Vogelgrippe: Wie gefährlich ist das Virus?
In Teilen Norddeutschlands kursiert die Vogelgrippe. Aktuell mussten in der Grafschaft Bentheim 30.000 Tiere getötet werden. Bereits im Dezember gab es größere Ausbrüche der Geflügelpest in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Anfang Januar einen Ausbruch im Stralsunder Zoo. Sowohl Hühner und Puten als auch Enten und Gänse können befallen sein. Wie gefährlich ist das Virus für Tiere und Menschen? Wie können Tierhalter sich und ihr Haustier vor dem Erreger schützen? Antworten auf wichtige Fragen.
VIDEO: Geflügelpest in Grafschaft Bentheim ausgebrochen (1 Min)
Vogelgrippe oder Geflügelpest - was ist der Unterschied?
Vögel können - ähnlich wie Menschen - an Grippe erkranken. Der Erreger der Vogelgrippe (aviäre Influenza) kommt vor allem bei Wasservögeln vor, insbesondere bei Enten. Sie sind häufig Virusträger, ohne selbst zu erkranken. Vogelgrippe-Viren treten in zwei Varianten auf, nämlich geringpathogen, also wenig krank machend, und hochpathogen, also stark krank machend. Außerdem gibt es verschiedene Subtypen (H1-16 in Kombination mit N1-9). Hochpathogene Vogelgrippe-Viren der Subtypen H5 und H7 können bei Geflügel dazu führen, dass ein Großteil der Tiere stirbt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Geflügelpest - sie meint einen besonders schweren Verlauf der Vogelgrippe mit vielen Todesfällen. Insbesondere Hühner und Puten sind häufig betroffen.
Wie breiten sich die Vogelgrippe-Viren aus?
Die Viren verbreiten sich in der Regel über wildlebende Vögel, vor allem über Wasservögel und durch den Vogelzug auch über große Entfernungen. Die Viren werden nach Angaben der Max-Planck-Gesellschaft vor allem über den Kot infizierter Vögel ausgeschieden und können im Wasser oder im feuchten Schlamm weiter ansteckend bleiben. Über Schnabel und Nasenöffnungen kann sich dann das nächste Tier infizieren. Die Viren nisten sich in den Schleimhäuten ein und vermehren sich dort. Auch Greifvögel können sich infizieren, wenn sie Aas erkrankter Tiere fressen. Das Virus ist bereits auf Säugetiere wie Nerze und Seelöwen und zuletzt auf Milchkühe in den USA übergesprungen (Zoonose).
Welche Symptome haben erkrankte Tiere?
Hühner leiden laut Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, unter anderem an Teilnahms- und Appetitlosigkeit, Durchfall und Störungen des zentralen Nervensystems, was sich an einer unnormalen Kopfhaltung und Gleichgewichtsstörungen zeigt. Ebenso werden Entzündungen der oberen Atemwege, Bindehautentzündungen sowie Veränderungen an Nebenhöhlen, Bronchien und Lungen beobachtet. Außerdem legen die Hühner weniger Eier und können ein stumpfes, gesträubtes Federkleid und Ödeme am Kopf bekommen. Symptome bei Enten und Gänsen, aber auch Schwänen sind Teilnahmslosigkeit, Ausfluss aus Augen und Schnabel, Futterverweigerung, Durchfall, Atemnot sowie Ausfälle des Nervensystems. Bei Hühnern und Puten werden die höchsten Erkrankungs- und Sterberaten beobachtet, Wasservögel erkranken seltener und oft weniger schwer.
Ist der Vogelgrippe-Erreger für Menschen gefährlich?
In Einzelfällen erkranken auch Menschen an Vogelgrippe. Die Viren können jedoch nur schwer auf den Menschen übertragen werden, denn im Gegensatz zu menschlichen Grippeviren docken Vogelgrippe-Viren nicht gut in der Nasen- und Rachenschleimhaut an. Aus Asien und Afrika sind Fälle bekannt, in denen sich Menschen mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert haben, vor allem über Hühner. In den USA kursiert das Virus seit März 2024 bei Milchkühen, bis Ende 2024 waren mehr als 800 Herden infiziert. Bei Menschen wurden dort mehr als 60 Vogelgrippe-Infektionen vermeldet, nachdem sie Kontakt mit Rindern gehabt hatten. Forscher beobachten deshalb mit Sorge, dass die USA erst spät Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Erregers ergriffen haben. In Deutschland ist noch kein Fall bei einem Menschen bekannt geworden. Laborstudien zeigen, dass das Virus sich bereits verändert hat. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen wurden bisher nicht nachgewiesen.
Gab es weltweit schon Todesfälle bei Menschen?
Ja, die Weltgesundheitsorganisation WHO listet von 2003 bis 12. Dezember 2024 weltweit 464 gemeldete Todesfälle von Menschen durch H5N1 auf. Im Januar dieses Jahres starb im US-Bundesstaat Louisiana erstmals ein Mensch, der mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert war. Der 65-Jährige soll Kontakt mit Vögeln in seinem Garten und mit Wildvögeln gehabt haben. In Deutschland wurde bislang weder eine Infektion noch ein Todesfall bekannt. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat nach dem Ausbruch in den USA als Vorsichtsmaßnahme in verschiedenen Regionen Deutschlands fast 2.000 Proben aus Milchtanks untersucht - H5N1 wurde nicht nachgewiesen.
Gibt es einsehbare Daten zu aktuellen Entwicklungen bei der Vogelgrippe?
In Deutschland ist Vogelgrippe meldepflichtig. Über das Tierseucheninformationssystem TSIS werden Infektionsgeschehen deutschlandweit erfasst. Das Friedrich-Loeffler-Institut pflegt ein Dashboard zu den jeweils kursierenden Genotypen von H5N1 - bislang sind mehr als 100 verschiedene Genotypen nachgewiesen.
Gibt es eine Impfung gegen das Vogelgrippe-Virus H5N1?
Ja, bereits 2008 wurde in der EU ein erster Impfstoff für Menschen gegen das Vogelgrippe-Virus H5N1 zugelassen. In Deutschland ist eine Impfung für Menschen bisher nicht geplant, da die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, äußerst gering ist. Lediglich in Finnland als erstem Land weltweit können sich seit Kurzem Menschen impfen lassen. Aufgrund der hohen Zahl von Pelztierfarmen besteht dort ein erhöhtes Risiko, sich etwa bei Nerzen anzustecken. Mittlerweile gibt es auch einen Impfstoff für Geflügel, der allerdings bislang in Deutschland noch nicht zugelassen ist. Frankreich hatte im Sommer eine Notfallzulassung erteilt. Dort wird der Impfstoff genutzt, um Enten zu immunisieren.
Können sich Hunde und Katzen anstecken?
Das Risiko gilt als sehr gering. Allerdings sollte ein direkter Kontakt von Hunden und Katzen mit toten oder kranken Vögeln vermieden werden. Sie können Vogelgrippe-Viren verbreiten, wenn sie tote Wildvögel finden und diese verschleppen. Bei industriell produziertem Tierfutter in Deutschland ist davon auszugehen, dass die hohen Herstellungsstandards eine Belastung mit den Erregern ausschließen. Selbst zubereitetes Futter mit Geflügelfleisch sollte über 70 Grad erhitzt werden, um Influenzaviren abzutöten.
Was sollte man beim Kochen beachten?
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) liegen bisher keine Daten vor, die belegen, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert hätten und erkrankt wären. Eine Übertragung des Erregers über infizierte Lebensmittel könne aber nicht ausgeschlossen werden. Daher empfiehlt das Institut, rohe Geflügelprodukte und andere Lebensmittel getrennt zu lagern und zuzubereiten - insbesondere dann, wenn die anderen Lebensmittel nicht noch einmal erhitzt werden. Geräte und Oberflächen, die mit rohem Geflügelfleisch in Berührung gekommen sind, sollten gründlich mit warmem Wasser und Spülmittel gereinigt werden. Das Verpackungsmaterial und Auftauwasser am besten sofort entsorgen und die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen. Geflügelspeisen sollten mindestens zwei Minuten lang bei einer Temperatur von mindestens 70 Grad durchgegart werden. Bei Eiern gilt: mindestens sechs Minuten lang kochen, bis Eiweiß und Eigelb fest sind.
Kann man sich über das Trinkwasser infizieren?
Trinkwasser wird in Deutschland vorwiegend aus Tiefbrunnen gewonnen. Das gewährleistet nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung eine hohe Sicherheit. Dort, wo Trinkwasser aus Oberflächenwasser gewonnen wird, werden den Angaben zufolge aufwendige technische Verfahren eingesetzt, um die Vorgaben der Trinkwasserverordnung zu erfüllen. Eine Kontamination mit Vogelgrippe-Viren gilt deshalb als nahezu ausgeschlossen.
Können Salat, Gemüse und Obst Vogelgrippe-Viren enthalten?
Salat, Gemüse und auch Obst, die im Freiland angebaut werden, sind einer Verschmutzung durch Vogelkot grundsätzlich ausgesetzt. Das Virus kann somit auch übertragen werden. Der Erzeugerbetrieb ist aber angehalten, seine Produkte bereits vor der Lagerung grob zu reinigen. Vor der Zubereitung bzw. vor dem Verzehr sollten die Lebensmittel gründlich gewaschen werden. Gemüse, das erhitzt wird, bietet zusätzlichen Schutz vor Infektionen.
Kann Milch Vogelgrippe-Viren enthalten?
Bei Untersuchungen in den USA wurden Spuren des H5N1-Virus in pasteurisierter Milch nachgewiesen. Infektiös war die Milch aber nicht. Bei der Pasteurisierung der Milch werden die Viren abgetötet. Über die Frage, warum Rinder an der Vogelgrippe erkranken, und über das Vorkommen der Viren in Milch forschen derzeit Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Ostsee-Insel Riems.
Welche Vorsichtsmaßnahmen werden empfohlen?
Um eine Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern, gibt es die Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest. Sie wird ständig aktualisiert. Auch das Friedrich-Loeffler-Institut hat Empfehlungen für Schutzmaßnahmen zusammengestellt. So sollten Geflügelhalter unter anderem darauf achten, die direkten und indirekten Kontaktmöglichkeiten zwischen ihren Tieren und wilden Wasservögeln zu minimieren.
Wann muss Hausgeflügel in den Stall?
Über eine Stallpflicht, auch Aufstallungsgebot genannt, entscheiden die jeweiligen Bundesländer beziehungsweise die einzelnen Landkreise - je nachdem, wie bedrohlich die Situation ist. Geflügelhalter sollten sich daher bei den Behörden in ihrer Nähe informieren - zum Beispiel bei den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern. Wird eine Stallpflicht verhängt, spielt die Anzahl der gehaltenen Tiere keine Rolle. Auch zoologische Gärten müssen sich an die Stallpflicht für Vögel halten. Bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß kann ein Bußgeld verhängt werden. Einen bundes- oder landeseinheitlichen Bußgeldkatalog gibt es nicht.
Welche Regeln gelten in den Sperrgebieten?
Die zuständigen Kreise können Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete rund um die Fundorte von an Geflügelpest erkrankten Wildvögeln und betroffenen Tierhaltungen einrichten. Sperrbezirke haben mindestens einen Radius von drei Kilometern, sie werden an den Hauptzufahrtswegen mit Schildern gekennzeichnet. Beobachtungsgebiete haben einen Radius von mindestens weiteren sieben Kilometern, also zehn Kilometer insgesamt. In diesen Gebieten gelten Beschränkungen für Geflügelhaltungen: Geflügel muss im Stall gehalten und darf nicht transportiert werden - im Sperrbezirk 21 Tage ab dem letzten Geflügelpest-Nachweis, im Beobachtungsgebiet 15 Tage. Geflügel im Sperrbezirk wird regelmäßig untersucht. Zudem gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen bei Stallhygiene, Reinigung und Desinfektion. Außerdem dürfen Hunde und Katzen nicht frei herumlaufen.
Dürfen bei Stallpflicht Eier als "Freiland" verkauft werden?
Ja, allerdings nur eingeschränkt - und zwar für einen Zeitraum von maximal 16 Wochen, nachdem die Stallpflicht amtlich beschlossen wurde. So lange dürfen Eier von Legehennen, obwohl sie nur im Stall waren, nach EU-Vorgaben weiter als "aus Freilandhaltung" verkauft werden. Danach müssen die Eier mit "aus Bodenhaltung" gekennzeichnet werden. Bio-Eier hingegen dürfen auch während einer längeren Stallpflicht als solche vermarktet werden.
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