Eine mit einem blauen Schutzhandschuh bekleidete Hand hält eine Ampulle mit mRNA-Impfstoff (Fotomontage). © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Eine mit einem blauen Schutzhandschuh bekleidete Hand hält eine Ampulle mit mRNA-Impfstoff (Fotomontage). © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Eine mit einem blauen Schutzhandschuh bekleidete Hand hält eine Ampulle mit mRNA-Impfstoff (Fotomontage). © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
AUDIO: Coronavirus-Update: Impfungen und Therapien (6/10) (74 Min)

Impfstoffe für eine neue Pandemie: Woran arbeitet die Forschung?

Stand: 25.02.2025 06:00 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Knapp ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie kam der erste Impfstoff auf den Markt. Die mRNA-Technologie gilt als Gamechanger - nicht nur im Kampf gegen das Sars-CoV-2-Virus. Der Fokus der Forschung richtet sich auf deren Optimierung und auf die Entwicklung von Universalimpfstoffen. 

von Ines Bellinger

Diese polyvalenten Impfstoffe wären Allrounder, die zum Beispiel gegen eine ganze Gruppe von Viren eingesetzt werden könnten. "Die Frage ist, ob wir Impfstoffe herstellen können, die gegen mehr als ein Virus wirksam sind und eine ganze Erreger-Familie abdecken oder sogar darüber hinaus", sagt der Virologe Stephan Becker in der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update. Zwar stehe mit der mRNA-Technologie mittlerweile eine solide Basis für eine rasche Reaktion auf eine neue Pandemie zur Verfügung. "Aber selbst wenn es gelingt, super schnell einen Impfstoff gegen einen neuen Erreger zu entwickeln, vergeht dennoch kostbare Zeit, in der viele Menschen schwer erkranken und an einer Infektion versterben können." 

mRNA-, Vektor- und Lebendimpfstoffe: Forschung vergleicht Impfplattformen 

Der Virologe Prof. Dr. Stephan Becker, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität Marburg © Markus Farnung
Der Marburger Virologe Stephan Becker hat einen Impfstoff gegen die schwere Atemwegsinfektion Mers entwickelt.

Stephan Becker lehrt an der Philipps-Universität in Marburg, wo die deutsche Forschung an gefährlichen Viren wie Ebola und Lassa konzentriert ist. Er und sein Team vergleichen unterschiedliche Impftechnologien, um die Mechanismen hinter mRNA-, Vektor- und Lebendimpfstoffen besser zu verstehen. Wissenschaftler sprechen auch von Impfplattformen. "Wir wissen nicht genau, wie sie das Immunsystem stimulieren, das hat bisher noch niemand gut untersucht", sagt Becker. "Welche Plattform nimmt man bei welchem Virus? Gibt es Plattformen, die sich besonders gut bei respiratorischen Viren eignen, andere vielleicht eher für Viren wie Ebola oder Lassa, die durch Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen werden? Gibt es vielleicht andere Plattformen, die sich gut für Insektenviren wie West-Nil eignen? Das sind Fragen, die wir beantworten wollen." 

Becker hat während der Corona-Pandemie an einem Impfstoff gegen Covid geforscht, er hat an einem Ebola-Impfstoff mitgearbeitet und erfolgreich einen Impfstoff gegen die schwere Atemwegsinfektion Mers entwickelt. Derzeit forscht er an einem Vektorimpfstoff gegen Viren , die hämorrhagisches Fieber mit schweren Blutungen auslösen können. Vektorimpfstoffe haben den Vorteil, dass sie viele Jahre haltbar sind und in größeren Mengen gelagert werden können, bis es wieder zu einem Ausbruch kommt. 

Wissenschaftsjournalist Joachim Budde © NDR / Nils Kinkel
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Forschungsziele: Nebenwirkungen reduzieren, Schutzwirkung verlängern  

Der größte Vorteil von mRNA-Vakzinen ist ihre schnelle Verfügbarkeit und Anpassungsfähigkeit. Vor dem Durchbruch der Technologie mussten für die Entwicklung von Impfstoffen immer erst lebende Viren gezüchtet und wieder abgeschwächt oder inaktiviert werden. Bei den mRNA-Impfstoffen passiert das synthetisch, sobald die Erbinformation des Erregers ausgelesen ist. 

Emanuel Wyler vom Max Delbrück Center für Molekulare Medizin in Berlin sieht bei mRNA-Impfstoffen jedoch "noch ganz viele Optimierungen, die man machen muss, um diese Plattform zu verbessern". Zum Beispiel könnte man dann Nebenwirkungen wie sehr selten auftretende Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) weiter reduzieren. 

Der Hamburger Virusimmunologe Marcus Altfeld weist auf eine weitere "Hausaufgabe" hin, die möglichst vor der nächsten Pandemie erledigt werden müsste: die Dauer der Schutzwirkung von mRNA-Impfstoffen zu verlängern. Studien zeigen, dass die Antikörper bei der Covid-Impfung nach ein paar Monaten wieder verschwinden.

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Ein Arzt impft einer Person in den Oberarm. © colourbox Foto: -

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Deshalb rät die Ständige Impfkommission (Stiko) Vorerkrankten und allen Menschen über 60 Jahre, die Impfung jeden Herbst auffrischen zu lassen. "Das liegt einmal an den neuen Varianten, auf die wir anpassen mussten. Es liegt aber auch daran, dass die Antikörper teilweise schneller abnehmen als zum Beispiel bei einer Gelbfieber-Impfung, die man nur einmal im Leben braucht", sagt Altfeld. Gegen das von bestimmten Stechmücken übertragene Gelbfieber wird mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Er erreicht eine Schutzrate von nahezu 100 Prozent. 

Nachteil von mRNA-Impfstoffen: Haltbarkeit und Lagerung  

Die größten Schwachstellen von mRNA-Impfstoffen sind die begrenzte Haltbarkeit und die aufwendige Lagerung. Die ersten Impfchargen hielten nur sechs Monate, mittlerweile werden sie nach neun Monaten vernichtet. mRNA-Impfstoff muss außerdem bei minus 75 bis minus 80 Grad gekühlt werden, das macht Transport und Lagerung in vielen Teilen der Welt zur Herausforderung. 

Dass die Impfstoffe nur so kurz haltbar sind, liegt an den Lipiden, den Fetttröpfchen, in die die sogenannte Messenger-RNA (mRNA) eingepackt ist. Sie liefert die Bauanleitung für das Spike-Protein. Das ist der Teil des Coronavirus, an dem die Immunzellen mit ihren Antikörpern andocken, um das Virus zu bekämpfen. Auf diese Weise hilft die mRNA dem Immunsystem, die Antikörper herzustellen, bevor der Mensch in Kontakt mit dem krank machenden Virus kommt. Die Verpackung der Bauanleitung, also die Lipide, lösen sich in der Zelle auf.  

Sander: mRNA-Verpackung verantwortlich für Myokarditis? 

Der Infektiologe Leif Erik Sander von der Charité Berlin. © Charité | Wiebke Peitz Foto: Charité | Wiebke Peitz
Der Berliner Infektiologe Leif Erik Sander hat Lipide in mRNA-Impfstoffen als mögliche Ursache für Herzmuskelentzündungen im Verdacht.

Genau diese Fetttröpfchen hat der Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité im Blick, wenn es darum geht, die neue Generation von Impfstoffen noch sicherer zu machen. "Weil ich relativ fest davon überzeugt bin, dass Bestandteile dieser Lipid-Nanopartikel zum Beispiel für die Myokarditis verantwortlich sind, weil sie zu starken Immunreaktionen führen", sagt Sander. Im Labor hat er mit seinem Team Hinweise darauf gefunden, dass bestimmte Immunzellen stark auf länger gelagerten mRNA-Impfstoff reagieren und Entzündungsstoffe ausschütten. "Ich bin mir sicher, dass wir mit einer präzisen Analyse dieser Zusammenhänge die Impfstoffe noch nebenwirkungsärmer gestalten können." Momentan, so Sander, seien Impfreaktionen auf mRNA-Impfstoffe im Vergleich zu anderen Vakzinen auch noch relativ ausgeprägt: "Insofern, ist da noch Verbesserungspotenzial." 

mRNA soll für Influenza-Viren optimiert werden 

Festzuhalten bleibt fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie: In der Impfstoff-Forschung in Deutschland ist einiges in Bewegung gekommen. An der Universität Tübingen wird an einem Impfstoff gegen Malaria geforscht, an der Universität Erlangen die mRNA-Technologie für den Einsatz gegen Hautkrebs getestet. Mehrere Forschungsgruppen arbeiten an potenziellen mRNA-Impfstoffen gegen Hepatitis und das Vogelgrippe-Virus H5N1. Das Problem bei der Impfung gegen Grippe-Erreger: Influenzaviren mutieren rasend schnell. Mit Blick auf den nächsten Pandemie-Kandidaten, das Vogelgrippe-Virus H5N1, wäre ein schnell anzupassender Impfstoff allerdings ein Segen. MRNA-Impfstoffe könnten bei dieser schnellen Anpassung im Vorteil sein. 

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Finanzierung von Impfstoff-Forschung: Nie wieder unvorbereitet? 

Ein leidiges Thema bleibt die Finanzierung: Während der Corona-Pandemie hat der Bund die Impfstoff-Entwicklung mit 750 Millionen Euro gefördert. Diese Förderung ist inzwischen ausgelaufen. Virologe Becker sieht diesbezüglich wenig Lerneffekt aus bisherigen Seuchenzügen, ob das nun Sars, die Schweinegrippe-Pandemie 2009, Mers oder Ebola waren: "Immer wieder ist es dasselbe", sagt der Wissenschaftler. "Sobald der Ausbruch vorbei ist, heißt es: Wir werden nie wieder so unvorbereitet sein, wir machen jetzt alles Mögliche, damit das nicht mehr passiert. Und dann klappt es nicht, weil die Gelder nicht da sind."

Weitere Experten in dieser Folge: 

  • Stefan Kluge, Intensivmediziner, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 
  • Carsten Claussen, Wirtschaftsinformatiker, Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie Hamburg 
  • Ralf Bartenschlager, Molekularbiologe, Universitätsklinikum Heidelberg 
  • Sandra Ciesek, Virologin, Universitätsklinikum Frankfurt/Main 
  • Jörg Meerpohl, Evidenzforscher, Universität Freiburg 
  • Carmen Scheibenbogen, Immunologin, Charité Berlin

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info l Coronavirus-Update l 25.02.2025 06:00 Uhr

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