Der Sänger Bob Dylan steht auf einer Bühne mit einer Gitarre in der Hand, er singt in ein Mikrofon. © picture alliance / AP Images | Jeff Robbins Foto: picture alliance / AP Images | Jeff Robbins
Der Sänger Bob Dylan steht auf einer Bühne mit einer Gitarre in der Hand, er singt in ein Mikrofon. © picture alliance / AP Images | Jeff Robbins Foto: picture alliance / AP Images | Jeff Robbins
Der Sänger Bob Dylan steht auf einer Bühne mit einer Gitarre in der Hand, er singt in ein Mikrofon. © picture alliance / AP Images | Jeff Robbins Foto: picture alliance / AP Images | Jeff Robbins
AUDIO: Urban Pop über Bob Dylan (61 Min)

Urban Pop über Bob Dylan - Von Rebellion, enttäuschten Fans und Erfolg

Stand: 04.03.2025 15:00 Uhr

Bob Dylan wollte nie der "Hohepriester des Protests" sein, zu dem ihn Fans ernannten. Im NDR Kulturpodcast Urban Pop sprechen Peter Urban und Ocke Bandixen über den künstlerischen Wandel des Musikers in den Sechzigern.

Der junge Robert Allen Zimmerman wollte raus aus der für ihren Tagebau von Eisenerz bekannten Kleinstadt Hibbing in Minnesota. Bereits eine Weile hörte er im Radio Folk-, Blues- und Rockmusik, hatte Literatur lieben gelernt, spielte selbst Folksongs mit einem Freund. Also ging er mit knapp zwanzig Jahren dorthin, wo sich die Künstlerszene Anfang der Sechzigerjahre eben aufhielt: in den New Yorker Stadtteil Greenwich Village.

Doch es war nicht leicht, im "Village" einen Auftritt zu bekommen. "Dorthin kamen Künstler aus ganz Amerika. Es war sehr organisiert in den Clubs und es gab Hierarchien", erzählt NDR Musikexperte Peter Urban im Podcast Urban Pop. "Irgendwann ließen sie diesen Künstler, der sich Bob Dylan nannte, dann aber vorsingen. Seine raue, knarzige Stimme passte eigentlich nicht in die Szene, denn angesagt waren sanfte Folkstimmen. Doch welch großes Talent in diesem Provinzler aus Hibbing steckt, das war damals noch niemandem klar."

Weitere Informationen
Ein junger Mann sitzt in einem Aufnahmestudio umringt von Mikros - Szene aus dem Bob-Dylan-Film "Like A Complete Unknown" © 2024 Searchlight Pictures All Rights Reserved

"Like A Complete Unknown": Timothée Chalamet glänzt als Bob Dylan

Die Ausstattung ist brillant, der Cast um Schauspieler Chalamet hochkarätig. Bei den Oscars ging der achtmal nominierte Film jedoch leer aus. mehr

Zeitungsartikel ermöglicht Dylan ersten Plattenvertrag

Zwar hatte Dylan es nun endlich geschafft, im Village zu spielen. Doch einen Plattenvertrag zu bekommen, erwies sich trotzdem als schwierig. "Das Label 'Folkways' hat ihn abgelehnt", erzählt Urban. Erst, als der Journalist Robert Shelton ihn im 'Gerde's Folk City' sah und ein großer Artikel mit Lob über diesen Auftritt in der New York Times erschien, erlangte Dylans Musik Aufmerksamkeit. "Danach waren die Clubs voll, wenn er sang."

Am Erscheinungstag des Artikels war Dylan zufällig in den Columbia Studios, um bei einer Plattensession Mundharmonika zu spielen. Dylan zeigte dem dortigen Produzenten John Hammond kurzerhand den über ihn verfassten Artikel in der New York Times, woraufhin Hammond ihn unter Vertrag nahm. Für seine erste Platte, die schlicht "Bob Dylan" hieß, nahm er zwei eigene Songs auf, coverte den Rest. "Das Album wurde an einem Nachmittag und unter Produktionskosten von nur 400 Dollar 'heruntergespielt'", berichtet Urban. "Die Platte floppte ganz furchtbar, es wurden nur 5.000 verkauft."

Durchbruch beim "Newport Folk Festival"

"Nach dem Erscheinen des Artikels wurde Dylan von der Folkgemeinde als Vorzeigekünstler hervorgehoben", berichtet NDR Musikredakteur Ocke Bandixen. 1963 durfte er auf dem "Newport Folk Festival" spielen. "Dort aufzutreten, war ein Ritterschlag. Er sang 'Blowin' In The Wind' und die Leute hingen an seinen Lippen. Das war sein internationaler Durchbruch, raus aus den Clubs im Village und hinein in große Konzerthallen", erzählt Urban.

Einfluss von Freundin Suze Rotolo

Bob Dylan und seine damalige Freundin Suze Rotolo auf dem Cover seines Albums "The Freewheelin' Bob Dylan", das im Jahr 1963 veröffentlicht wurde. © picture alliance / dpa | Sony Music Foto: picture alliance / dpa | Sony Music
Das Cover des Albums "The Freewheelin' Bob Dylan" aus dem Jahr 1963. Darauf zu sehen: Bob Dylan mit seiner damaligen Freundin Suze Rotolo

1963 erscheint Dylans zweites und erfolgreicheres Album "The Freewheelin' Bob Dylan" mit dem Hit "Blowin' In The Wind". Auf dem Plattencover ist er Arm in Arm mit seiner damaligen Freundin Suze Rotolo zu sehen. Rotolo, die aus einer politisch linksgerichteten Familie stammt und Literatur studierte, nahm laut Urban großen Einfluss auf Dylans künstlerisches Schaffen: "Sie erzählte ihm viel über Politik und Literatur. Viele seiner politischen Songs und Liebeslieder wurden von ihr beeinflusst." Als Rotolo ein Auslandssemester in Italien macht und sich unsicher ist, ob sie zurückkehren soll, schrieb Dylan für sie den Song "Don't think twice, it's all right".

Kritischer Blick auf Politik und Gesellschaft

Auch Dylan's drittes Album "The Times They Are A-Changin'" aus dem Jahr 1964 wird ein Erfolg. Seine Songtexte sind in dieser Zeit geprägt von politischen und gesellschaftskritischen Themen. Dylan schreibt über Rassismus, Femizide und persönliche Schicksale, von denen er in der Zeitung erfährt. Der Song "The Lonesome Death of Hattie Carroll" aus dem Jahr 1964 erzählt von einer afroamerikanischen Frau, die von einem reichen weißen Mann aus einer Laune heraus erschlagen wird. Der Täter kommt mit einer milden Strafe davon. "Dylan spricht Ungerechtigkeiten an, über die damals kaum jemand gesungen hat", so Urban.

In "Only A Pawn In Their Game" prangert Dylan den strukturellen Rassismus an. Er kritisiert, dass arme weiße Arbeiter nur als Bauer im Spiel von Wirtschaftsbossen und Politikern fungieren. Urban berichtet: "Die weißen Arbeiter wandten sich damals gegen schwarze Menschen. Aber Dylan sagte: 'Die können nichts dafür, es sind die da oben.' Er hat diese politischen Zusammenhänge in seinen Songs ausgedrückt."

Mitte der Sechziger: Künstlerischer Wandel

Etwa ab der Mitte der Sechziger Jahre wandelte sich Dylan musikalisch. So nahm er Abstand von sogenannten "finger-pointing" Songs, in denen er Missstände in der Gesellschaft anprangerte. Er wollte kein "Protestsongler" mehr sein. Auch sein Sound veränderte sich. Zunehmend kamen Bass, Schlagzeug und elektrische Gitarre zum Einsatz. "Dylan war nun nicht mehr der 'Folkie', der sich gegen etwas aussprach. Sondern auf einmal sang er über skurrile, surreale Themen, die inhaltlich aber sehr kreativ waren", resümiert Urban.

Im Song "Desolation Row" erzählt er von einem obdachlosen Albert Einstein, der eine Zigarette schnorrt und an Abflussrohren schnüffelt, um "draufzukommen". "Man fragt sich schon, ob Dylan so wie einige andere Musiker in dieser Zeit Drogen genommen hat. Aber um kreative Poesie zu schreiben, brauchte er keine. Er hatte einfach viel Fantasie", berichtet Urban amüsiert.

Dylan, der Opportunist?

Dylans Abschied von den Protestsongs und den Auftritten im Village verärgerte damals viele Fans. Sie warfen dem Musiker vor, opportunistisch statt idealistisch zu handeln. Als Dylan 1965 mit "Like A Rolling Stone" einen seiner größten Hits landet und für diesen in Musikzeitschriften mit Lob überschüttet wird, wird er bei Auftritten von frustrierten Folk-Fans ausgebuht und als Verräter beschimpft.

In seinem 2004 erschienenen, autobiografischen Buch "Chronicles" schreibt Dylan über diese Zeit: "Ich hatte die Schnauze voll davon, dass ich zum Obermufti geweiht worden war. Dass man alles mögliche in meine Texte hineingeheimniste. Dass ihre ursprüngliche Bedeutung in etwas Polemisches verkehrt wurde, dass ich zum Hohepriester des Protests ernannt worden war." Bandixen resümiert: "Wenn Bob Dylan etwas macht, sind die Erwartungen groß. Aber seine Verweigerung, diese zu erfüllen, scheint seine Attraktivität nur noch mehr zu steigern."

Alle Folgen von Urban Pop hören Sie in der ARD Audiothek.

VORSCHAU: Trailer: "Like A Complete Unknown"- Chalamet spielt Bob Dylan (4 Min)

Weitere Informationen
Der kanadische Musiker Leonard Cohen sitzt im Jahr 1976 mit einer Mütze auf einer Bank in Frankfurt am Main. © picture alliance / dpa | Istvan Bajzat Foto: picture alliance / dpa | Istvan Bajzat

Leonard Cohen: Von Selbstzweifeln und Sinnsuche

Im Podcast Urban Pop resümiert NDR Musikjournalist Peter Urban die jungen Jahre des 2016 verstorbenen Musikers Leonard Cohen. mehr

Led Zeppelin-Sänger Robert Plant (links) und -Gitarrist Jimmy Page bei einem Auftritt auf einem Live Aid Konzert in Philadelphia im Juli 1985 auf der Bühne. Page spielt Gitarre, während ihn Sänger Plant anschaut und lächelt. © picture alliance / AP Photo | AMY SANCETTA Foto: picture alliance / AP Photo | AMY SANCETTA

Robert Plant und Jimmy Page: Die Solojahre nach Led Zeppelin

Wie ging es für Jimmy Page und Robert Plant nach Led Zeppelin weiter? Im Podcast Urban Pop ziehen Peter Urban und Ocke Bandixen Resümee. mehr

Marianne Faithfull im Jahr 1980 © picture alliance / Photoshot | - / Peter Gravelle / Avalon Foto: picture alliance / Photoshot | - / Peter Gravelle / Avalon

Marianne Faithfull: Mehr als Micks Muse

Wer Marianne Faithfull auf ihre Beziehung zu Jagger reduziert, wird ihr nicht gerecht, meint Musikexperte Peter Urban. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban | 13.05.2021 | 16:04 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Rock und Pop

Collage aus verschiedenen Albumcovern. © V2, Capitol, Republic

Alben 2025: Neues von Ringo Starr, Lady Gaga und The Weeknd

Musikalisch ist im neuen Jahr einiges los: Viele neue Alben werden erwartet - und auf den Bühnen im Norden sind tolle Acts zu erleben. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Cover: Tahsim Durgun, "Mama, bitte lern Deutsch" © Knaur HC

"Mama, bitte lern Deutsch!": Tahsim Durgun über Einwandererfamilien

Der Internet-Star rechnet ab: Sein preisgekröntes Buch schildert die Lebensrealität von Einwandererfamilien in Deutschland. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage: Hohe Preise - Welche Politik hilft?