ME/CFS: Symptome, Diagnose und Behandlung

Stand: 10.01.2025 11:02 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Die Krankheit ME/CFS schränkt das Leben Betroffener massiv ein. Die Symptome machen Anstrengung oft unmöglich. Das Problem: Sowohl die Diagnose als auch die Behandlung ist nach wie vor schwierig.

von Elena Zelle-Möhlmann

Vielen ist ME/CFS seit der Corona-Pandemie als Folge einer COVID-Infektion ein Begriff. Doch tatsächlich waren bereits vor der Pandemie schätzungsweise rund 250.000 Menschen in Deutschland von der neurologischen Erkrankung betroffen - darunter etwa 40.000 Kinder und Jugendliche. Fachleute gehen davon aus, dass sich die Zahlen durch die Pandemie ungefähr verdoppelt haben. Frauen sind häufiger von ME/CFS betroffen als Männer.

Schätzungen zufolge sind mehr als die Hälfte der Patienten und Patientinnen arbeitsunfähig, rund ein Viertel aller an ME/CFS Erkrankten kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen. Das Leid der vielen Betroffenen und deren Angehörigen ist groß. Dennoch sind die genauen Mechanismen der Erkrankung, die Ursachen und leider auch Behandlung und Heilung nach wie vor Gegenstand der Forschung, die in Deutschland erst seit etwa 2020 öffentliche finanzielle Unterstützung bekommt. Zudem stoßen Betroffene nach wie vor sowohl bei ihren Mitmenschen als auch bei Ärztinnen und Ärzten oft auf Unwissenheit und Unverständnis.

Definition der Krankheit: Was ist ME/CFS?

ME/CFS wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als neurologische Erkrankung eingestuft. Neurologische Erkrankungen betreffen das Gehirn und das Nervensystem. Dazu zählen auch Krankheiten wie Parkinson, Demenz und Migräne. Die Abkürzung ME steht für Myalgische Enzephalomyelitis. Myalgie ist der medizinische Begriff für Muskelschmerzen, Enzephalomyelitis bedeutet eine Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks. CFS ist die Abkürzung für das Chronische Fatigue Syndrom. Und auch wenn es ähnlich klingt, ist ME/CFS nicht mit Fatigue gleichzusetzen. Fatigue, also eine ausgeprägte körperliche Schwäche, tritt im Rahmen von schweren chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs auf und ist auch eines der Hauptsymptome von ME/CFS.

Symptome von ME/CFS

Neben Fatigue ist die komplexe Erkrankung vor allem gekennzeichnet durch die sogenannte Post-Exertionelle Malaise (PEM). Damit ist eine anhaltende Verstärkung aller Symptome nach Anstrengung gemeint.

  • Symptome des autonomen Nervensystems: Herzrasen, Schwindel, Blutdruckschwankungen, Benommenheit, orthostatische Intoleranz (der Körper Betroffener kann sich nicht an eine aufrechte Position etwa im Sitzen oder Stehen anpassen)
  • Immunologische Symptome: Krankheitsgefühl, schmerzende und geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Infekte, Infektanfälligkeit
  • Schmerzen: der Muskeln, Gelenke, Kopfschmerzen
  • Schlafstörungen: Ein- und Durchschlafstörungen, verschobener Tag-Nacht-Rhythmus, nicht erholsamer Schlaf
  • Neurologische Symptome: Brain Fog (Gehirnnebel), Konzentrations-, Merk- und Wortfindungsstörungen
  • Überempfindlichkeit auf Sinnesreize wie Licht oder Geräusche

Was ME/CFS für Betroffene bedeutet: Schweregrade der Krankheit

Die Symptome verschlechtern die Lebensqualität bei Betroffenen oftmals massiv und führen je nach Schweregrad zu erheblichen Einschränkungen. ME/CFS wird in vier Schweregrade eingeteilt:

  • mild: Betroffene sind eingeschränkt und verzichten oft zugunsten ihrer Arbeit oder Ausbildung auf Freizeitaktivitäten.
  • moderat: Betroffene sind stark eingeschränkt. Meist müssen sie ihren Job aufgeben. Oft schwanken ihre Symptome und verschlechtern sich nach Anstrengung.
  • schwer: Für diese Gruppe sind meist nur minimale Aufgaben wie Zähneputzen möglich. Sie benötigen Unterstützung etwa beim Duschen und Kochen. Oft sind sie auf den Rollstuhl angewiesen, haben starke Symptome und ihr Leben spielt sich meist im Haus ab.
  • sehr schwer: Die Betroffenen sind bettlägerig und können in der Regel kaum sprechen, nicht selbstständig essen und werden oft über eine Sonde ernährt. Sie sind extrem empfindlich gegenüber Reizen wie Geräusche oder Licht.

Corona und andere Infektionen: Ursache und Auslöser von ME/CFS

Die genaue Ursache der Erkrankung ist nicht geklärt. Derzeit nehmen Forschende auf der Grundlage von Studien eine Autoimmunerkrankung sowie eine schwere Störung des Energiestoffwechsels an. Auslöser ist häufig eine Infektionskrankheit wie Pfeiffersches Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus), Grippe oder eben eine Coronainfektion. Warum manche Menschen nach diesen Erkrankungen ME/CFS bekommen und andere nicht, ist bislang nicht erforscht.

Diagnose von ME/CFS

Ähnlich sieht es in Sachen Diagnostik aus: Es gibt kein spezielles Merkmal, das Ärzte im Blut oder Gewebe messen und an dem sie ME/CFS diagnostizieren können. Stattdessen schließen Medizinerinnen und Mediziner andere Erkrankungen, die Ursache für die Beschwerden sein können, aus. Zudem wird ein Kriterienkatalog (Kanadische Konsenskriterien (CCC)) verwendet. Demnach müssen die Symptome von ME/CFS neu aufgetreten sein und mindestens sechs Monate bestehen. Außerdem müssen als Symptome PEM und Fatigue bestehen sowie eine festgelegte Anzahl an weiteren Symptomen aus den unterschiedlichen Kategorien. Allerdings ist das Wissen um ME/CFS noch nicht in der breiten Masse angekommen - weder in der Allgemeinbevölkerung noch unter Medizinerinnen und Medizinern, sodass Betroffene oft auf Unverständnis stoßen, ihre Beschwerden als psychisch bedingt abgetan werden oder ihnen falscher Rat gegeben wird.

Keine Behandlung zur Heilung bekannt

Das Problem: Selbst wenn die Diagnose ME/CFS gestellt wird, bedeutet das nicht unbedingt, dass Betroffenen auch geholfen werden kann. Denn eine Therapie zur Heilung gibt es bislang nicht. Gleiches gilt für Medikamente die direkt gegen ME/CFS wirken - daran wird derzeit noch geforscht. Deshalb wird in der Regel versucht, einzelne Symptome wie zum Beispiel Schlafstörungen oder Schmerzen medikamentös zu behandeln. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, mit den seelischen Belastungen durch die Erkrankung besser zurecht zu kommen. Manche Betroffene versuchen, mit Alternativ- oder Komplementärmedizin ihre Beschwerden zu lindern. Wichtig zu wissen: Die Kosten dafür müssen sie meist selbst tragen und wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit solcher Methoden gibt es nicht.

Das können Betroffene tun: Pacing

Vielen Betroffenen bleibt daher nur, mit der wenigen Energie gut zu haushalten. Das nennt sich Energiemanagement oder Pacing. Aktivitäten werden dabei möglichst so geplant, dass sie die eigene Belastungsgrenze nicht überschreiten. Das soll vermeiden, dass die Symptome sich nach der Aktivität verschlechtern oder Betroffene gar einen sogenannten Crash erleben - das bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie körperlicher Zusammenbruch. Dieser kann wochen- oder monatelang anhalten. Für Schwerstbetroffene ist Pacing nicht möglich, denn bei ihnen kann es einen Crash auslösen, wenn sie gewaschen werden, Geräusche hören oder es zu hell ist.

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NDR Fernsehen | Visite | 12.11.2024 20:15 Uhr

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