Dünndarmfehlbesiedlung: Symptome und Behandlung bei SIBO
Unser Darm ist fünf bis sieben Metern lang. Direkt hinter dem Magen beginnt der Dünndarm, wo der Körper Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette aus dem Nahrungsbrei herausfiltert. Nach vier bis fünf Metern schließt sich daran der Dickdarm an - er ist um die anderthalb Meter kurz, dafür breiter. Hier wird dem Nahrungsbrei Wasser entzogen, und spezielle Bakterienarten nähren sich hier von den nahezu unverdaulichen Ballaststoffen.
Im menschlichen Darm wohnen Billionen Bakterien, zusammen bilden sie die sogenannte Darmflora. Es gibt mindestens tausend verschiedene Arten. Die meisten Bakterienarten sind im Dickdarm ansässig: Sie helfen dort, aus den ankommenden unverdaulichen Nahrungsresten noch Verwertbares herauszuholen. Dagegen finden sich vergleichsweise wenige Keime im Dünndarm.
Was bedeutet Dünndarmfehlbesiedlung oder SIBO?
Von einer Dünndarmfehlbesiedlung (DDFB) sprechen Fachleute, wenn sich Bakterien aus dem Dickdarm vermehrt im Dünndarm ansiedeln. Im Englischen ist die Rede vom "Small intestinal bacterial overgrowth" (SIBO), also einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms. DDFB/SIBO ist einerseits durch eine abnorm hohe Bakterienmenge gekennzeichnet. Gleichzeitig finden sich Bakterienarten im Dünndarm, die dort nicht hingehören.
Normalerweise verhindert eine Schleimhautklappe zwischen Dünn- und Dickdarm, dass Bakterien von einem in den anderen Darmteil übersiedeln. Die sogenannte Ileozökalklappe funktioniert wie ein Ventil: Der Speisebrei gelangt in den Dickdarm, kann aber nicht zurück. Denn die Dickdarm-Bewohner sollen sich nicht schon über die Nährstoffe hermachen, die der menschliche Körper braucht. Ist die Darmmotorik gestört und die Funktion der Klappe beeinträchtigt, können sich die Bakterien aus dem Dickdarm aber doch dahin ausbreiten.
Symptome bei SIBO
Die Dickdarm-Bakterien produzieren aus Kohlenhydraten und Ballaststoffen Gase. Im Nahrungsbrei im Dünndarm finden sie viel Futter, sodass ein paar Stunden nach dem Essen Bauchschmerzen, Blähbauch und Völlegefühl auftreten können, mitunter auch Durchfall oder Übelkeit. Durch den Stoffwechsel der Bakterien können Säuren entstehen, die die Darmwand angreifen und die Nährstoffaufnahme behindern können. Folge kann unter anderem eine Störung der Fettverdauung sein: Der Stuhl ist lehmfarben, glänzend und riecht scharf (sogenannter Fettstuhl). Wenn Mikronährstoffe nicht mehr optimal die Darmwand passieren können, sind Mangelerscheinungen programmiert. Es kann zu einer Blutarmut kommen durch den Mangel an Vitamin B12, die Bakterien entziehen das Vitamin dem Körper. Mögliche Symptome sind weiterhin:
- Schwindel
- Abgeschlagenheit
- Gewichtsverlust
- Müdigkeit
- Mangel an den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K
- Eisenmangel
Beschwerden bei Reizdarm und Dünndarmfehlbesiedlung ähnlich
Häufig gleichen die Beschwerden denen des Reizdarmsyndroms. Gleichzeitig dürfte umgekehrt DDFB auch eine häufige Ursache von Reizdarmbeschwerden sein. Die diagnostische Abgrenzung ist oft schwierig.
Diagnose einer Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO)
Die Diagnose wird üblicherweise in einer internistischen Praxis durch einen Wasserstoff-Atemtest mit Glukose oder Lactulose gestellt. Die von den Bakterien aus der Glukoselösung gebildeten Gase treten ins Blut über und lassen sich über die Lunge in der Ausatemluft messen. Zudem klärt der Arzt ab, ob es funktionelle Ursachen für die Dünndarmfehlbesiedlung gibt, etwa durch bildgebende Verfahren (Magnetresonanztomografie - MRT nach Sellink). Ein Blutbild gibt Aufschluss über mögliche hormonelle Störungen und darüber, ob ein Eisen- oder Vitaminmangel vorliegt.
Wichtig ist, dass der Arzt neben den Symptomen auch die Krankengeschichte des Patienten genau analysiert. Bei einer vorangegangenen Darm- oder Magenoperation zum Beispiel ziehen Mediziner in der Regel sofort eine Dünndarmfehlbesiedlung in Betracht.
Ursachen einer Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO)
Wenn der normale ständige Transport von Darminhalt sich verlangsamt oder an einer Stelle sammelt, wird überschüssiges Bakterienwachstum im Dünndarm möglich. Eine Ursache kann eine gestörte Beweglichkeit des Darms sein (Motilitätsstörungen), wie sie bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder bei Autoimmunerkrankungen wie Sklerodermie vorkommen: Dann kann der Dünndarm den Darminhalt nicht richtig weiterbefördern, und der Darm wird nicht ausreichend von überflüssigen Bakterien "gereinigt" - "der Hausputz erfolgt zu selten". Ebenso fördern bestimmte anatomische Veränderungen die Ansiedlung von Bakterien: etwa Verwachsungen, Aussackungen der Darmwand (Divertikel) oder ein sogenannter Blindsack, in dem sich Darminhalt staut.
Dünndarmfehlbesiedlung nach OP
Auch operative Eingriffe bergen Risiken: Ein Neuanschluss des Dünndarms an den Dickdarm kann dazu führen, dass die Klappe am Ende des Dünndarms nicht richtig arbeitet. Nach einer Magenoperation fehlt unter Umständen ausreichend saurer Magensaft als natürliche Keimbarriere. Menschen, bei denen die Schleimhautklappe zwischen Dick- und Dünndarm entfernt wurde oder die im Bauchbereich bestrahlt wurden, leiden häufiger unter einer DDFB.
In einigen Fällen spielen Entzündungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Fehlfunktionen des Körpers wie eine Schilddrüsenunterfunktion bei der Fehlbesiedlung eine Rolle. Weil neben der Darmbewegung auch die Menge und die Qualität von Magensäure und Bauchspeicheldrüsensekret die Bakterienzahl im Dünndarm regulieren, haben Menschen mit entsprechenden Störungen (wie etwa Gastritis A) häufiger eine DDFB. Ebenso begünstigen Medikamente wie Antibiotika oder Säurehemmer die Ansiedlung von Bakterien im Dünndarm.
Behandlung einer Dünndarmfehlbesiedlung mit Medikamenten
Liegt eine Grunderkrankung als Ursache für die Dünndarmfehlbesiedlung vor, muss sie gezielt behandelt werden. In einigen Fällen kann ein operativer Eingriff nötig sein. Gehen mit der Fehlbesiedlung Mangelerscheinungen einher, können vorübergehend spezielle Präparate nötig sein, um beispielsweise den Vitaminmangel auszugleichen.
In manchen Fällen bietet es sich an, Medikamente zu geben, die die Beweglichkeit des Dünndarms verbessern. Vielfach verordnen Ärzte zur SIBO-Therapie ein Antibiotikum, häufig Rifaximin. Hilft dieses, spricht man von einer antibiotikaresponsiven Enteritis. Nachteil einer antibiotischen Therapie ist, dass dabei auch gesunde Darmbakterien gestört werden. Zudem kann es schon wenige Wochen nach Ende der Therapie zu einer neuen Fehlbesiedlung des Darms kommen.
Ernährungstherapie bei SIBO
Im Mittelpunkt einer nachhaltigen SIBO-Behandlung steht daher die Ernährung. Indem man Süßigkeiten, zuckerhaltige Lebensmittel und kurzkettige Kohlehydrate wie Brot, Nudeln, Kartoffeln und helles Brot weglässt, kann man versuchen, die Dickdarm-Bakterien "auszuhungern". Bei dieser sogenannten sogenannte FODMAP-armen Ernährungsweise (FODMAP steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole) sind zudem nur zuckerarme Obstsorten erlaubt, und auch laktosehaltige Milchprodukte sollten in den ersten Wochen der Therapie gemieden werden.
Empfehlenswert ist eine eiweißhaltige Kost mit gesunden Fetten. Das Essen sollte gut gekaut werden, damit es bei der Passage durch den Verdauungstrakt optimal verwertet werden kann - und so für die Bakterien im Dünndarm möglichst wenig Nahrung übrig bleibt. Die strenge SIBO-Diät ist sehr einschränkend und sollte durch eine Ernährungsfachkraft begleitet werden.
Darmmotorik anregen und Süßhunger bremsen
Hilfreich ist oft außerdem, die Verdauung durch täglich mindestens eine halbe Stunde Bewegung an der frischen Luft zu unterstützen. Zudem empfiehlt sich der Einsatz von Bitterstoffen: Sie regulieren die Darmmotorik, regen die Sekretion von Verdauungssäften an und mindern den Süßhunger.