Buchcover: Melara Mvogdobo, "Großmütter" © Transit
Buchcover: Melara Mvogdobo, "Großmütter" © Transit
Buchcover: Melara Mvogdobo, "Großmütter" © Transit
AUDIO: Neue Bücher: "Großmütter" von Melara Mvogdobo (5 Min)

Roman "Großmütter": Schmerzhafte Erinnerungen an lieblose Frauen

Stand: 04.03.2025 15:49 Uhr

Melara Mvogdobos Roman "Großmütter" handelt von zwei Frauen, die eine aus der Schweiz, die andere aus Kamerun. So unterschiedlich die Kulturen sind, so vergleichbar ist die herabwürdigende Art, wie mit Frauen umgegangen wird.

von Annemarie Stoltenberg

Es ist ein schmaler Band, der es allerdings in sich hat. Aufwendig gedruckt in zwei verschiedenen Farben, einer schwarzen Schrift und einer Schrift in einem rostroten Ton. In schwarzer Schrift erzählt eine alte Frau von ihrem Leben auf einem Schweizer Bauernhof. Es war ein hartes Leben. Nun liegt sie im Krankenhaus und wartet auf den Besuch der Tochter, die sich von ihr verabschieden wird:

Mein Leben ist gelebt. Die Tat vollbracht. Darüber will ich noch eine Weile nachdenken. Und dann ist es gut. (…) Meine Tochter kann ich nicht hören. Vielleicht weint sie. Ich vermute eher nicht. Wir sind nicht so eine Familie, in der man Gefühle offen zur Schau trägt. Auf jeden Fall nicht die Trauer und auch die Freude nicht. Den Zorn vielleicht. Zorn stand von jeher aber nur den Männern zu. Leseprobe

So steigen wir in die Gedankenwelt der Großmutter in der Schweiz ein.

Zwei Leben voller Erniedrigungen und Gewalt

Der innere Monolog der zweiten, in Ich-Form erzählenden Großmutter ist in rostroter Schrift gedruckt. Sie lebt in Kamerun und erinnert sich an die Bürde und die Schmerzen ihres Lebens. Ihr Ehemann, der sie jahrelang gedemütigt, erniedrigt und geschlagen hat, lässt sich von ihr ins Krankenhaus bringen. Er schreit und jammert, aber die Kraft, es an seiner Frau auszulassen, hat er noch. Sie denkt:

Genug ist genug. Ich glühe innerlich vor Zorn. Während vor all diesen Leuten im Wartesaal des Arztes ein weiteres Stück meiner Würde sich ins Nichts auflöst. Leseprobe

Sie hat als junge Frau durchaus Widerstand geleistet in einer absolut von Männern dominierten Welt. Sie hat sich bei ihrer Eheschließung gegen die gängige Konvention gewehrt, einer Ehe mit Polygamie zuzustimmen. Das wurde damals von ihr erwartet. Sie erntete nicht nur böse Blicke und Buhrufe für ihre Entscheidung von beiden Familien - schließlich hat sie einen darüber dauerhaft wütenden Ehemann.

Die Schweizer Großmutter erinnert sich, wie es war, als sie ungewollt schwanger wurde, und alle ihr die Schuld dafür gaben. Als sie die Schmerzen bei der Geburt ihres Kindes erleidet, sollte ihr die Mutter eigentlich beistehen. Sie sagt:  

Als du dem Knecht schöne Augen gemacht hast, hast du nicht geschrien. Verderbte Worte hast du ihm ins Ohr geflüstert. Viele Stunden später. Endlich ist es vorbei. Es ist ein Bub. Franzli soll er heißen. Meine Mutter runzelt missbilligend die Stirn. Leseprobe

Das Kind nimmt man ihr weg, der kleine Sohn wächst bei einer Pflegefamilie auf. Manchmal sieht sie ihn auf dem Spielplatz...

Ähnliche Unterdrückung trotz unterschiedlicher Kulturen

Es ist schon erstaunlich, von diesen beiden Lebensläufen in Kamerun und in der Schweiz so eng nebeneinander geführt zu erfahren. So unterschiedlich die Kulturen sind, so vergleichbar ist die herabwürdigende Art, wie mit Frauen umgegangen wird.

Tragischerweise sind es in beiden Lebensgeschichten eben nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die mit anderen Frauen in den Unterdrückungsmustern beider Gesellschaftssysteme verhaftet und nur selten zu liebevollen Gesten gegenüber einer anderen Frau fähig sind. Es gibt dagegen in beiden Lebensberichten auch schöne Momente. Erstaunlich ist, wie beide Frauen in sich einen unzerstörten Kern in ihren Herzen bewahrt haben und Kraft daraus schöpfen.

Großmütter

von Melara  Mvogdobo
Seitenzahl:
128 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Transit
Bestellnummer:
978-3887474164
Preis:
18 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 04.03.2025 | 12:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Rote und rosafarbene Bücher stehen vor einen rosafarbenen Hintergrund. © IMAGO / Panthermedia

Neue Bücher 2025: Die interessantesten Neuerscheinungen

Neues gibt es beispielsweise von Wolf Haas, Antje Rávik Strubel oder Kristine Bilkau und vielen weiteren. Ein Vorausblick. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Cover: Tahsim Durgun, "Mama, bitte lern Deutsch" © Knaur HC

"Mama, bitte lern Deutsch!": Tahsim Durgun über Einwandererfamilien

Der Internet-Star rechnet ab: Sein preisgekröntes Buch schildert die Lebensrealität von Einwandererfamilien in Deutschland. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Hohe Preise - Welche Politik hilft?