"Tatort soziale Netzwerke": Wie umgehen mit Verschwörungsmythen?
Das Projekt "Tatort soziale Netzwerke" soll junge Menschen in Schleswig-Holstein für das Thema Fake News und Verschwörungsmythen im Netz sensibilisieren. Am Montagabend war die Auftaktveranstaltung dazu im Landeshaus von Schleswig-Holstein in Kiel.
Montagabend, 18 Uhr: Der Konferenzsaal des Landeshauses ist gut gefüllt. Etwa 100 Interessierte sind zum Gespräch mit Katharina Nocun gekommen. Die Publizistin, Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin gilt vielen als Expertin, wenn es um Fake News und Verschwörungsmythen geht. Auch Inga Asmussen ist da. Sie ist Landesverbindungslehrerin für die Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein. Das Thema des Abends sei in ihrem Umfeld schon länger sehr präsent. "Auf unserem letzten Landesschülerparlament haben wir über Fake News gesprochen und sind mit den Schülerinnen und Schülern in den Dialog darüber gekommen. Die haben viele kluge Dinge dazu gesagt und unsere Expertin hat uns da auch sehr weitergeholfen."
Ukraine-Krieg auf TikTok und Co.: "Ist das jetzt echt?"
Neben ihr steht Angelos Andreadis aus Malente, stellvertretender Landesschülersprecher der Gemeinschaftsschulen. Fake News und Verschwörungsmythen seien an seiner Schule definitiv ein Thema, das immer wichtiger werde. "Als der Ukraine-Krieg begann, hat man alle möglichen Sachen auf TikTok und Instagram gesehen", so Andreadis. "Da weiß man natürlich nicht: Ist das jetzt echt oder nicht? Von daher würde ich schon sagen, dass Aufklärung wichtig ist."
Bis zu einem Drittel der Deutschen empfänglich für Verschwörungsmythen
Nocun erzählt von Studien, nach denen ein Viertel bis ein Drittel der Deutschen empfänglich sind für Verschwörungsmythen. "Vor der Pandemie hat es uns oft nicht so gestört, wenn beispielsweise Onkel Werner am Mittagstisch irgendetwas komisches zu Nine Eleven sagt", so Nocun. "Spätestens während der Pandemie war es dann aber plötzlich so, dass Onkel Werner gesagt hat: Ich lasse mich nicht impfen, ich halte keinen Abstand, ich teste mich nicht, bevor ich die kranke Oma besuche. Und da wurde das plötzlich auch zum Streitthema in Familien."
QAnon: Verschwörungserzählungen im Remix
Verschwörungsideologien funktionieren gerade deshalb, weil Wissenslücken ideologisch besetzt werden, sagt Katharina Nocun. Und dann gebe es das Immer-Weiter-Erzählen typischer Narrative. "Den Mythos der jüdischen Weltverschwörung trifft man auch auf verschwörungsideologischen Corona-Demos", sagt Nocun. "Und wenn man sich QAnon anschaut, also diese Gruppierung, die Trump als Messias feiert, dann entdecken wir da so eine Art Remix von Mythen, die schon im Mittelalter kursiert haben, wo es hieß, dass Juden Kinder entführen würden. Heutzutage wird so etwas den politischen Gegnern von Donald Trump angedichtet."
Mehr als 80 Workshops zum Thema geplant
Mit der Veranstaltung beginnt ein Projekt, das Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte in mehr als 80 Workshops ins Gespräch bringen will. Wie sieht Nocun die Chancen, den medienaffinen Nachwuchs zu erreichen? "Natürlich geht es darum, das Thema spannend zu verpacken und an den Alltag der Jugendlichen anzudocken", so die Publizistin. "Man muss sich einfach klarmachen, dass Verschwörungserzählungen auf so gut wie jeder Social-Media-Plattformen präsent sind. Viele Rapper haben Songs, in denen antisemitische Codes drin vorkommen. Es ist wichtig, dass man so etwas im Unterricht behandelt, damit die Jugendlichen das einordnen können."
Richtiger Umgang mit Quellen und Medienkompetenz als Rüstzeug
Es entwickelt sich ein Abend mit gut zwei Stunden Diskussion - und der Erkenntnis, dass der Umgang mit Verschwörungserzählern und ihrer Beeinflussung im Internet nicht einfach wird. Christian Meyer-Heidemann, Schleswig-Holsteins Landesbeauftragter für politische Bildung und Mitorganisator des Projektes, freut sich jedenfalls, dass genau solche Gespräche jetzt noch mehr in den Schulen stattfinden. "Dadurch, dass Schülerinnen und Schüler mehr soziale Medien nutzen als die Älteren, kommen sie natürlich auch mehr in Kontakt mit Verschwörungstheorien", erklärt Meyer-Heidemann. "Deswegen ist es wichtig, dass wir zeigen, wie Verschwörungstheorien funktionieren und wie man ihnen entgegenwirken kann - wenn man mit Quellen umgehen kann und Medienkompetenz besitzt. Deswegen wollen wir das in Schleswig-Holstein jetzt in der Breite anbieten."