Rückenschmerzen: Übungen und Physiotherapie können helfen

Stand: 25.11.2022 11:07 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Rückenschmerzen sind häufig, die Ursache bleibt aber oft lange unklar. Übungen und Physiotherapie können helfen, die Schmerzen in den Griff zu bekommen.

Ein einzelner Schmerzpunkt oder eine kleine Fehlstellung kann im Körper eine Kettenreaktion auslösen und zu Schmerzen im unteren oder oberen Rücken führen. Bei der Behandlung stehen die Ärzte und Ärztinnen vor der schwierigen Aufgabe, schädliche oder nutzlose Untersuchungen einerseits zu vermeiden, auf der anderen Seite aber bedrohliche Erkrankungen wie einen Tumor nicht zu übersehen. Bei der Behandlung von Rückenschmerzen sollten Mediziner und Physiotherapeuten eng zusammenarbeiten.

Rückenschmerzen haben oft muskuläre Ursachen

Guten Orthopäden und Orthopädinnen genügen meist Augen, Ohren und Hände, um in den allermeisten Fällen zur richtigen Diagnose und Therapie zu kommen. Dafür müssen sie sich nur die Beschwerden genau beschreiben lassen, den Patienten bei der Bewegung beobachten und den Körper genau untersuchen, Gelenke testen und nach muskulären Verspannungen abtasten. In vier von fünf Fällen ist eine Über- oder Fehlbelastung der Muskulatur schuld an den Schmerzen.

Wenn wir uns bewegen, müssen viele verschiedene Teile unseres Körpers eng zusammenarbeiten: Gehirn, Nerven, Muskeln, Knochen und verschiedene Gelenke. Ist auch nur ein Teil in seiner Funktion beeinträchtigt, kann das Auswirkungen auf andere Körperbereiche haben und den gesamten Bewegungsapparat stören. Die Folge können zum Beispiel Rückenschmerzen sein, die gar nicht direkt am Rücken entstehen.

Fehlbelastung nach Arthrose im Knie

Bei Problemen und Schmerzen im Kniegelenk, zum Beispiel durch Arthrose, wird oft auch der Rücken in Mitleidenschaft gezogen, obwohl er gar nicht in unmittelbarer Nähe der Knie liegt. Das passiert dann, wenn ständige starke Kniebeschwerden zu einer dauerhaften Fehlbelastung führen. Betroffene nehmen automatisch eine Schonhaltung ein, um Beschwerden zu vermeiden. Dadurch verschiebt sich auf Dauer die komplette Körperachse. Die Folge: verspannte Muskeln, die auf Nerven drücken. Und über Nervenbahnen kann sich der Schmerz bis in den Rücken fortsetzen.

Beckenverwringung kann Rückenbeschwerden auslösen

Auch Becken und Hüfte können Rückenschmerzen verursachen. Das Becken hat eine zentrale Rolle im Körper. Es verbindet den Oberkörper mit den Beinen. Das Hüftgelenk sorgt für Stabilität, aber auch für Beweglichkeit. Im Stand nimmt das Becken eine fast waagerechte Position ein. Eine dauerhafte einseitige Belastung, zum Beispiel durch ständiges Tragen auf einer Schulter, kippt das Becken zur Seite - ein Beckenschiefstand entsteht.

Die Folge sind Verspannungen des Lenden-Darmbein-Muskels (Musculus iliopsoas). Dadurch wird ein Bein muskulär höher gezogen - es kommt zu einer sogenannten funktionellen Beinlängendifferenz. Diese wiederum ist Ausgangspunkt weiterer Fehlhaltungen, Verspannungen und multipler Schmerzen - ein Teufelskreis. Der Rücken tut weh, obwohl eigentlich die Hüfte schuld ist.

Bandscheibenvorfall, Stenose oder Wirbelbruch mögliche Ursachen

Allerdings können auch ein ernster Bandscheibenvorfall, eine Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) oder ein Wirbelbruch infolge einer Osteoporose der Grund für Rückenschmerzen sein. Wirbelgleiten, Überbeweglichkeit durch Bindegewebsschwäche (Hypermobilität), Gelenkverschleiß (Arthrose), Morbus Bechterew, ein Tumor, eine Infektion in der Wirbelsäule, eine gefährliche Erweiterung der Hauptschlagader (Aortenaneurysma) oder Erkrankungen innerer Organe können ebenfalls Rückenbeschwerden auslösen. Bei diesen Erkrankungen sind teils dringend spezielle Therapien erforderlich.

Neurologische Symptome erkennen

Bei der Diagnose achtet der Arzt gezielt auf bestimmte Warnzeichen, die auf ernste Ursachen des Rückenschmerzes hindeuten und weitere Untersuchungen rechtfertigen. Dazu gehören neurologische Zeichen wie in die Beine ausstrahlende Schmerzen mit Taubheitsgefühl, Kribbeln, Muskelschwäche, Blasen- und Mastdarmschwäche, Gefühlsstörungen am After und ein Nachlassen des Schmerzes bei zunehmender Lähmung. Solche Zeichen weisen auf eine Wirbelsäulenerkrankung hin, die das Rückenmark oder einzelne Nervenwurzeln beeinträchtigt. Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT können dann Aufschluss über den Grund der Beschwerden geben.

Weitere Warnzeichen für auslösende Erkrankungen

Weitere Warnsignale, die bildgebende Verfahren rechtfertigen, sind zum Beispiel Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, rasche Ermüdung, Fieber, Schüttelfrost, starker nächtlicher Schmerz oder in Rückenlage zunehmende Schmerzen.

Eine weitere Abklärung wird generell auch empfohlen nach Unfällen oder Verletzungen sowie bei ehemaligen Krebspatienten oder Patienten, die Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr einnehmen.

Physiotherapie: Behandlung in fünf Säulen

Ein umfassendes physiotherapeutisches Therapiekonzept kann helfen, langjährige Rückenschmerzen wieder loszuwerden. Es ruht auf fünf Säulen:

Säule 1: Gründliche Anamnese

Um den aktuellen Schmerz zu verstehen und optimal behandeln zu können, ist es wichtig, auf seine Entstehung und mögliche Ursachen zurückzublicken. Der Blick zurück ist wichtig, um die aktuelle Krankheit zu verstehen:

  • Wann kommt der Schmerz?
  • Wann wird er besser?
  • Was muss der Körper im Alltag leisten?
  • Gab es in der Vorgeschichte Operationen, Unfälle, Stürze?
  • Welchen seelischen Kummer, welche Sorgen gibt es?

Säule 2: Tests und Untersuchungen

Mit Tests der Beweglichkeit, manualtherapeutischen und osteopathischen Untersuchungen können dafür ausgebildete Physiotherapeuten nach Schmerzursachen wie Blockaden oder Verwachsungen fahnden.

Säule 3: Aufklärung und Coaching

Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Physiotherapie ist, dass die Betroffenen die Zusammenhänge verstehen, die zu ihrer Schmerzsymptomatik führen, sie verschlimmern oder verbessern. Durch die Aufklärung und das Coaching gewinnen Patientinnen und Patienten das Vertrauen in ihren Körper wieder zurück. Wer seinen Schmerz versteht, kann das eigene Verhalten ändern und ist motiviert, selbst aktiv zu werden. Groß ist sonst die Gefahr, dass Betroffene in eine Schonhaltung verfallen und sich kaum noch bewegen. Das würde den Schmerz letztlich noch verschlimmern und nur tiefer in eine Schmerzspirale führen. Um die Mobilität zu erhalten und zu vermeiden, dass sich eine ungünstige Schonhaltung verfestigt, kann in der Akutphase bei starken Schmerzen auch der Einsatz von Schmerzmedikamenten sinnvoll sein.

Säule 4: Passive Therapie

Falls erforderlich, lassen sich mit speziellen Handgriffen aus der Manuellen Therapie Blockaden lösen, Wirbelgelenke wieder mobilisieren und Funktionsstörungen zwischen Knochen, Muskulatur und Nerven beheben. Bei Narben und Verwachsungen können Verfahren der Osteopathie hilfreich sein. Wärmeanwendungen oder Massagen wirken entspannend und eignen sich gut als auflockernde Vorbereitung für ein muskelkräftigendes Training.

Säule 5: Aktive Therapie

In der fünften Säule geht es darum, selbst aktiv zu werden und die in der Physiotherapie gelernten Übungen konsequent und regelmäßig durchzuführen. Wichtig ist, die Übungen und möglichst auch weitere sportliche Aktivitäten in den Alltag zu integrieren, denn drei Übungen für zehn Minuten am Tag reichen nicht aus.

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