Eine erschöpfte Frau sitzt vor einem Fenster an einem Tisch und stützt den Kopf in die Hände. © picture alliance / Zoonar | Dmitrii Marchenko
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AUDIO: Coronavirus-Update: Nebenwirkungen und Folgeschäden (8/10) (76 Min)

Long Covid: Auch bei der nächsten Pandemie drohen Langzeitfolgen

Stand: 04.03.2025 06:00 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Corona-Langzeitfolgen wie Long Covid und Post Covid sind schwer zu behandeln. Die Forschung setzt auf das "Auswaschen" von Autoantikörpern aus dem Blut und ein Diabetes-Medikament. Post-akute Infektionssyndrome wie ME/CFS wird wohl auch eine neue Pandemie bringen.

von Ines Bellinger

Carmen Scheibenbogen leitet die Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité. Sie hat schon lange vor der Corona-Pandemie zu der schweren neuroimmunologischen Erkrankung ME/CFS geforscht und gehört zu den anerkanntesten Long Covid/Post Covid-Wissenschaftlern in Deutschland. Aber auch sie kann nur schätzen, wie viele Menschen an diesem komplexen postviralen Erkrankungsbild leiden. Ziyad Al-Aly, Epidemiologe aus Seattle, spricht in einer Übersichtsstudie von fünf Prozent der Weltbevölkerung. "Das ist natürlich ein sehr weiter Begriff, es gibt auch unterschiedliche Definitionen von Long Covid , aber selbst wenn es nur ein oder zwei Prozent sind - das ist eine enorm hohe Zahl", sagt Scheibenbogen in der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update

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Bis zu 200 Symptome bei Long Covid 

Enorm hoch ist auch die Zahl an unterschiedlichen Symptomen, die zu der multisystemischen Erkrankung bekannt sind und die noch Wochen und Monate nach der Infektion auftreten können: laut Studienlage bis zu 200 aus einem breiten Spektrum zwischen Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel.

Als besonders schwere Folgeerkrankung kann es zu ME/CFS kommen (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom), auch als chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt. Bei ME/CFS führen wahrscheinlich entzündete Gehirn- und Rückenmarkzellen in Kombination mit Beeinträchtigungen der Muskeln und großer Erschöpfung zu Symptomen wie extremer Reizempfindlichkeit und schwer zuzuordnenden Schmerzen. Manche Patienten können nicht mehr laufen und haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. 

ME/CFS: Post-akute Infektionssyndrome auch nach anderen Infektionen 

Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité. © Charité | Sabine Gudath
Die Immunologin Carmen Scheibenbogen von der Charité rechnet mit Spätfolgen auch bei der nächsten Pandemie.

Das Erkrankungsbild ME/CFS war Medizinern schon vor der Corona-Pandemie bekannt - und es wird, so Carmen Scheibenbogen, auch in der nächsten Pandemie eine Rolle spielen. "Man sieht, dass das Risiko nach anderen Infektionen ähnlich hoch ist wie nach Covid", sagt die Immunologin. "Nach Covid ist das Risiko also gar nicht unbedingt höher für solche postinfektiösen Verläufe, sondern es ist einfach nur die Breite an Infektionen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, die das Phänomen Long Covid so häufig gemacht hat."

Eine aktuelle Studie aus England belegt, dass post-akute Infektionsssyndrome (PAIS), also schwere, mehrere Organe betreffende Erkrankungen, nach anderen Infektionen ähnlich häufig auftreten wie nach Covid-19. Auslöser können Influenzaviren sein oder auch Enteroviren, die unter anderem Kinderlähmung, Hepatitis und Meningitis verursachen können, ebenso wie Dengueviren, die von Stechmücken übertragen werden, und Epstein-Barr-Viren, die Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Aber auch bakterielle Infektionen können Langzeitfolgen haben. 

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Studien zu Biomarkern für Long Covid 

"Es ist gar nicht so sehr das spezielle Virus, sondern einfach die schwerere Infektion, die das Immunsystem stark aktiviert, die wahrscheinlich das Risiko für Long Covid oder Long Flu, oder wie immer man es bezeichnet, mit sich bringt", sagt Scheibenbogen. Demnach dürften Menschen, die besonders anfällig für Long Covid sind, auch zur Risikogruppe für Langzeitfolgen bei anderen schwerer verlaufenden Infektionen zählen: Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, Menschen mit Asthma, mit Übergewicht oder einer Autoimmunerkrankung. 

Welche Biomarker, also biologische Merkmale in Blut, Gewebe oder Körperflüssigkeiten, als Referenz für eine Long-Covid-Erkrankung dienen könnten, dazu laufen ausgehend von der Charité gerade drei Studien. Sie haben das Ziel, die Mechanismen von Entzündungsprozessen, Durchblutungsstörungen und Antikörpern, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten, besser zu verstehen. 

Immunadsorption bringt keine Heilung 

Im Kampf gegen diese Autoantikörper könnte die Immunadsorption eine hilfreiche Therapie sein. Das ist ein Verfahren, bei dem das Blut erkrankter Menschen außerhalb des Körpers "gewaschen" wird. Die fehlgeleiteten Antikörper werden dabei herausgefiltert. In Einzelfällen berichteten Betroffene über eine Besserung ihrer Symptome, aber Carmen Scheibenbogen weist darauf hin, dass Immunadsorption bislang nur im Rahmen von Studien angewendet wird und auch keine Heilung bringt: "Denn die Zellen, die diese Antikörper produzieren, bleiben im Körper." 

Es gebe Medikamente, die antikörperproduzierende Zellen (B-Zellen) angreifen und die Erkrankung wirksam behandeln können. Die sind allerdings für andere Erkrankungen zugelassen, nicht aber für Long Covid und ME/CFS. Dazu müssten also erst Therapiestudien durchgeführt werden.

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Metformin als Long-Covid-Medikament vielversprechend?

Dasselbe gilt für das Diabetesmedikament Metformin. Eine randomisierte klinische Studie der University of Minnesota zeigte, dass das Long-Covid-Risiko bei den Teilnehmern, die Metformin eingenommen hatten, um 41 Prozent zurückging. Das Medikament senkte massiv die Viruslast. Carmen Scheibenbogen hält Metformin ebenfalls für vielversprechend zur Behandlung von schwerem Long Covid, weil es das Immunsystem bremst, also antientzündlich wirkt. Und es könnte möglicherweise auch zur Vorbeugung geeignet sein. Dazu müssten jedoch aufwendige klinische Studien initiiert werden. 

Therapiestudien: Pharmaindustrie hat kein Interesse

Zwar hat das Bundesgesundheitsministerium vor etwa einem Jahr 150 Millionen Euro für Long-Covid-Forschung bereitgestellt, jedoch fließt das Geld in die Versorgungsforschung - beispielsweise in bessere Diagnostikverfahren, Anlaufstellen für Betroffene und den Aufbau von Netzwerken. Für Therapiestudien müsste es nach Ansicht von Wissenschaftlern einen separaten Fördertopf geben, vor allem müssten sich Pharmafirmen beteiligen. Aber, sagt Carmen Scheibenbogen, die pharmazeutische Industrie sei nicht interessiert.  

Immerhin gibt es beim Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen seit einem halben Jahr eine Long-Covid-Richtlinie für eine schnellere und strukturierte Versorgung. Haus- und Kinderärzte sollen die notwendigen Therapien koordinieren und in schweren Fällen den Zugang zu Spezialambulanzen erleichtern. Zudem fördert das Gesundheitsministerium ein bundesweites Netzwerk zur Versorgung von Kindern, deren Risiko, an Long Covid zu erkranken, deutlich geringer ist als bei Erwachsenen.  

Scheibenbogen: Langzeitverläufe werden ihren Schrecken verlieren

Alles in allem ist Long-Covid-Expertin Scheibenbogen optimistisch, dass Langzeitverläufe nach Infektionskrankheiten absehbar ihren Schrecken verlieren könnten, weil sie besser zu behandeln sein werden, auch ME/CFS. "Es ist keine Erkrankung, die irgendetwas nachhaltig kaputt macht. Es ist wahrscheinlich eine funktionelle Störung. Möglicherweise sind es wirklich die Autoantikörper gegen Stressrezeptoren, die die Erkrankung beeinflussen", sagt sie.

Es gebe bereits einzelne Patienten, die geheilt werden konnten - im Rahmen von Studien, aber auch durch die Therapie mit Medikamenten, die bisher nur für andere Erkrankungen zugelassen sind (Off-Label-Use), so Scheibenbogen. Außerdem verschaffe die Immunadsorption einem Teil der Patienten sehr schnell Linderung. "Und wenn wir das alles umsetzen können in den nächsten Jahren, dann sind wir auch gut vorbereitet auf die nächste Pandemie, die hoffentlich noch lange nicht kommt." 

Weitere Experten in dieser Folge:

  • Hajo Zeeb, Epidemiologe und Humanmediziner, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen 
  • Nico Dragano, Medizinsoziologe, Universität Düsseldorf
  • Sabine Zinn, Sozialwissenschaftlerin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin
  • Eva Wild, Gesundheitsökonomin, Universität Hamburg
  • Berit Lange, Epidemiologin, Helmholtz-Institut für Infektionsforschung in Braunschweig
  • Ulrike Ravens-Sieberer, Psychologin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • Sarah Schäfer, Psychologin, Universität Braunschweig
  • Wolfgang Schröer, Pädagoge, Universität Hildesheim
  • Loraine Busetto, Versorgungsforscherin, Universitätsklinikum Frankfurt/Main

Die neuen Folgen des Coronavirus-Update von NDR Info sind immer dienstags in der ARD Audiothek verfügbar. Kommende Woche geht es um Lehren für eine bessere Kommunikation in der nächsten Pandemie.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info l Coronavirus-Update l 04.03.2025 06:00 Uhr

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