Roman "Großmütter": Schmerzhafte Erinnerungen an lieblose Frauen
Melara Mvogdobos Roman "Großmütter" handelt von zwei Frauen, die eine aus der Schweiz, die andere aus Kamerun. So unterschiedlich die Kulturen sind, so vergleichbar ist die herabwürdigende Art, wie mit Frauen umgegangen wird.
Es ist ein schmaler Band, der es allerdings in sich hat. Aufwendig gedruckt in zwei verschiedenen Farben, einer schwarzen Schrift und einer Schrift in einem rostroten Ton. In schwarzer Schrift erzählt eine alte Frau von ihrem Leben auf einem Schweizer Bauernhof. Es war ein hartes Leben. Nun liegt sie im Krankenhaus und wartet auf den Besuch der Tochter, die sich von ihr verabschieden wird:
Mein Leben ist gelebt. Die Tat vollbracht. Darüber will ich noch eine Weile nachdenken. Und dann ist es gut. (…) Meine Tochter kann ich nicht hören. Vielleicht weint sie. Ich vermute eher nicht. Wir sind nicht so eine Familie, in der man Gefühle offen zur Schau trägt. Auf jeden Fall nicht die Trauer und auch die Freude nicht. Den Zorn vielleicht. Zorn stand von jeher aber nur den Männern zu. Leseprobe
So steigen wir in die Gedankenwelt der Großmutter in der Schweiz ein.
Zwei Leben voller Erniedrigungen und Gewalt
Der innere Monolog der zweiten, in Ich-Form erzählenden Großmutter ist in rostroter Schrift gedruckt. Sie lebt in Kamerun und erinnert sich an die Bürde und die Schmerzen ihres Lebens. Ihr Ehemann, der sie jahrelang gedemütigt, erniedrigt und geschlagen hat, lässt sich von ihr ins Krankenhaus bringen. Er schreit und jammert, aber die Kraft, es an seiner Frau auszulassen, hat er noch. Sie denkt:
Genug ist genug. Ich glühe innerlich vor Zorn. Während vor all diesen Leuten im Wartesaal des Arztes ein weiteres Stück meiner Würde sich ins Nichts auflöst. Leseprobe
Sie hat als junge Frau durchaus Widerstand geleistet in einer absolut von Männern dominierten Welt. Sie hat sich bei ihrer Eheschließung gegen die gängige Konvention gewehrt, einer Ehe mit Polygamie zuzustimmen. Das wurde damals von ihr erwartet. Sie erntete nicht nur böse Blicke und Buhrufe für ihre Entscheidung von beiden Familien - schließlich hat sie einen darüber dauerhaft wütenden Ehemann.
Die Schweizer Großmutter erinnert sich, wie es war, als sie ungewollt schwanger wurde, und alle ihr die Schuld dafür gaben. Als sie die Schmerzen bei der Geburt ihres Kindes erleidet, sollte ihr die Mutter eigentlich beistehen. Sie sagt:
Als du dem Knecht schöne Augen gemacht hast, hast du nicht geschrien. Verderbte Worte hast du ihm ins Ohr geflüstert. Viele Stunden später. Endlich ist es vorbei. Es ist ein Bub. Franzli soll er heißen. Meine Mutter runzelt missbilligend die Stirn. Leseprobe
Das Kind nimmt man ihr weg, der kleine Sohn wächst bei einer Pflegefamilie auf. Manchmal sieht sie ihn auf dem Spielplatz...
Ähnliche Unterdrückung trotz unterschiedlicher Kulturen
Es ist schon erstaunlich, von diesen beiden Lebensläufen in Kamerun und in der Schweiz so eng nebeneinander geführt zu erfahren. So unterschiedlich die Kulturen sind, so vergleichbar ist die herabwürdigende Art, wie mit Frauen umgegangen wird.
Tragischerweise sind es in beiden Lebensgeschichten eben nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die mit anderen Frauen in den Unterdrückungsmustern beider Gesellschaftssysteme verhaftet und nur selten zu liebevollen Gesten gegenüber einer anderen Frau fähig sind. Es gibt dagegen in beiden Lebensberichten auch schöne Momente. Erstaunlich ist, wie beide Frauen in sich einen unzerstörten Kern in ihren Herzen bewahrt haben und Kraft daraus schöpfen.
Großmütter
- Seitenzahl:
- 128 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Transit
- Bestellnummer:
- 978-3887474164
- Preis:
- 18 €
Schlagwörter zu diesem Artikel
Romane
