Stand: 17.01.2023 12:30 Uhr

Chat-Protokoll: Long Covid, Reizdarm, Adipositas

Essen als Medizin: Wie packe ich selbst eine Ernährungsumstellung an? Was kann ich gegen Long Covid tun? Wie kann ich bei starker Adipositas abnehmen und eine Magenverkleinerungs-OP verhindern? Wie lassen sich Reizdarm-Beschwerden lindern? Um diese Themen ging es in Folge 58 der Ernährungs-Docs.

Porträt von Ernährungs-Doc Viola Andresen. © ZS Verlag Foto: Claudia Timmann
Dr. Viola Andresen ist Internistin und Darmspezialistin am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg.

Nach der Sendung hat Dr. Viola Andresen Ihre Fragen zu diesen Themen im Chat beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen:

Monika: Wie kann man relativ starke beziehungsweise zahlreiche Blähungen am Tag verhindern? Kreuzkümmel in der Nahrung verhindert es bei mir nicht wirklich.

Dr. Viola Andresen: Blähungen können unterschiedliche Ursachen haben. Da sollte man Diagnostik machen, zum Beispiel Tests auf bakterielle Dünndarmfehlbesiedelung oder Milchzucker- und Fruchtzucker-Unverträglichkeit.

Tom: Kann man sagen, wie lange (Minuten/Stunden) es dauert, bis ein aufgenommenes Lebensmittel zu Blähungen führt?

Andresen: Das kann man nicht pauschal sagen. Bei Zucker-Unverträglichkeiten kommen die Blähungen, wenn die Zucker im Dickdarm ankommen. Das dauert etwa 30 Minuten bis zu zwei Stunden. Bei Dünndarmfehlbesiedelung können die Blähungen schon schneller auftreten.

Anke: Ich habe auch einen Reizdarm mit starken Symptomen wie Blähungen, aber nie Verstopfung, sondern häufig Durchfall. Bei mir besteht auch der Verdacht eines Leaky Gut Syndrom. Ist FODMAP da auch sinnvoll?

Andresen: Viele Studien zeigen eine gute Wirksamkeit der Low-FODMAP-Diät bei Reizdarmsyndrom, besonders, wenn Blähungen bestehen. Ein Versuch lohnt sich also unbedingt.

Silke Buchholz: Nach einer zehnmonatigen Antibiose im Jahr 2010 leide ich unter starkem Reizdarmsyndrom. Ich habe eine bestätigte Laktoseintoleranz, Unverträglichkeit auf FODMAPs und eine Glutensensitivität. Das Mikrobiom mit Präparaten aufzuwerten klappt leider kaum. Gibt es die realistische Möglichkeit einer Transplantation von gesunder Darmflora? Bisher wurde diese meines Wissens noch in der Forschung befindliche Therapiemöglichkeit immer mit einem Kopfschütteln vonseiten der Ärzte abgetan.

Andresen: Die Studienlage zur Stuhltransplantation bei Reizdarmsyndrom ist sehr widersprüchlich. Diese Therapie wird daher aktuell nicht empfohlen, zumal die Risiken der Behandlung auch nicht gänzlich geklärt sind.

Prinzessin: Ich habe verschiedene Nahrungsmittelunverträglichkeiten und schränke deshalb meine Ernährung stark ein. Zurzeit esse ich ein Kokosjoghurt, der mir sehr guttut. Es enthält aber modifizierte Stärke. Kann dies auf Dauer zu Problemen mit dem Darm führen?

Andresen: Wenn Sie den Kokosjoghurt mit modifizierter Stärke gut vertragen, ist dagegen nichts einzuwenden.

Ines: Welche Chancen abzunehmen habe ich, wenn ich dauerhaft Medikamente nehmen muss, die mittelbar Adipositas begünstigen, zum Beispiel Kortison?

Andresen: Abnehmen unter einer höher dosierten Kortison-Behandlung ist tatsächlich deutlich erschwert. Aber dauerhaft sollte eine Kortison-Therapie allenfalls niedrig dosiert fortgesetzt werden. Dann kann man auch mit einer kohlenhydratarmen, eiweißreichen Ernährung abnehmen.

Sissi: Gibt es den Darm-Massagegürtel mit den Luftkissen irgendwo zu kaufen?

Andresen: Es gibt einen Darm-Massage-Gürtel zum Beispiel von der Firma Mowoot. Den kann man sich verordnen lassen. Man kann eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen, aber die ist derzeit meines Wissens noch nicht in jedem Fall gesichert.

Stella: Ist eine Analyse des Mikrobioms sinnvoll? Wenn ja, welche Tests sind empfehlenswert?

Andresen: Nein. Eine Analyse des Stuhl-Mikrobioms ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht sinnvoll, weil man die Ergebnisse nicht interpretieren kann, weil sie nur einen kleinen Ausschnitt des Mikrobioms darstellt und weil man auch keine therapeutischen Konsequenzen daraus ableiten kann.

Marion: Was halten Sie von der Einnahme von Probiotika bei einem Reizdarm? Kann dies förderlich sein?

Andresen: Eine Behandlung mit Probiotika kann helfen. Es lässt sich aber nicht vorhersagen, welches Präparat individuell zu empfehlen wäre. Da hilft nur ausprobieren.

Marion: Nach einer FODMAP-Diät musste ich eine Antibiose wegen einer Blasenentzündung machen. Monatelanger begleiteter Aufbau der Darmflora mithilfe einer Stuhlanalyse bringt kleine Erfolge. Doch was mache ich mit dem Zonulin-Wert von 400? Gibt es Ärzte, die helfen können?

Andresen: Ein erhöhter Zonulin-Wert spricht für eine Barriere-Störung des Darms. Da gibt es zwar keine gesicherten Therapien, aber ein möglicher Ansatz ist, neben Probiotika, eine Einnahme der Aminosäure Glutamin - 5 Gramm, dreimal täglich für 8 Wochen. Es lohnt sich aber auch mal, einen Glukose-Atemtest zu machen, um eine Dünndarmfehlbesiedelung zu untersuchen. Die würde man gezielt mit einem lokal wirksamen Antibiotikum behandeln können. Hier gibt es auch Ernährungstherapie-Ansätze mit einer sogenannten SIBO-Diät.

imke: Ich habe tatsächlich die gleichen Symptome wie die Dame in der Sendung. Manchmal ist nichts Essen am besten. Eine dreitägige Haferkur hat Besserung gebracht. Darf man die FODMAP-Diät auch ohne ärztliche Betreuung machen?

Andresen: Ich würde bei einer Low-FODMAP-Diät eine Betreuung durch eine Ernährungsfachkraft empfehlen, damit auch in der Eliminations-Diät dennoch eine ausgewogene Ernährung möglich ist und das Risiko für Mangel- und Fehlernährung reduziert wird.

Rosie: Welche Ärzte sind hinsichtlich der Suche, Diagnosestellung und Behandlung eines Reizdarms sinnvoll?

Andresen: Hier empfehle ich Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologen).

Andy: Welche FODMAP-App war in der aktuellen Sendung zu sehen und macht diese Diätvorschläge zu einer solchen Auslassphase?

Andresen: Die Patientin in der Sendung hat die FODMAP-App der Monash University genutzt. Dort wurde diese Ernährungstherapie entwickelt. Diese App gibt keine Diät vor; sie zeigt den genauen FODMAP-Gehalt fast aller Lebensmittel an und ist dadurch eine tolle Unterstützung bei der Elimination und bei der Wiederaufbauphase.

Manfred P.: Kann ein Reizdarm (Blähbauchbildung nach sechs bis acht Stunden nach dem Lebensmittelverzehr) auch an einem Mangel von Verdauungsenzymen liegen?

Andresen: Ja, auch eine gestörte Fettverdauung (zum Beispiel bei einer Schwäche der Bauchspeicheldrüse) kann Blähungsbeschwerden verursachen. Zur Diagnostik empfiehlt sich hier ein 13-C-Triglyzerid-Atemtest. Wenn man keine starken Durchfälle hat, ist auch eine Elastase-Bestimmung im Stuhl sinnvoll.

Manuela: Seit zig Jahren habe ich ganz weichen bis flüssigen Stuhlgang und permanent starke Blähungen. Kann das auch ein Reizdarmsyndrom sein? Bei einer Darmspiegelung war alles okay.

Andresen: Ja, das kann ein Reizdarmsyndrom sein, aber es sollten bei flüssigem Stuhl auch andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, unter anderem chronisch entzündliche Darmerkrankungen (wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), mikroskopische Darmentzündungen, Bauchspeicheldrüsen-Schwäche, Zöliakie, Dünndarmfehlbesiedelung, Milchzucker-/Fruchtzucker -Unverträglichkeiten, Durchblutungsstörungen des Darms.

Laupi: Kann man nur anhand der Auswertung einer Stuhlprobe einen Reizdarm diagnostizieren und somit andere Darmerkrankungen ausschließen?

Andresen: Nein. Es gibt keinen diagnostischen Test, der ein Reizdarmsyndrom beweist. Ein Reizdarmsyndrom kann nur diagnostiziert werden, indem andere Krankheiten, die die gleichen Beschwerden auslösen können, ausgeschlossen werden.

Karo: Ich nehme seit einigen Monaten Proteinshakes und habe nun Angst, dass sich auch solche gefährlichen Süßungsmittel darin befinden. Könnten sie uns mitteilen, welche Süßungsmittel genauso schlimme Folgen haben können?

Andresen: Es ist keinesfalls so, dass diese Süßstoffe immer und in jedem Fall Probleme bereiten. Man weiß aber, dass diese künstlichen Zusatzstoffe die Darm-Bakterien verändern können. Und das kann unterschiedliche Folgen haben, eventuell eben auch mal zu einem Reizdarmsyndrom beitragen.

Mausi: Ich habe ein Reizdarmsyndrom mit unangenehmen Blähungen und eine Fruktose-Intoleranz. Können Sie mir ein gesundes Frühstück empfehlen? Bin immer gern sonst am Morgen mit Obst gestartet. Das vertrage ich nun gar nicht mehr. Haben Sie da eine Empfehlung für mich?

Andresen: Wenn Sie Milchprodukte vertragen, wären zum Beispiel Haferflocken mit Milch eine Option.

MaKa: Gibt es eine gute Differenzierungsmöglichkeit zwischen Reizdarm und neurogener Fehlsteuerung des Darms? Seit gut zwei Jahren leide ich an massiven Reizdarmbeschwerden, ausgeprägter als in dem Beitrag. Zudem ist eine Gluten- und Laktose-Unverträglichkeit diagnostiziert worden, Koloskopie unauffällig. Eine Ernährungsanpassung habe ich bereits gemacht. Dennoch alles ohne Erfolg.

Andresen: Bei einem Reizdarmsyndrom liegen Veränderungen im Darm-Nervensystem vor. Insofern gibt es da keine Unterscheidung. Es gibt unterschiedliche Therapieansätze beim Reizdarmsyndrom. Einige Medikamente greifen zum Beispiel direkt im Darm-Nervensystem ein und können hilfreich sein.

Andrea: Wenn man eine sehr gute Stuhlbeschaffenheit und regelmäßigen Stuhlgang hat, aber ähnlich starke Blähungen wie die Dame in der Sendung. Muss man dann noch SIBO ausschließen oder ist das dann sehr unwahrscheinlich?

Andresen: Ja, ich würde eine SIBO untersuchen. Am besten mit einem Glukose-H2-Atemtest.

Miriam: Hallo, wir als Familie mussten sehr viel Antibiotika im vergangenen Jahr einnehmen und hatten alle nach der dritten Runde Verdauungsstörungen (haben ein zweijähriges Kitakind und dadurch viele Infekte im Haus). Was kann man mit Ernährung machen, um die gesunden Bakterien wieder aufzubauen?

Andresen: Eine gesunde Ernährung für den Darm enthält unter anderem viele Ballaststoffe, ist sehr gemüsehaltig, enthält gute Öle, wenig Zucker und andere kurzkettige Kohlenhydrate, wenig rotes Fleisch, lieber viel Fisch.

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Dieses Thema im Programm:

Die Ernährungs-Docs | 16.01.2023 | 21:00 Uhr

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