Daniel Richter: Künstler-Star mit bewegter Vergangenheit
Daniel Richter ist in Eutin geboren, in Lütjenburg aufgewachsen und in Hamburg zum Maler geworden. Er gilt schon länger als einer der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Künstler der Gegenwart.
Daniel Richters Lebenslauf ist einer dieser Lebensläufe, die sich gut als Beispiel dafür anführen lassen, dass man es trotz Brüchen in der Biografie, trotz gelegentlichem Scheitern und viel Ziellosigkeit doch zu großem Erfolg bringen kann. Richter brach Schule und Ausbildung ab, hat kein Abitur, war obdachlos und arbeitslos. Heute ist er einer der gefragtesten Maler seiner Generation, stellt weltweit aus, seine Werke erzielen auf Auktionen bis zu 1,4 Millionen Euro. Wie konnte es dazu kommen?
Kindheit in der schleswig-holsteinischen Provinz
Geboren wurde Daniel Richter am 18. Dezember 1962 in Eutin, aufgewachsen ist er in Lütjenburg, als eines von vier Geschwistern. Seine Mutter war Hausfrau und Verkäuferin, sein Vater LKW-Fahrer. Während Richters Kindheit in der schleswig-holsteinischen Provinz konnte niemand ahnen, zu welch internationalem Ruhm der Junge es einmal bringen würde. Dass er Maler werden würde, schien aber früh klar. Sein Vater und vor ihm schon der Großvater waren leidenschaftliche Hobbymaler. Daniel, so erzählen es später die Geschwister, wünschte sich schon früh Malstifte zu Weihnachten.
Wegbegleiter von Schorsch Kamerun und Rocko Schamoni
1980 ging er nach Hamburg, machte Zivildienst in der Altenpflege, schloss nebenbei Freundschaften in der Hausbesetzer-Szene. Zu seinen frühen Wegbegleitern gehören unter anderem Schorsch Kamerun und Rocko Schamoni, beide wie er ebenfalls der Ödnis ihrer norddeutschen Heimatorte entflohen. In seinen frühen Hamburger Jahren hielt Richter sich über Wasser, indem er T-Shirts auf Straßenfesten bemalte. Für mehr Lebensqualität stahl er gelegentlich Lebensmittel in Delikatessengeschäften und gute Bücher, wie er später wenig reumütig in Interviews bekannte.
Daniel Richter: Schüler von Werner Büttner
1991 bewarb Richter sich an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste. Dazu bewogen habe ihn, dass er schon 29 war, die Hochschule kein Abitur verlangte und die Aussicht auf Bafög, wie er später erzählte. In seiner Bewerbungsmappe lag unter anderem ein Bild, das sich über die damals wichtigsten deutschen Maler lustig machte: Eine durchgepauste Zeichnung von Georg Baselitz, A.R. Penck und Jörg Immendorff mit der Bildunterschrift: "Die waschen ihre Schwänze nicht". Die Auswahlkommission lehnte ihn ab, doch Professor Werner Büttner, früher selbst ein "junger Wilder", legte sein Veto ein und hievte ihn ins Studium. Ein weiterer berühmter Schüler von Werner Büttner war übrigens Jonathan Meese, mit dem Richter bis heute eine enge Freundschaft verbindet.
Erste Einzelausstellung in der Kunsthalle Kiel
2001, mit Ende 30, hatte Daniel Richter seine erste Einzelausstellung in der Kunsthalle Kiel. Dort waren auch die Cover und Plakate zu sehen, die er für die Goldenen Zitronen und andere Punkbands gemacht hatte, im Auftrag des Hamburger Independent-Labels Buback. Für das 1987 gegründete Label, dessen Durchbruch 1998 mit dem Album "Bambule" der HipHop-Band Absolute Beginner kam, entwarf Daniel Richter einst die allerersten Plattencover - seit 2005 ist er alleiniger Inhaber von Buback.
Fluchtkrise und Abschottung Europas als Themen
Auf das Ausstellungsdebüt in Kiel folgte später der große Durchbruch, Ausstellungen in London, New York, Los Angeles, der Frankfurter Schirn und immer höhere Auktionspreise für seine Werke. Sein Stil: Bunt, grell, exzessiv, bis circa 2000 ausschließlich abstrakt, danach zunehmend figurativer und erzählerischer. Und fast immer irgendwie provokant und politisch. Ab den frühen 2000er-Jahren malte er immer wieder Bilder, die mehr oder weniger deutlich auf die Fluchtkrise und die sich immer weiter abschottende Festung Europa anspielten. Das Bild "Tarifa" aus dem Jahre 2001 etwa zeigt eine Gruppe von Menschen, die aneinander geklammert in einem Schlauchboot durch die Dunkelheit schweben. Und "Flash", ein Jahr später entstanden, zeigt ertrinkende Menschen, die an einem gekenterten Kahn Halt suchen.
Hamburg aus Ärger über der Kulturpolitik verlassen
2004 übernahm Richter eine Professur an der Universität der Künste in Berlin, die er zwei Jahre später entnervt wieder hinschmiss. Zitat: "Ich habe noch nie an so einer Scheißhochschule gearbeitet!" Seit 2006 ist er Professor an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Leben tut er trotzdem in Berlin. 2010 hatte Richter gemeinsam mit seiner damaligen Frau, der Theaterregisseurin Angela Richter, seiner Wahlheimat Hamburg öffentlichkeitswirksam den Rücken gekehrt, aus "Ärger über die Hamburger Kulturpolitik". In Berlin lebt und arbeitet er immer noch, inzwischen zusammen mit seiner zweiten Frau Hanna Putz, einer österreichischen Fotografin.
"Furor II.“: Daniel Richters jüngste Gemälde-Serie
Immer wieder gönnt sich Richter kreative Auszeiten, zeigte zwischendurch mal drei Jahre lang gar keine neuen Werke, um sich dann auf einen Schlag mit 22 frischen Bildern zurückzumelden. Wie 2015 geschehen, als er in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt mit der Ausstellung "Hello, I love You" die Früchte einer neuen, noch knalligeren Schaffensphase präsentierte. Über seinen Alltag im Atelier sagte Daniel Richter mal, dass er das Malen an sich gar nicht so möge, immer sei alles so klebrig und die Finger so schmutzig. Am Liebsten wäre es ihm, wenn die Bilder sich von alleine malten, während er lese oder Platten sortiere. Er malt trotzdem weiter. Seine jüngste Serie riesiger, bunter Ölgemälde ist aktuell in Los Angeles ausgestellt und heißt "Furor II."