center übernommen" hat US-Präsident Donald Trump Mitte Februar verkündet. Der Protest dagegen in den Staaten ist bisher zurückhaltend. Woran das liegt erklärt Anne Midgette, die unter anderem für die Washington Post und die New York Times geschrieben hat.
Was genau heißt das, wenn der US-Präsident Donald Trump sagt, "wir haben das Kennedy Center übernommen"?
Anne Midgette: Es ist komisch, weil er scheint schon dem Spielbuch von Wladimir Putin zu folgen, indem er alles macht, was Putin in seinen ersten Monaten in Russland gemacht hat. Der Unterschied ist natürlich bei uns in Amerika: Die Kulturinstitutionen sind nicht subventioniert. In Russland oder auch in Deutschland ist ein Orchester oder ein Kulturzentrum normalerweise von der Regierung subventioniert. Bei uns ist das privat. Das Kennedy Center hat eine zweifache Funktion. Es ist offiziell das Denkmal für Präsident Kennedy, und dafür kriegt es Geld von der Regierung. Aber nur für die Gebäude und die Sicherheitsleute. Aber als Kulturzentrum, der zweiten Funktion, das ist alles privat. Donald Trump ist jetzt Vorstandsvorsitzender vom Kennedy Center. Aber ich denke, er hat vielleicht nicht verstanden, dass die Hauptaufgabe des Vorstandsvorsitzenden ist, Geld aufzutreiben.
Was heißt das konkret? Was hat er jetzt für Befugnisse? Was kann er jetzt mit dem Kennedy Center anfangen, nachdem er es übernommen hat?
Midgette: Es ist nicht klar, dass er sich unmittelbar in die Programmgestaltung einmischt. Das hat kein Vorstandsvorsitzender bisher gemacht. Es gibt momentan viel Panik im Kennedy Center, weil auch das Publikum total verwirrt ist. Viele Spender sind abgehauen. Was sie überhaupt da machen wollen, ist auch nicht klar. Bisher ist alles normal. Das National Symphony Orchestra, das dort ist, spielt alles wie gehabt. Vor einer Woche hat das Orchester ein Protest-Werk gespielt: "Her Story" von Julia Wolfe, ein sehr feministisches Werk. Die Leute haben getobt, weil es sehr deutlich gegen Donald Trump war und alles, was er da sagt. Es gibt momentan keine Erklärungen, ich glaube, die wissen selber nicht, was die da machen wollen.
Das heißt, es regt sich schon hier und da Protest im Land gegen die "Kulturpolitik" von Donald Trump?
Midgette: Das meiste, was passiert, und das bereitet vielen Leuten große Kopfschmerzen, ist die Bewegung gegen DEI, also Diversität, Equity, also Gerechtigkeit und Inklusion. Seit einigen Jahren haben sich alle Regierungsbehörden bemüht, mehr Schwarze Menschen mit einzubeziehen und etwas gegen die weiße Herrschaft zu machen. Und jetzt, auf einmal, muss das alles abgeschafft werden. Das ist so weit gegangen, dass es fast so ist, als ob man die Schwarzen Leute total entfernen wollte. Und wenn man jetzt Fördergeld bekommt, darf man überhaupt nichts mit Schwarzen Leuten oder Gerechtigkeit dabei haben. Sogar das Wort 'Zugehörigkeit' ist jetzt angeblich tabu. Man soll über die amerikanischen Werte, über Amerika und die USA schreiben. Das ist natürlich sehr schwierig, wenn man von Fördergeldern abhängig ist und nicht sicher ist, ob man sie kriegt.
Die meiste Zeit von Trumps vierjähriger Amtszeit liegt noch vor uns. Was meinen Sie, wie sich der Kulturbetrieb in den nächsten knapp vier Jahren entwickelt?
Midgette: Die traurige Wirklichkeit ist, dass die Kultur ein kleines Tröpfchen in dem Ozean des Problems ist, was jetzt hier in Amerika vor uns liegt. Die Sachen, die er abschafft, das kann die ganze Gesellschaft ändern. Was für eine Rolle die Kultur dabei spielt, bleibt offen. Bei uns hat die Kultur sowieso viele Probleme, weil es immer weniger Gelder dafür gibt als in Deutschland. In Deutschland hat man die Fördergelder und die Regierung steht dahinter. Bei uns hat man das nicht. Gerade jetzt, wenn wir eine Rezession haben und wenige Leute hingehen, dann haben wir ein Problem. Aber ob es ein politisches Problem als solches ist, das kann ich nicht sagen. Außer dem Kennedy Center sind finde ich die kulturellen Zentren mehr oder weniger okay. Aber was die jetzt gegen die Regierung machen können, bleibt offen.
Das Gespräch führte Keno Bergholz
