Ein Teller mit Häufchen verschiedener Präparate von Nahrungsergänzungsmitteln und einem Besteck. © picture alliance/Bildagentur-online

Nahrungsergänzung: Vorsicht bei B-Vitaminen

Stand: 08.08.2022 15:01 Uhr

Viele Erwachsene greifen regelmäßig zu Nahrungsergänzungsmitteln und hoffen, ihrem Körper so etwas Gutes zu tun. Doch die Präparate können unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Der Markt für Vitamine, Eisenpräparate und Co. boomt. Sie gehören zu den "essenziellen Stoffen", also jenen Substanzen, die der Körper dringend benötigt, aber nicht selbst herstellen kann. Nahrungsergänzungsmittel sind für Gesunde dennoch meistens überflüssig. Wer sich ausgewogen ernährt, bekommt alle Nährstoffe, Vitamine und Mineralien, die er braucht.

Schlechte Ernährung kann nicht kompensiert werden

Nahrungsergänzungsmittel könnten eine schlechte Ernährung aber auch nicht ausgleichen, mahnen Experten. Nur in einzelnen Fällen, in der Schwangerschaft, im Alter und bei chronischen Krankheiten - zum Beispiel Morbus Crohn oder schweren Entzündungen - kann es zu einem Nährstoffmangel kommen, der mit Ergänzungsmitteln (Supplements) ausgeglichen werden muss.

Vitamin-B12-Mangel vermeiden

Ein Vitamin-B12-Mangel entsteht über einen langen Zeitraum: Die gefüllten B12-Speicher in der Leber entleeren sich mit der Zeit, wenn über die Nahrung kein Nachschub mehr kommt. Ein Mangel kann zu neurologischen Beschwerden wie Schwindelattacken und heftigen Kopfschmerzanfällen führen. Die Betroffenen können auch verwirrt oder vergesslich sein, leiden oft an depressiven Stimmungsschwankungen und einer allgemeinen Kraftlosigkeit.

Vitamin B12 ist an der Blutbildung beteiligt, aber auch wichtig für das Zellwachstum und die Funktion der Nerven. Bei Patienten mit Morbus Crohn behindert die chronische Entzündung im Darm die Aufnahme von Vitamin B12. Ähnliches kann auch Menschen passieren, die täglich Magensäurehemmer oder blutverdünnende Medikamente einnehmen. Sie verändern den pH-Wert im Magen und hemmen so die Aufnahme von Mikronährstoffen. Für die B12-Aufnahme ist der sogenannte intrinsische Faktor wichtig. Dieses im Magen gebildete Protein sorgt im Dünndarm dafür, dass das im B12 gebundene Cobalamin abgespalten wird. Nur so kann es im Körper gespeichert werden. Zerstören die Medikamente den intrinsischen Faktor, kann kein Vitamin B12 aufgenommen werden. Auch Diabetiker, die Metformin einnehmen, sollten ihren Vitamin-B12-Spiegel regelmäßig kontrollieren lassen.

Besonders Senioren betroffen

Häufig tritt ein Vitamin-B12-Mangel bei älteren Menschen auf, denn rund 40 Prozent der Senioren haben eine bestimmte Magenschleimhautentzündung, die die Aufnahme von B12 beeinträchtigt. Zeigt sich, dass die Aufnahme über den Magen nicht funktioniert, kann das B12 mit bereits abgespaltenem Cobalamin auch per Spritze verabreicht werden. Meist genügen wenige Spritzen, um die Speicher für längere Zeit aufzufüllen. Hergestellt wird das B12 von Mikroorganismen, vor allem von Bodenbakterien. Tiere nehmen das B12 über verschiedene Wege auf, zum Beispiel beim Grasen auf der Weide oder beim Suhlen im Schlamm. Davon profitieren Menschen, wenn sie tierische Produkte verzehren. Neben Fleisch, Fisch und Meeresfrüchten enthalten auch Eier und Milchprodukte Vitamin B12, sodass auch Vegetarier genügend Vitamin B12 aufnehmen können. Bei dem in pflanzlichen Lebensmitteln wie Spirulina-Algen und Sauerkraut oder in Pilzen enthaltenen Vitamin B12 handelt es sich dagegen um ein Analogon, das Menschen nicht direkt aufnehmen und nutzen können. Im Gegenteil - dieses Analogon blockiert sogar die Aufnahme des "richtigen" B12. Deshalb müssen Veganer besonders auf ihren Vitamin-B12-Spiegel achten. Aber selbst Menschen, die tierische Produkte essen, sind nicht selten von einem B12-Mangel betroffen. Als ein Grund dafür gilt, dass in der konventionellen Mast im Stall gehaltene Tiere oft keinen Kontakt zu den Bodenbakterien haben, die das Vitamin B12 produzieren.

Vor der Einnahme: Blutuntersuchung beim Arzt

Doch nicht jeder, der mal müde ist, Schwindel hat oder wenig Fleisch isst, hat auch einen Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel: Ob man eine Ergänzung braucht, kann nur eine Blutuntersuchung beim Arzt klären. Denn die voreilige Einnahme von Eisen- und Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln kann auch gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben: So fördert zu viel Vitamin E in Kapselform die Entstehung von Lungenkrebs. Antioxidantien wie Vitamin C und E können Sport weniger effektiv machen. Die jahrelange hochdosierte Einnahme von Vitamin B6 wiederum kann das Lungenkrebsrisiko bei Männern erhöhen.

Überdosierung von Vitamin B12 höchst riskant

Viele Vitamin-B12-Präparate enthalten eine Dosis, die weit über den Empfehlungen und dem täglichen Bedarf liegt. Aktuelle Studien zeigen, dass das riskant sein kann - und definitiv keinen Vorteil bringt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlägt eine tägliche Höchstmenge durch Nahrungsergänzungsmittel von 25 Mikrogramm Vitamin B12 pro Tag vor. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält eine Aufnahme von 4 Mikrogramm pro Tag durch Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel für angemessen. Doch die im Handel angebotenen Nahrungsergänzungsmittel übersteigen diese Werte um ein Vielfaches. Und das ist nicht unproblematisch, denn laut aktueller Studien könnte ein zu hoher Vitamin-B12-Spiegel im Blut mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko verbunden sein. B12 ist für alle Zellen ein wichtiger Wachstumsfaktor - und das gilt auch für Krebszellen. Das Vitamin löst dabei nicht direkt Krebs aus, beschleunigt aber die Entwicklung unerkannter Krebsvorstufen im Körper. Die Nahrungsergänzungsmittelindustrie verweist darauf, dass es keine gesetzlich verbindliche Höchstmenge für die Dosierung von B12 in Nahrungsergänzungsmitteln gebe. Das halten Ernährungsmediziner für problematisch, weil diese Präparate ähnlich wie Arzneimittel verpackt sind und so den falschen Eindruck erwecken, sie würden genauso kontrolliert und geprüft, bevor sie in den Handel gehen. Auch wenn akute Vergiftungen oder Nebenwirkungen bisher nicht bekannt sind, müssen Nutzer hochdosierter Vitamin-B12-Präparate mit chronischen Nebenwirkungen rechnen.

Nahrungsergänzungsmittel nur unter ärztlicher Kontrolle

Als Wundermittel gegen Krebs, Osteoporose und Herzinfarkt wird seit einiger Zeit Vitamin K2 angepriesen. Doch entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen. Ganz allgemein können Nahrungsergänzungsmittel die Wirkung von Chemotherapie und Bestrahlung bei Krebspatienten beeinträchtigen. Sie sollten daher immer nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden.

Ergänzungsmittel unter bestimmten Bedingungen hilfreich

In der Prävention von Atemwegserkrankungen und bei altersabhängiger Makuladegeneration können Nahrungsergänzungsmittel, unter ärztlicher Kontrolle verabreicht, von Nutzen sein.

Zu einem höheren Bedarf bestimmter Nährstoffe führen oft auch bestimmte Diäten, hoher Alkoholkonsum und Rauchen. Wer sich vegan ernährt, muss darauf achten, dass er alle essenziellen Nährstoffe in ausreichender Menge über die verzehrten Lebensmittel zu sich nimmt. Insbesondere der Bedarf an Eisen ist mit rein pflanzlicher Nahrung schwieriger zu decken.

Trotz gesunder Ernährung erschöpft und antriebslos?

Wer sich trotz gesunder Ernährung erschöpft und antriebslos fühlt, sollte einen Arzt aufsuchen. Stellt dieser zum Beispiel einen Eisenmangel fest, muss die Ursache gefunden und beispielsweise eine innere Blutung ausgeschlossen werden. Bei älteren Patienten können Appetitmangel oder der Verzicht auf Fleisch aufgrund von Kaubeschwerden zu einem Eisenmangel beitragen. Dazu kommen bei Älteren natürliche Veränderungen im Magen-Darm-Trakt, die die Eisenaufnahme im Körper reduzieren. Dass die Blutbildung im Knochenmark mit den Jahren abnimmt, verschärft die Auswirkungen des Eisenmangels zusätzlich. Als Folge kann das Blut weniger Sauerstoff im Körper transportieren, was zu einer chronischen Erschöpfung führt.

Welche Ergänzungsmittel sinnvoll sein können

Seit den 1980er-Jahren wird das Grundnahrungsmittel Salz mit Jod angereichert - das klassische Haushaltssalz ebenso wie das in der Industrie verwendete Salz für zum Beispiel Wurst oder Käse. Das hat sich ausgezahlt. Erkrankungen, denen ein Jodmangel zugrunde liegt, sind in Deutschland praktisch verschwunden.

Bei älteren und kranken Menschen kann es sinnvoll sein, die Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren, Eiweiß, Zink und Selen zu ergänzen. Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten oder dem Risiko einer Gefäßverkalkung können Omega-3-Fettsäuren auch vorsorglich einnehmen, ebenso Eiweiß gegen den Abbau von Muskeln und des Zahnhalteapparates. Selen erhält die Haargesundheit und fördert die Wundheilung. Bei älteren Menschen, die nicht mehr richtig essen, muss es ergänzt werden.

Folsäure für Schwangere

Schwangere, und Frauen, die schwanger werden wollen, sollten Folsäure einnehmen, um Fehlbildungen beim Kind zu vermeiden. Für alle anderen Menschen ist eher Vorsicht geboten, denn sollten sich im Darm Krebsvorstufen gebildet haben, kann eine hohe Zufuhr von Folsäure das Wachstum bösartiger Tumore fördern.

Vitamin D: Viele sind im Winter unterversorgt

Laut Robert Koch-Institut sind 60 Prozent der Deutschen nicht ausreichend mit dem "Sonnenvitamin" D versorgt - besonders im Winter. Ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel erhöht das Risiko für Arthrose und Osteoporose. Experten empfehlen bei einem zu niedrigen Wert die Einnahme von 1.000 IE (Internationale Einheiten) Vitamin D pro Tag. Sie werden in Form von Tabletten oder Tropfen ein Mal täglich eingenommen.

Spermidin: Wichtig für die Autophagie

Das als Nahrungsergänzungsmittel aus Weizenkeimextrakten zur Demenzvorbeugung in der Apotheke angebotene Spermidin ist eine organische Verbindung, die in allen Lebewesen vorkommt und wichtig für die sogenannte Autophagie ist. Dabei handelt es sich um einen zelleigenen Recycling-Prozess, bei dem sich die Zelle selbst regeneriert, indem sie alte oder defekte Bestandteile verdaut. Aber auch Viren werden als Abfallprodukte erkannt und so unschädlich gemacht. Forscher der Charité haben entdeckt, dass die Spermidin-Konzentration in mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Zellkulturen stark reduziert ist - ähnlich wie beim MERS-Coronavirus, das den Autophagie-Mechanismus hemmt, um sich besser vermehren zu können. Im Labor ließ sich die Vermehrung des neuen Coronavirus durch eine Behandlung mit Spermidin deutlich verlangsamen. Ob sich dieser Effekt auch klinisch nutzen lässt, müssen aber weitere Studien zeigen.

Natürliche Vitamine und ihre Aufgaben
AufgabeMangelsymptomeenthalten in
Vitamin Awichtig für die Funktion der Augen und des  Zellwachstums, stärkt Haut und SchleimhäuteNachtblindheit, Austrocknung der Tränendrüsen, Störungen der Spermienbildung, Wasserkopf bei Neugeborenengelben und orangefarbenen Gemüsesorten und Früchten, Spinat, Grünkohl, Leber, Lebertran (Vorstufen von Vitamin A)
Vitamin B1
(Thiamin)
Energiestoffwechsel, Nervengewebe, HerzmuskulaturMüdigkeit, Appetitlosigkeit, Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, Ödeme, Muskelschwund, HerzmuskelschwächeNüssen, Samen, Weizenkeimen, Erbsen, Bohnen, Linsen, Kartoffeln, Hefe, magerem Schweinefleisch
Vitamin B2
(Riboflavin)
Energie- und Eiweißstoffwechseleingerissene Mundwinkel, Entzündungen der Mundschleimhaut und der Hornhaut des AugesMilch, Eiern, Käse, Innereien, Fleisch, Fisch, Gemüse (z.B. Spinat oder Spargel)
Vitamin B6
(Pyridoxin)
Blutbildung, Funktionen des Nerven- und Immunsystems, Aminosäuren-StoffwechselEntzündungen im Augen-Nase-Mund-Bereich, schuppende Hautausschläge im Gesicht und am Kopf, Blutarmut, Taubheitsgefühle in Händen und FüßenLeber, Nieren, Nüssen, Samen, Fleisch, Fisch, Kohl, grünen Bohnen, Avocados, Bananen
Vitamin B12
(Cobalamin)
Blutbildung, Abbau einzelner FettsäurenBlutarmut, Müdigkeit, Zungenbrennen, Taubheitsgefühle (Mangelrisiko besonders bei Veganern und Älteren)Leber, Nieren, Fisch, Milch, Eiern, Käse, fermentierten Pflanzen wie z.B. Sauerkraut
FolsäureZellteilung und Zellneubildung, Blutbildung, ProteinstoffwechselBlutarmut, Demenz, Arteriosklerose, Schwangerschaft: Missbildungen des EmbryosHefe, Leber, Weizenkeimen, Sojabohnen, Spinat, Trauben, Käse, Eiern
BiotinProtein-, Fett-, KohlenhydratstoffwechselHautausschlag, Erschöpfung, Übelkeit, Depression, Muskelschmerzen, Schwindel, AppetitlosigkeitHefe, Leber, Eigelb, Tomaten, Nüssen, Sardinen, Sojabohnen
Vitamin D Regelung des Kalzium- und Knochenstoffwechsels, Knochenbildung und -stärkungKnochenerweichung, Rachitis, Osteomalzie und Osteoporosefettem Fisch wie Hering oder Aal, Kalbfleisch, Pilzen
Vitamin CBildung von Bindegewebe, Wundheilung, antioxidante Wirkung (Zellschutz)Erhöhte Infektanfälligkeit,
Skorbut (schlechte Wundheilung, Muskelschwund und Zahnfleischbluten)
Hagebutten, Sanddorn, Zitrusfrüchten, Paprika, Erdbeeren, Kiwi, Preiselbeeren, Brokkoli, Tomaten, Kohl
Vitamin KBlutgerinnung, Bildung von Knochen-EiweißStörungen der Blutgerinnung, Spontanblutungen, bei Neugeborenen oft HirnblutungenEigelb, fetten Milchprodukten wie Käse, Kohl, Spinat, Sonnenblumenöl, Leber, Geflügel
Niacinunterstützt biochemische Prozesse zur Energiegewinnung in den Zellenallgemeine Schwäche, starker Mangel führt zur Krankheit Pellagra (mit Entzündungen der Haut, Durchfall und neurologischen Störungen)Nüssen, Eiern, Milch, Fisch, Fleisch, Innereien
Panthothensäurebeteiligt an biochemischen Reaktionen wie Fett- und Kohlenhydrat-Stoffwechsel, Cholesterin-SyntheseMagenschmerzen, Müdigkeit, Missempfindungen wie Taubheit oder Kribbeln und Brennen in den FüßenHefe, Getreide, Pilzen, Hülsenfrüchten, Eigelb, Hering, Leber
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Dieses Thema im Programm:

Markt | 15.08.2022 | 20:15 Uhr

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