Postpartale Depression: Noch immer ein Tabu
Unverstanden und allein: Jede fünfte Frau erkrankt nach der Geburt an einer postpartalen Depression, auch Wochenbettdepression genannt. Häufig wird sie nicht erkannt oder tabuisiert. Betroffene Frauen schweigen oft - aus Scham.
"Die Kunst hat mich schon so oft in meinem Leben gerettet. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es wäre, dieses Ventil nicht zu haben", sagt Cornelia Tae. Vor 14 Jahren wird die Künstlerin Mutter. Die gebürtige Rumänin hatte sich sehr auf ihr erstes Kind gefreut. Tochter Sofia ist ein Wunschkind. Direkt nach der Geburt ist alles, wie erwartet, perfekt:
"Die ersten zwei Wochen waren absolut fantastisch, ich hatte noch nie so ein intensives Glücksgefühl erlebt. Aber dann fing ich an, mich so müde zu fühlen. Es hat mit Erschöpfung und so einer Art Hirnnebel begonnen", berichtet sie. "Mit dem Herbst, der Dunkelheit, dem Regen und als der Alltag einsetze, in dem ich viel allein war, kamen diese unglaublich schweren Gedanken zu Besuch und gingen irgendwann gar nicht mehr weg."
Postpartale Depression: Ernsthafte psychische Erkrankung, die behandelt werden muss
Es sind Erinnerungen an die schlimmste Zeit ihres Lebens. Tief vergraben in der hintersten Kellerecke sind ihre düsteren Bilder aus eben dieser Zeit, die ihr damals die Augen öffneten: "Meine Tochter war im Kindergarten und ich hatte alle Zeichnungen auf dem Holzboden ausgebreitet, weil ich einige für eine Ausstellung auswählen wollte. Oh, wenn ich daran denke", sagt die Künstlerin. "Was ich da sah, das war so verstörend - all diesen Schmerz, diesen Kummer und diese Schwere zu sehen, die da in den Bildern steckt. Damals ist mir schlagartig klar geworden: Ich bin krank."
Ungehört und mutterseelenallein: Jede fünfte Frau erkrankt nach der Geburt an einer postpartalen Depression. Wie bei Cornelia Tae wird die Wochenbettdepression häufig viel zu spät erkannt, weil sie mit dem Baby-Blues direkt nach der Geburt verwechselt wird. Aber: Eine postpartale Depression ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die behandelt werden muss.
Cornelia Tae: "Ich hab mich so geschämt"
"Jede dieser Puppen ist ein Porträt einer bestimmten Angst, die ich zu der Zeit mit mir herumgetragen habe", erinnert sich Tae. "Wir wohnten damals an einem See, und irgendwie entstanden in meinem Kopf diese Horrorbilder, wie meine Tochter in dem See ertrinkt. Diese Albträume hatte ich in der Nacht, wenn ich schlief. Und sie kamen am Tag, wenn ich wach war." Cornelia Tae entwickelt übertriebene Ängste, ist überzeugt, keine gute Mutter zu sein: "In einer Nachsorgeuntersuchung habe ich sogar den Arzt belogen. Es war, als ob ich meine Tochter und mein Glück, ein gesundes Kind und eine glückliche Familie zu haben, verrate, wenn ich gesagte hätte: Ich bin sehr unglücklich. Ich hab mich so geschämt dafür."
Zweieinhalb Jahre vertraut sie sich keinem an, ihre Ehe geht schleichend kaputt und niemand bemerkt die Krankheit. Cornelia Tae lebt zu der Zeit in Dänemark, da, wo die Menschen am glücklichsten sind. Das erhöht den Druck zusätzlich. "Die Rolle der Mutter, die ich in Dänemark sah, unterschied sich definitiv sehr von der, die ich aus meiner Kindheit in Rumänien kannte", erklärt sie. "Dänische oder auch deutsche Mütter wirken erfolgreich und mühelos, alles wirkt perfekt. Ich selber tat mich so schwer. Das fühlte sich schrecklich an."
Eine postpartale Depression kann jede Frau treffen
Postpartale Depressionen sind ein Tabu. Schuld daran, sagt Cornelia Tae, seien die betroffenen Frauen auch selbst, weil sie schweigen. Ein Teufelskreis, den sie mit ihrer Kunst durchbrochen hat. Rechtzeitig erkannt, ist diese Krankheit gut therapierbar. "Die Kunst hat definitiv meine Seele geheilt, immer dann, wenn es schwierig war", sagt Tae heute. "Die Message, die ich mit diesen Bildern weitergeben möchte, ist, dass jede Form von Kreativität Gefühlen und Gedanken, auch den schlechten, eine Stimme geben kann. Sobald sie aus diesem Gefängnis ans Licht kommen, ist man schon auf dem Weg der Heilung."
Ihre Tochter Sofia ist jetzt schon ein Teenager, sie leben inzwischen in Hamburg. Cornelia Tae hat eine enge Bindung zu ihr. Eine postpartale Depression kann jede Frau treffen, aus heiterem Himmel, mit voller Wucht. Eine Krankheit, die unbehandelt, schlimme Folgen haben kann. "Ich habe die postpartalen Depressionen überwunden und das ist ein riesiges Glück. Trotzdem fühle ich mich auch traurig, weil ich die ersten zwei Jahre meiner Tochter verpasst habe. Ich war zwar physisch anwesend, aber ein großer Teil von mir eben nicht. Die Traurigkeit darüber werde ich für den Rest meines Lebens mit mir herumtragen." Cornelia Tae spricht mutig über das entsetzliche Leid so vieler junger Mütter. Aber sich selbst zu verzeihen, fällt ihr immer noch schwer.