Umfrage: Große Mehrheit fordert stärkere Aufarbeitung der Corona-Pandemie

Stand: 28.01.2025 06:00 Uhr

Fast die Hälfte der Teilnehmer einer #NDRfragt-Umfrage hält die Corona-Maßnahmen rückblickend für angemessen - ähnlich vielen gingen sie zu weit. Die Mehrheit wünscht sich eine stärkere politische Aufarbeitung.

von Patrick Reichelt

Vor fünf Jahren wurde der erste Corona-Fall in Deutschland bekannt - es folgte eine lange Zeit mit Lockdowns, Maskenregeln und Kontaktverboten. Wie blicken die Menschen in Norddeutschland heute darauf? In einer aktuellen Umfrage von #NDRfragt fordern fast zwei Drittel eine stärkere politische Aufarbeitung der Corona-Pandemie. 21 Prozent der Befragten finden die bisherige Aufarbeitung ausreichend, nur zehn Prozent sind für weniger Aufarbeitung.

#NDRfragt-Mitglied Ralf (50) aus Mecklenburg-Vorpommern schreibt: "Man muss die Schlüsse aus dieser Pandemie ziehen, um in Zukunft besser handeln zu können, wenn uns wieder einmal eine weltumspannende Pandemie erreicht."

An der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage haben mehr als 24.000 Menschen aus Norddeutschland teilgenommen. Alle Ergebnisse gibt es auch als PDF zum Herunterladen.

In der aktuellen Wahlperiode gab es keine umfassende Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte diese zuletzt vehement eingefordert. "Wir müssen uns selbst gegenüber Rechenschaft ablegen, was gut lief, was weniger gut lief, was geschadet hat. In unser aller Interesse müssen wir Transparenz herstellen", sagte er dem Magazin "Stern". Aufarbeitung schaffe die Chance, Menschen zurückzugewinnen, die ihr Vertrauen in die Demokratie verloren hätten oder daran zweifelten.

Weitere Informationen
Porträtbild des ARD-Korrespondenten Peter Mücke. © Radio Bremen Foto: Martin von Minden

Kommentar zu fünf Jahren Corona: Mehr Freiheit oder weniger Tote?

In der deutschen Corona-Politik sei etwa im Vergleich zu den USA vieles insgesamt gut gelaufen, kommentiert Peter Mücke. mehr

Waren die Corona-Regeln angemessen?

Fast 60 Prozent der Befragten fühlten sich durch die damaligen Corona-Regeln stark in ihrem persönlichen Leben eingeschränkt, vor allem durch die Kontaktverbote. Trotzdem hält die Mehrzahl in der #NDRfragt-Gemeinschaft im Rückblick die Regeln für angemessen (49 Prozent). Aber ähnlich viele Befragte sehen es anders: Für 44 Prozent gingen die Corona-Regeln rückblickend zu weit.

Bei einem Mann wird ein Corona-Test in einem Schnelltest-Zentrum in Hannover genommen. © dpa-Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
AUDIO: #NDRfragt: Waren die Coronaregeln zu streng? Stimmen aus der Community (3 Min)

In der Umfrage wurden die Teilnehmenden gebeten, sich daran zu erinnern, wie die Maßnahmen damals während der Pandemie auf sie gewirkt haben - und dieselbe Frage dann noch einmal zu beantworten. In diesem Szenario empfanden deutlich weniger Befragte (34 Prozent) die Corona-Regeln als zu weitgehend. Über die Hälfte hielt sie für angemessen.

Meinungen von #NDRfragt-Mitgliedern zu den Corona-Maßnahmen

Pro Umfrage erreichen uns unzählige Meinungen - in dieser Anwendung bereiten wir einige für Sie auf. Um den ganzen Beitrag zu sehen, tippen Sie auf die jeweilige Kachel. Sie können die Meinung nach "Corona-Maßnahmen waren angemessen" und "Corona-Maßnahmen gingen zu weit" filtern.

Hoher Vertrauensverlust in die Politik

Die Corona-Pandemie stellte auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik auf die Probe. Bei vier von zehn Befragten führte die Pandemie zu einem Vertrauensverlust. Bei der Hälfte der Befragten veränderte sich nichts, bei wenigen stieg das Vertrauen durch die Pandemie.

Wie kann verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden? #NDRfragt-Mitglied Finja (20) aus Schleswig-Holstein fordert zunächst eine Entschuldigung für "alle, die durch die Maßnahmen mehr eingeschränkt als geschützt wurden". Politik, Medien und Gesellschaft sollten bereit sein, sich Fehler einzugestehen.

Die Soziologin Jutta Allmendinger sitzt bei einer Veranstaltung auf einem Podium und spricht in ein Mikrofon. © dpa picture alliance Foto: Michael Matthey
AUDIO: Soziologin Allmendinger: Haben aus Corona-Zeit nicht viel gelernt (5 Min)

David aus Hamburg fragt hingegen: "Wozu soll eine Aufarbeitung hilfreich sein? Um einen Schuldigen zu finden?" Nach Meinung des 62-Jährigen sind die Entscheidungen damals nach bestem Wissen und Gewissen getroffen worden.

Wie könnte die Aufarbeitung aussehen?

Wie eine Aufarbeitung aussehen könnte, skizziert #NDRfragt-Mitglied Andrea aus Niedersachsen: "Es sollte eine Kommission aus Experten aus einem breiten Spektrum gebildet werden, in der auch Bürger mitwirken. Erfahrungen aus anderen Ländern sollten mitberücksichtigt werden." Am Ende müssten die Ergebnisse transparent und damit für alle einsehbar sein, so die 64-Jährige.

Mitarbeit
Umfrageerstellung: Lisa Göllert, Nora Köhler
Datenanalyse: Lisa Richter, Bastian Kießling
Community-Management: Max Nielsen, Anna Luca Kirchhoff

Über diese Befragung

Die Antworten stammen aus der Umfrage Corona-Aufarbeitung: Waren die Regeln zu streng?", an der sich 24.146 Norddeutsche beteiligt haben.

Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die vom 17. bis 24. Januar 2025 um 9 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland und Schulabschluss gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

Wachsende #NDRfragt-Community: Zehntausende Norddeutsche machen mit

#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 51.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.

Weitere Informationen
Kinder mit medizinischen Masken sitzen während der Corona-Pandemie im Unterricht. © picture alliance / imageBROKER Foto: Oleksandr Latkun

Fünf Jahre Corona: Was Schulen aus der Pandemie gelernt haben

Homeschooling, Unterricht mit Masken, Querlüften: Wie gut wären Schulen in SH auf eine neue Pandemie vorbereitet? mehr

Der Virologe Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin. © NDR Foto: Christian Spielmann

Fünf Jahre Corona: Was sind die Lehren für die nächste Pandemie?

In der neuen Staffel des Podcasts Coronavirus-Update geht es um die Frage, wie gut wir vorbereitet sind auf eine neue Seuche. Topkandidat: das Vogelgrippe-Virus H5N1. mehr

Screenshot aus der RBB-Sendung "Mitreden" zu fünf Jahre Corona. © NDR
109 Min

"Mitreden!": Fünf Jahre Corona - brauchen wir mehr Aufarbeitung?

Hörerinnen und Hörer haben bei "Mitreden!" mit Experten über eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie diskutiert. Die ganze Sendung als Video-Mitschnitt. 109 Min

Eine Frau hält ein Smarthphone in die Kamera, auf dem Display steht "#NDRfragt" © PantherMedia Foto: Yuri Arcurs

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 28.01.2025 | 06:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Coronavirus