Morbus Addison: Gefährliche Nebennierenschwäche

Stand: 15.11.2024 09:54 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Morbus Addison ist eine seltene aber schwere Erkrankung, die zu Nebenniereninsuffizienz führt und tödlich verlaufen kann. Erste Symptome wie Erschöpfung, Schwäche oder Übelkeit treten oft sehr spät auf.

Die Nebennieren sitzen wie Kappen auf den Nieren. Und in der Nebennierenrinde werden die lebenswichtigen Hormone Kortisol und Aldosteron produziert. Morbus Addison wird durch einen Mangel dieser Hormone ausgelöst und macht sich durch Symptome wie Braunfärbung der Haut (auch Hautveränderungen, bei denen es zu Hyperpigmentierung kommt, treten auf), Erschöpfung und niedrigen Blutdruck bemerkbar. Grundsätzlich kann ein Morbus Addison in jedem Lebensalter auftreten. Unbehandelt verläuft eine Nebennierenschwäche tödlich, denn der Körper ist ohne die fehlenden Hormone praktisch schutzlos Infekten, Verletzungen oder sonstigen Belastungen ausgesetzt.

Nebennierenrinde produziert lebenswichtige Hormone

In den Nebennieren werden die Hormone Kortisol und Aldosteron gebildet:

Das Stresshormon Kortisol ist für die Regulation von Stoffwechselprozessen verantwortlich, die dem Körper bei Bedarf Energie zur Verfügung stellen. Es fährt den Blutdruck hoch, erhöht den Blutzuckerspiegel und aktiviert die Körperzellen. Es wirkt sich außerdem auf den Stoffwechsel von Knochen, Haut, Muskulatur und Bindegewebe aus und beeinflusst Appetit, Sexualtrieb und Psyche, etwa die Stressverarbeitung. In höheren Konzentrationen wirkt Kortisol entzündungshemmend. Gesteuert wird die Hormonausschüttung durch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse).

Aldosteron reguliert den Natrium- und Wasserhaushalt des Körpers und spielt damit eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Blutdruckes und des Elektrolythaushalts. Zudem sind die Nebennieren in gewissem Maß an der Produktion von Geschlechtshormonen beteiligt.

Ursachen für Hormonmangel bei Morbus Addison

Für einen Kortisolmangel gibt es verschiedene Ursachen:

  • Beim Morbus Addison handelt es sich um eine primäre Nebenniereninsuffizienz. Ursache ist die Erkrankung der Nebenniere selbst. In der Folge werden zu wenig Kortisol und Aldosteron vom Organ produziert. Ausgelöst wird Morbus Addison meist durch Autoimmunprozesse, die die Zellen der Nebennierenrinde allmählich zerstören. Manchmal besteht gleichzeitg eine weitere Autoimmunerkrankung: Ist auch die Schilddrüse betroffen (Hashimoto-Thyreoiditis mit Unterfunktion der Schilddrüse), dann spricht man von einem Schmidt-Syndrom.
  • Bei einer sekundären Nebenniereninsuffienz ist der Kortisolmangel auf eine Störung der Hormon-Regulationszentren im Gehirn zurückzuführen - liegt also nicht in der Nebenniere selbst. Sie kann als Folge von Schlaganfällen, Tumoren / Hirntumoren, Schädelverletzungen, Infektionen wie Tuberkulose oder anderen Krankheiten auftreten.
  • Nach einer dauerhaften Einnahme hochdosierter Kortisonpräparate kann es unter Belastung zu einer vorübergehenden Nebennierenschwäche kommen. Hintergrund ist, dass sich die körpereigene Regulation von Kortisol erst wieder einpendeln muss. Um dies zu vermeiden werden Kortisonpräparate sehr langsam reduziert ("ausgeschlichen"), bevor sie abgesetzt werden.

Symptome von Morbus Addison: Nebenniereninsuffizienz erkennen

Erste Symptome von Morbus Addison zeigen sich sehr spät. Die Beschwerden treten erst auf, wenn bereits etwa 90 Prozent der Nebennieren zerstört sind:

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schwäche und Schwindelgefühle
  • Braunfärbung der Haut ("Bronzekrankheit"), vor allem im Bereich der Mundschleimhaut und an Stellen, die kaum der Sonne ausgesetzt sind
  • schwarze Sommersprossen im Gesicht, auf der Stirn und an den Schultern (Hyperpigmentierung)
  • Appetit auf salzige Speisen
  • niedriger Blutdruck
  • Kälteempfindlichkeit
  • Schwitzen
  • Appetitlosigkeit
  • Gewichtsverlust
  • Muskelschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen
  • Depressionen, Reizbarkeit, Apathie
  • bei Frauen: Verlust des Schamhaars

Viele der Beschwerden sind unspezifisch. Die Symptome können vor allem bei einer langsam voranschreitenden Form von Morbus Addison als Erschöpfungssyndrom (Fatigue) oder Alterserscheinungen fehlgedeutet werden. Zunächst treten sie meist nur unter Stressbelastung auf.

Nebenniereninsuffizienz ist keine "Nebennierenerschöpfung"

Immer wieder gebrauchen zum Beispiel einige Heilpraktiker Begriffe wie: Nebennierenerschöpfung, chronisch aktivierte HPA-Achse oder Nebennierenschwäche, die sich angeblich durch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel behandeln ließen. Doch Experten warnen vor dieser Mode-Diagnose. Tatsächlich handele es sich bei "Nebennierenerschöpfung" um eine zwar recht umsatzträchtige, aber frei erfundene Krankheit. Die teure Behandlung bringe vielmehr die Gefahr mit sich, dass eine echte Nebennieren-Unterfunktion dadurch lange nicht erkannt werde.

Diagnose der Morbus Addison-Krankheit

Da sich die Symptome der Nebenniereninsuffizienz langsam entwickeln, unspezifisch sind und Labortests in der Anfangsphase keine verlässlichen Hinweise liefern, dauert es oft lange, bis ein Morbus Addison in Betracht gezogen wird. Mitunter löst eine heftige Stresssituation eine Krise und damit auffälligere Symptome aus.

Typischerweise wird Morbus Addison erst in einer lebensbedrohlichen Addison-Krise diagnostiziert. Sie ist gekennzeichnet durch:

  • Abfall des Blutdrucks bis zum Kreislaufversagen
  • drohende Austrocknung des Körpers mit verringerter Blutmenge
  • Fieber
  • niedrigen Blutzuckerspiegel
  • niedriger Natriumspiegel im Blut (Natriummangel)
  • erhöhter Kaliumspiegel im Blut
  • starke Bauchschmerzen.

Diagnose der Nebennierenschwäche per Blutuntersuchung

Zur Diagnose von Morbus Addison werden die Blutwerte der Salze Natrium und Kalium und der Hormone Kortisol und ACTH (adrenocorticotropes Hormon) untersucht. So kann der Kortisolmangel entdeckt werde.

Im Rahmen eines sogenannten ACTH-Stimulationstests wird das Hypophysenhormon ACTH dem Körper von außen zugeführt und anschließend der Kortisolspiegel im Blut bestimmt. Steigt er an, ist die Nebenniere noch funktionsfähig, und die Ursache liegt sehr wahrscheinlich in der Hypophyse. Bleibt der Kortisolspiegel hingegen trotz ACTH-Gabe niedrig, liegt die Störung in der Nebennierenrinde selbst - es liegt also eine primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison) vor.

Mithilfe spezieller Antikörpertests kann eine Autoimmunerkrankung als Ursache der Erkrankung aufgedeckt oder ausgeschlossen werden.

Behandlung von Morbus Addison: Lebenslang Hormone einnehmen

Die Therapie des Morbus Addison besteht - unabhängig von der Ursache - in der lebenslangen Einnahme der fehlenden Hormone. Zu Beginn erfolgt die Therapie mit Hydrokortison- oder Prednison-Tabletten, wobei die höchste Dosis immer morgens eingenommen werden sollte. Im schweren Krankheitsstadium, bei Durchfall oder Erbrechen kann das Kortison auch als Spritze in eine Vene oder einen Muskel verabreicht werden. Die meisten Patientinnen und Patienten benötigen zusätzlich Fludrocortison, um die Ausscheidung von Natrium und Kalium zu normalisieren. Die Gabe von DHEA (Dehydroepiandrosteronacetat - Vorstufe von Sexualhormonen) kann bei manchen Betroffenen die Lebensqualität verbessern.

Personen mit Morbus Addison sollten neben einer mit Hydrokortison gefüllten Spritze auch immer einen Patientenausweis mit sich führen, in dem die Erkrankung sowie Medikamente und Dosierungen aufgeführt sind. So stehen diese Informationen im Notfall gleich zur Verfügung.

Prognose und Lebenserwartung bei Morbus Addison

Abgesehen von lebenslanger Einnahme von Hormonen können Erkrankte bei rechtzeitiger Behandlung ein normales Leben führen. Auch die Lebenserwartung ist für Patientinnen und Patienten bei effektiver und rechtzeitiger Behandlung nicht eingeschränkt.

Ein Berufswechsel ist in der Regel nur bei Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Belastung oder in großer Hitze erforderlich. Steht im Einzelfall dennoch eine Frühberentung oder eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zur Diskussion, ist ein ärztliches Gutachten für den Rentenversicherungsträger notwendig, das das Ausmaß der Leistungsminderung feststellt.

Experte im Beitrag

Prof. Nils Ewald, Endokrinologe

Direktor Institut für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechselmedizin
Johannes Wesling Klinikum Minden
https://www.muehlenkreiskliniken.de/johannes-wesling-klinikum-minden/

 

Weitere Informationen
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NDR Fernsehen | Visite | 19.11.2024 20:15 Uhr

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