Ehrenamt: "Interesse an freiwilligem Engagement ist hoch"
Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich - andere möchten es gerne, wissen aber nicht, wie und wo. Da helfen zum Beispiel Freiwilligenbörsen, die es an verschiedenen Orten im Norden gibt.
Ein Gespräch mit Almut Maldfeld, Geschäftsführerin des Freiwilligenzentrums Hannover.
Frau Maldfeld, wie funktioniert das bei Ihnen im Freiwilligenzentrum Hannover, wie bringen sie Menschen und Ehrenamt zusammen?
Almut Maldfeld: Das ist schon seit 23 Jahren unsere Kernaufgabe, Bürgerinnen und Bürger für ein Ehrenamt zu aktivieren. Die Bürger*innen können zu uns kommen für ein persönliches Beratungsgespräch, für eine Telefon- oder für eine Online-Beratung. Wir sind die unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die auf der Suche sind nach einem freiwilligen Engagement.
Sie arbeiten mit vielen verschiedenen Institutionen zusammen. Wie groß ist aktuell das Interesse an ehrenamtlichem Engagement? Spüren Sie da auch Einflüsse, die mit Corona zusammenhängen?
Maldfeld: Das Interesse ist groß. Durch die Pandemie konnten viele Engagementfelder nicht ausgeübt werden, weil zum Beispiel Menschen nicht in Seniorenheime oder andere Einrichtungen hineingehen durften. Ich bin froh, dass diese Sicherheitsvorkehrungen langsam aufgehoben werden und dass die Ehrenamtlichen wieder in die Einrichtungen hineingehen können. Generell ist das Interesse an freiwilligem Engagement hoch. Ich höre von vielen Bürgerinnen und Bürgern, dass sich viele engagieren möchten, aber nicht genau wissen, wo. Wir können dann vermitteln.
Was sind denn die größten Vorbehalte, sich ehrenamtlich zu engagieren?
Maldfeld: Das ist die Angst, wie lange man sich engagieren muss und ob man das überhaupt schafft, ob man die Kompetenzen mitbringt, die dieses Engagementfeld braucht. Da möchte ich Entwarnung geben. In jedem Engagementfeld oder in jeder Einrichtung gibt es feste Ansprechpersonen. Es wird auch für das Engagementfeld geschult, damit man nicht ins kalte Wasser geworfen wird.
Wo ist der Bedarf besonders groß?
Maldfeld: In dem Bereich Begleitung: Begleitung im Integrationsbereich, Alltags- und Sprachbegleitung von Neueingewanderten - jetzt speziell auch von den Menschen, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind und eine Unterstützung wünschen. Es sind aber auch die Menschen, die aus dem arabischen Raum zu uns gekommen sind. Wir haben auch die offene Kirche, auch da sind Bedarfe da an neuen Freiwilligen.
Aktuelle statistische Zahlen zeigen zum ersten Mal keinen signifikanten Geschlechterunterschied in der Engagementquote. Sowohl Männer als auch Frauen engagieren sich gleichermaßen. Man erlebt aber häufig, dass gerade beim THW oder im Bereich Sport oder Feuerwehr mehr Männer aktiv sind und mehr Frauen im sozialen Bereich. Ist das nach wie vor so?
Maldfeld: Ja, ich muss das leider so sagen. Wir haben auch für Hannover und die Region Hannover eine Statistik geführt und es ist tatsächlich so, dass 68 Prozent der Engagierten Frauen sind. Wir wünschen uns gerade in dem Bereich bürgerschaftliches Engagement eine Ausgewogenheit.
Was halten Sie von der Idee von Nancy Faeser, Ehrenamtliche früher ins Rentenalter zu entlassen? So könnte der Staat Anreize für einen freiwilliges Engagement schaffen, oder?
Maldfeld: Ich halte Anreize für gut, aber es muss immer auf Freiwilligkeit beruhen. Diejenigen, die sich schon viele Jahre freiwillig engagieren, wird es sicherlich nicht reizen, früher in die Rente zu gehen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Ansatz ist. Ich finde den Ansatz viel spannender, wo Mitarbeiter*innen von großen Unternehmen wie Deutsche Post und Telekom das Programm "1.000 Stunden Ehrenamt" nutzen können und in den Vorruhestand gehen können, ohne dass sie Abzüge haben.
Was halten Sie von der Idee, junge Menschen nach der Ausbildung verpflichtend in ein soziales Jahr zu schicken?
Maldfeld: Freiwilliges Engagement muss immer freiwillig bleiben. Sobald der Staat mir als jungen Menschen vorschreibt, ein freiwilliges soziales Jahr, kulturelles oder ökologisches Jahr zu machen, dann beruht ehrenamtliches Engagement nicht mehr auf Freiwilligkeit. Dann können wir wieder Zivildienstleistende einführen.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.
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