Hirntumor: Schonende Bestrahlung statt OP
Eine Lingener Klinik gibt Hirntumor-Patienten neue Hoffnung. Das Bonifatius Hospital ist das einzige Krankenhaus in Europa, das mit dem hochmodernen Strahlentherapie-Gerät ZAP-X arbeitet.
Das ZAP-X bietet für viele Menschen mit Hirntumoren und Metastasen die Chance, eine langwierige Operation am geöffneten Schädel zu umgehen. Weltweit stehen drei Geräte des Hightech-Bestrahlungsgerätes: in den USA, in Chinas Hauptstadt Peking und nun ein weiteres in Lingen, im Bonifatius Hospital im Emsland. Der Einsatz ist jedoch nicht für jeden Patienten geeignet. Doch die Patienten, die mit ZAP-X bestrahlt wurden, sind bisher begeistert.
Etwa Franz-Josef aus dem Cloppenburger Land, der jetzt wieder joggt. Vor einem halben Jahr wäre das undenkbar gewesen. Der 35-Jährige erhielt die Diagnose: bösartiger Gehirntumor. Daran war er bereits 2013 erkrankt. "Nach der Diagnose ist mir erst einmal der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Man hat alles wieder Revue passieren lassen, was 2013 alles passiert ist mit OP, Bestrahlung und Genesungszeit. An Sport ist da nicht zu denken gewesen."
Angst vor erneuter OP und Leidensweg
OP, Bestrahlung und Reha: Die Angst vor einem erneuten, fast einjährigen Leidensweg war groß. Dann erfuhr Franz-Josef von einem neuartigen Bestrahlungsgerät im emsländischen Lingen. Komplett schmerzfrei soll die Behandlung sein und hocheffektiv. Er hatte Glück und wurde europaweit der erste Patient im neuen ZAP-X.
Auch Adelheid Ribinski erhielt die Diagnose Gehirntumor. Das ZAP-X war für sie die letzte Chance eine OP abzuwenden: "Eine OP machen zu lassen mit diesen Risiken - das ging nicht in meinen Kopf rein. Wie kommst du da raus? Das war das Schlimmste für mich."
Hervorragende medizinische Versorgung im Emsland
Dass das Hightech-Gerät europaweit erstmals ausgerechnet im Lingener Bonifatius Hospital steht, ist Neurochirurg Douglas Klassen zu verdanken. Er war die treibende Kraft, das ZAP-X ins ländliche Emsland zu holen. "Häufig haben Patientinnen und Patienten schlechteren Zugang zu hervorragender medizinischer Versorgung. Vor allem wenn es um Tumore geht, muss man weite Wege und viel Wartezeiten in Kauf nehmen. Und man hat sehr viel Angst. Wenn man dann zu einem Set kommt, wo man keinen kennt, hat man noch mehr Angst. Das war einer der wichtigsten Gründe, warum wir gesagt haben: Hier am Bonifatius-Krankenhaus möchten wir eine radiochirurgische Plattform aufbauen."
Das ZAP-X erinnert an ein Space Shuttle. Der Raum ist in angenehme Farben gehüllt. Sie sollen die hochnervösen Patienten beruhigen. Zunächst wird den Patienten eine vorher angepasste, atmungsaktive Maske aufgesetzt. Sie soll verhindern, dass sich der Kopf bewegt. Dann umschirmt das Gerät die Patienten komplett. Während der gesamten Behandlung sind sie ansprechbar.
Bestrahlung aus unterschiedlichen Richtungen
Klassen, Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie, hat seine Mutter und den engsten Freund durch Hirntumore verloren. Auch deshalb ist das ZAP-X - ein sogenannter Linearbeschleuniger - für ihn eine Herzensangelegenheit. "Ein Linearbeschleuniger ist wie eine Mikrowelle. Normalerweise ist es bei einer Mikrowelle so, dass sich der Teller dreht und die Mikrowelle von einer Richtung bestrahlt. Bei einem Linearbeschleuniger liegt der Patient und die Mikrowelle geht drum herum. Wir können die Energie von ganz unterschiedlichen Einstrahlrichtungen an den Patienten bringen."
Kaum Belastung für das gesunde Gehirn
Die Behandlung dauert im Schnitt nur rund eine Stunde und das gesunde Gehirn wird durch die Strahlung kaum belastet. Eine Folge der extremen Präzision des Gerätes: Die Abweichung liegt bei weniger als 0,6 Millimetern, die meiste Zeit während der Behandlung beträgt sie 0,3 Millimeter. "Wir schießen aus ganz unterschiedlichen Richtungen immer auf einen einzigen oder auf mehrere kleinere Punkte. So sind wir in der Lage, die Dosis genau auf den Tumor zu bringen. Es geht natürlich ein ganz kleiner Teil Strahlung an das umliegende Gehirn. Aber diese Strahlung ist so gering, dass die Patienten davon keinen Schaden nehmen", erklärt Klassen das Verfahren.
Ambulante Behandlung ohne Nebenwirkungen
Auch Adelheid Ribinski hat ihre Behandlung gut überstanden. Die Zeit im ZAP-X vertrieb sie sich mit autogenem Training. Noch am gleichen Tag konnte sie wieder nach Hause. Und schon nach wenigen Tagen hatte sie ihr altes gesundes Leben zurück. "Mir geht es gut, ich merke nichts, ich habe keine Kopfschmerzen, mir gehen keine Haare aus. Ich fühle mich wie neu geboren."
Auch Franz-Josef konnte nach einer Woche wieder arbeiten, nach sechs Wochen bewältigte er einen Halbmarathon. Nun müssen noch die Krankenkassen überzeugt werden. Bislang ist die Kostenübernahme eine Einzelfallentscheidung.