Auf einem Ortsschild ist das Wort "Covid" durchgestrichen, ein Pfeil weist Richtung Pandemie. (Fotomontage) © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
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Auf einem Ortsschild ist das Wort "Covid" durchgestrichen, ein Pfeil weist Richtung Pandemie. (Fotomontage) © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
AUDIO: Coronavirus-Update: Folge 1 der neuen Podcast-Staffel (59 Min)

Fünf Jahre Corona: Was sind die Lehren für die nächste Pandemie?

Stand: 28.01.2025 10:37 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Die neue Staffel des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update widmet sich der Frage, wie gut wir vorbereitet sind auf eine mögliche neue Pandemie und welche Erreger das Potenzial dafür haben. Mit dabei: die Virologen Christian Drosten und Sandra Ciesek.

von Ines Bellinger

In einem sind sich Experten einig: Die Frage ist nicht, ob es eine neue Pandemie geben wird, sondern wann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pflegt eine Liste mit mittlerweile mehr als 30 potenziell pandemischen Erregern, darunter Mpox-, Dengue- und Chikungunya-Viren, aber auch Cholera- und Pestbakterien sowie resistente Krankenhauskeime. Ganz oben auf der Erreger-Hitliste jedoch: H5N1, das Vogelgrippe-Virus

Drosten: Erfahrungen mit Covid-19 nicht übertragbar 

Wie gut sind wir vorbereitet für den Fall des Ausbruchs einer neuen Seuche? Christian Drosten sagt dazu: "Momentan wird in der öffentlichen Diskussion manchmal alles so dargestellt, als sei eine direkte Übertragbarkeit von Covid-19 auf die nächste Pandemie natürlicherweise gegeben. Und das wird nicht so sein."

Der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité hat Millionen Podcast-Hörer durch die Corona-Pandemie begleitet. Sein Institut ist Mitglied im Coronavirus-Netzwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Partner des Berliner Zentrums für Pandemie- und Epidemieinformationen - eine globale Plattform, die die WHO als Lehre aus dem Corona-Seuchenzug eingerichtet hat. 

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Das Coronavirus © CDC on Unsplash Foto: CDC on Unsplash

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Pandemie-Prävention: Klimawandel und Zoonosen unter Beobachtung 

Auf dem Radar haben die Forscher zunehmend klimasensitive Infektionen wie West-Nil-, Dengue- oder Chikungunya-Fieber. Die Viren werden durch Stechmücken übertragen, die es früher in unseren Breiten nicht gab. Das könnte zum Problem werden, denn: "Wir haben natürlich eine komplett immunologisch naive Bevölkerung", so Drosten. Zudem ist die Bevölkerung hierzulande im Durchschnitt deutlich älter als dort, wo zum Beispiel die Asiatische Tigermücke endemisch ist. 

Hauptverdächtig für Pandemie-Potenzial bleiben jedoch Erreger zoonotischen Ursprungs, also Viren und Bakterien, die bei Wirbeltieren beheimatet sind und auf Menschen überspringen können - oder andersherum (Spillover). Die großen Pandemien der vergangenen hundert Jahre wurden mutmaßlich durch Zoonosen verursacht - neben HIV und Corona passierte dies gleich viermal mit Influenza-A-Viren (Spanische Grippe/H1N1 - bis 50 Millionen Tote, Asiatische Grippe/H2N2 - bis zwei Millionen Tote, Hongkong-Grippe/H3N2 - eine Million Tote, Schweinegrippe/H1N1 - 14.500 Tote).

Korinna Hennig © NDR Foto: Christian Spielmann
AUDIO: Coronavirus-Update: Folge 2 der neuen Podcast-Staffel (61 Min)

Hat die Vogelgrippe Pandemie-Potenzial? 

Ein weiterer Subtyp von Influenza-A steht seit geraumer Zeit unter Beobachtung von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt: H5N1 - das sogenannte Vogelgrippe-Virus, auch als Geflügelpest bekannt. Nachgewiesen wurde das Virus erstmals 1959, die hochansteckende Variante kursiert seit knapp zehn Jahren, momentan gibt es die größte bislang dokumentierte Welle der Infektionskrankheit.  

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Ein Schild mit der Aufschrift "Sperrgebiet! Geflügelpest" hängt am Eingang eines Bauernhofes. © Colourbox Foto: Heiko Küverling

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Die meldepflichtige Tierseuche breitete sich von Wild- auf Zuchtvögel aus. Seit zwei Jahren taucht das Virus auch bei Säugetieren auf. Inzwischen sind Fälle in Hunderten Milchviehbetrieben in den USA nachgewiesen, im Bundesstaat Louisiana starb ein Mann, der mit H5N1 infiziert war. Die Ansteckung von Menschen gilt dennoch als sehr selten, Mensch-zu-Mensch-Übertragungen wurden bisher nicht nachgewiesen. Laborstudien zeigen jedoch: Das Virus hat sich bereits verändert. 

Influenza-Expertin Gabriel: "H5N1-Situation besorgniserregend"

Influenza-Expertin Gülsah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg © LIV / Gisela Köhler
Die Hamburger Virologin Gülsah Gabriel ist besorgt über die Entwicklung der Vogelgrippe.

In Sorge sind Wissenschaftler weltweit, weil in den USA zu spät gehandelt und insgesamt zu wenig getan wird, um den Ausbruch einzudämmen. Die Influenza-Expertin Gülsah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg sagt: "Ich finde die aktuelle H5N1-Situation besorgniserregend. Es wird sehr wenig in die Pandemie-Prävention gesteckt. Wenn wir zurückschauen, wie Influenzaviren pandemisch geworden sind - sie sind oft durch einen Zwischenwirt gegangen." 

Unbekannter Erreger - welche Maßnahmen greifen? 

H5N1 ist ein Virus, das Forschern schon bekannt ist. Doch die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, wie schnell und unberechenbar Viren mutieren können - und Influenza-Viren gelten als besonders mutationsfreudig. Zudem besteht die Möglichkeit, dass ein bis dato unbekannter Erreger eingeschleppt wird. Welche Maßnahmen würden heute greifen, um einen Ausbruch einzudämmen? 

In Deutschland gibt es vier Labore mit der höchsten biologischen Schutzstufe (BSL 4): an der Phillips-Universität Marburg, am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, am Robert Koch-Institut in Berlin und am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems. Dort werden hochgradig riskante Erreger wie das Ebola-Virus untersucht. Influenza-Viren gehen an Labore der Schutzstufe 2, während die Analyse für Mpox-Verdachtsfälle, aber auch für Vogelgrippe-Viren und Sars-CoV-2 in BSL-3-Laboren erfolgt.

Die NDR Redakteurin Korinna Hennig. © NDR Foto: Christian Spielmann
AUDIO: Lehren aus Corona: Was bei der nächsten Pandemie anders laufen muss (8 Min)

Ciesek: Diagnostik nach Corona günstiger und schneller  

Sandra Ciesek, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, glaubt, dass bei einer neuen Pandemie das Auslesen der Erbinformation eines Erregers und damit das Entwickeln eines Tests womöglich noch besser und schneller ablaufen würde, weil sich die Diagnostik im Zuge der Covid-19-Pandemie immer weiterentwickelt hat. 

Auch der interdisziplinäre Austausch wurde intensiviert. So hat sich als Lehre aus der Corona-Zeit das Netzwerk Universitätsmedizin gegründet. Spezialwissen ist bereits an verschiedenen Referenzzentren versammelt: So ist zum Beispiel das Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg auf tropische Erreger spezialisiert, das RKI auf Masern, Mumps und Röteln, die Charité auf Coronaviren. 

Krankheit X im Kongo - WHO gibt Entwarnung  

So etabliert wie in Deutschland, Großbritannien oder den USA sind die Strukturen nicht überall auf der Welt. So sorgte im vergangenen Oktober in einer entlegenen Region der Demokratischen Republik Kongo eine Infektionswelle für Schlagzeilen, der die WHO (wie zunächst bei der Corona-Pandemie!) den Namen Disease X (Krankheit X) gab. Hunderte Menschen infizierten sich, viele starben. Nach Auswertung von über 400, unter teils schwierigen Bedingungen beschafften Proben gab die WHO erst Ende Dezember Entwarnung: Kein unbekanntes Virus habe die Menschen dort krank gemacht, sondern verschiedene bereits bekannte Erreger wie Malaria, Grippe, Rhinoviren und Coronaviren in Verbindung mit akuter Unterernährung.  

Pandemie-Prävention? Trump will USA aus WHO führen 

Christian Drosten fordert schon lange, bei der Pandemie-Prävention und der Bekämpfung gesundheitlicher Bedrohungen international zu denken - angefangen bei Forschungsförderung bis hin zu Investitionen in die Infrastruktur ärmerer Länder: "Ich würde das für sehr wichtig halten, dass man politische Abkommen schließt und das auf eine politische Prioritätenliste setzt", sagt der Virologe. Das dürfte jedoch kaum einfacher werden, in Zeiten, in denen der neue US-Präsident Donald Trump mit einem seiner ersten Dekrete den Austritt des Hauptgeldgebers USA aus der WHO eingeleitet hat.

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Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) in Greifswald © HIOH / Johanna-Eberhardt Foto: HIOH / Johanna-Eberhardt
Der Biologe Fabian Leendertz fordert, die Infektionskrankheit Mpox ernst zu nehmen.

Ein anderes Beispiel für unzureichende Strukturen im Gresundheitswesen nennt Fabian Leendertz, Direktor des 2022 als Reaktion auf pandemische Bedrohungen gegründeten Helmholtz Instituts für One Health in Greifswald (HIOH): Mpox, die als Affenpocken bekannt gewordene Infektionskrankheit. Im Sommer vergangenen Jahres rief die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Mittlerweile werden in Deutschland nur noch wenige Ansteckungen gemeldet, aber in West- und Zentralafrika kursiert das Virus weiter.  

"Wir müssen das ernst nehmen", sagt Leendertz. "Es ist ein weiterer Erreger, der mutieren und plötzlich in Communities, wo vielleicht die Gesundheitsvorsorge nicht so gut ist, zum Problem werden kann. Das hätten wir nicht haben müssen, hätte man es besser beforscht in Afrika und Maßnahmen ergriffen." 

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Erreger, die sich anschleichen

Der Biologe sieht als mögliche neue Bedrohung in der Zukunft kein Supervirus, das aus dem Nichts auftaucht, sondern Erreger wie Sars-CoV-2 oder HIV, die sich mit zunächst unauffälligen, weil anderweitig bekannten Symptomen anschleichen. "Solche Erreger", sagt Leendertz, "die sich so unbemerkt bei uns Menschen breitmachen und dann trotzdem eine hohe Krankheitslast hervorrufen können, die sind das richtige Problem."

Die neuen Folgen des Coronavirus-Update von NDR Info sind ab sofort immer dienstags in der ARD Audiothek verfügbar. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info l Coronavirus-Update l 28.01.2025 06.15 Uhr

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