Chat-Protokoll zum Thema Schwindel
Schwindel ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Es entsteht das Gefühl, dass sich die Umgebung oder der eigene Körper dreht oder schwankt. Die Ursachen von Schwindel sind sehr unterschiedlich und manchmal nicht einfach zu entdecken. Trotzdem lohnt sich eine sorgfältige Diagnose - nur so können Auslöser entdeckt oder ausgeschlossen und eine zielgerichtete Therapie begonnen werden.
Am Dienstag, den 4. August 2020, war die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Silja Strauß zu Gast bei Visite und hat anschließend Fragen im Chat beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen.
Klaus: Sind die Übungen gegen Lagerungsschwindel gleich, egal ob das rechte oder das linke Ohr betroffen ist?
Dr. Silja Strauß: Nein, die Übungen sind für jede Seite anders. Es gibt unterschiedliche Übungen - je nachdem, welcher Bogengang betroffen ist.
Steffi: Seit acht Monaten leide ich unter Schwankschwindel, Gangunsicherheit und seit Juli auch beidseitig unter extremem Ohrenrauschen. Einen Ärzte-Marathon habe ich hinter mir. Bis auf manchmal niedrigen Blutdruck bin ich gesund. Sportlich betätige ich mich. Nun habe ich von einer vestibulären Paroxysmie gelesen. Was können Sie mir dazu sagen? Das wäre mein absoluter Albtraum, allein wegen des Medikaments, welches helfen soll.
Strauß: Bei der vestibulären Paroxysmie kommt es fast immer zu sekundenhaften Schwindelanfällen bis zu 100 Mal am Tag. Dazwischen sind die Patienten meist beschwerdefrei. Gegebenenfalls kann man im MRT einen Kontakt zwischen Gefäß und Nerv im Innenohr feststellen. Dies ist aber keine Bestätigung der Diagnose. Wenn die Angabe der Beschwerden zum Krankheitsbild passt, kann man das Medikament Carbamazepin ausprobieren.
Cordula: Meine Mutter ist ziemlich stark auf den Kopf gestürzt. Etwa vier Wochen später hatte sie morgens einen sehr starken Schwankschwindel. Untersuchungen im Krankenhaus ohne Befund. Sie muss damit leben. Kann der Sturz der Auslöser gewesen sein?
Strauß: Manche Patienten können Drehschwindel und Schwankschwindel nicht klar unterscheiden. Eventuell handelt es sich doch um einen Lagerungsschwindel. Möglich wäre aber auch eine Schädigung des Innenohrs durch den Sturz. Diese müsste man dann auf einem CT sehen können. Der Sturz kann aber der Auslöser gewesen sein, ja.
Kerstin: Ich habe funktionellen Schwindel in Zusammenhang mit Burn-out - was kann ich tun?
Strauß: Wichtig ist, sich von dem Schwindelgefühl abzulenken, Ausdauer-Sport zu treiben und vor allem professionell angeleitetes Gleichgewichtstraining durchzuführen. Oft ist auch eine begleitende verhaltenstherapeutische Therapie sinnvoll.
Michele: Ich habe Multiple Sklerose und mir wird beim Autofahren schwindlig, weil ich auf sehr vieles gleichzeitig achten muss. Gibt es etwas, das dagegen helfen kann?
Strauß: Auch in Ihrem Fall ist dringend ein Gleichgewichtstraining anzuraten, da es bei der Multiplen Sklerose auch zu Herden im Bereich des Gleichgewichtsnervs kommen kann und der Körper durch die Krankheit auch belastet ist.
Emil: Kann Schwindel durch Zahn-Fehlstellungen entstehen?
Strauß: Pauschal kann man die Frage nicht mit Nein beantworten, es ist aber recht unwahrscheinlich. Zahn-Fehlstellungen können zu Schmerzen und Verspannungen führen, welche als Schwindel wahrgenommen werden könnten.
Sabine: Bei mir tritt der Schwindel immer wellenförmig auf, vom Nacken aus bis hoch zur Kopfhaut. Woran kann das liegen?
Strauß: Eine Ursache kann die Halswirbelsäule sein, jedoch auch eine Form von Migräne. Dies sollte vom Neurologen geprüft werden.
Daisa: Seit einigen Jahren leide ich an Schwindel-Attacken. Beim HNO-Arzt wurde bei allen Untersuchungen keine Ursache festgestellt. Die Attacken kommen im Abstand von etwa drei Monaten. Was mich beunruhigt: In letzter Zeit kommt zu dem Schwindel immer noch Übelkeit hinzu. Was kann das bedeuten?
Strauß: Wichtig ist, auch ein MRT vom Kopf zu machen - und eine neurologische Untersuchung sollte erfolgen. Zudem sollten Blutwerte getestet werden, unter anderem mit Vitamin D. Ich würde eine Vorstellung in der Schwindelambulanz vorschlagen.
Wolfgang: Können Medikamente, zum Beispiel Mirtazapin, Schwindel auslösen?
Strauß: Grundsätzlich können sehr viele Medikamente Schwindel als Nebenwirkung haben - auch Mirtazapin.
Martin: Ich nehme Blutdruck- und Cholesterinsenker. Zuweilen spüre ich einen starken, kurz anhaltenden Schwindel, wenn ich mich nach dem Bücken schnell aufrichte. Können die Medikamente eine Ursache sein?
Strauß: Für mich klingt dies eher nach einer Kreislauf-Regulationsstörung. Wichtig ist auch, welche Blutdruck-Medikamente eingenommen werden und ob diese eventuell zu hoch dosiert sind. Ein Lagerungsschwindel sollte über einen HNO-Arzt ausgeschlossen werden.
Kai: Ich hatte vor einigen Wochen beim Aufstehen einen heftigen Schwankschwindel, danach noch ein paar Mal in abgeschwächter Form. Der Besuch heim HNO-Arzt ergab keinen Befund, beim Orthopäden wurde ein HWS-Verschleiß festgestellt. Könnte das der Grund für den Schwindel sein? Und ist Physiotherapie die angebrachte Behandlung?
Strauß: Auch ein MRT vom Kopf sollte gemacht werden. Eine Vorstellung beim Neurologen sollte erfolgen. Grundsätzlich ist Physiotherapie bei Schwindel-Beschwerden immer sinnvoll, in Kombination mit Gleichgewichtstraining und viel Bewegung.
Ari: Kann der Schwindel auch Vorbote von Hirnblutung oder Schlaganfall sein? Ab wann sollte man bei bestehendem Schwindel einen Arzt aufsuchen oder den Notarzt rufen?
Strauß: Es sollte ein HNO-Arzt und/oder Neurologe aufgesucht werden. Bei Auffälligkeiten sollte ein MRT vom Kopf gemacht werden.
Monika: Ich habe Schwankschwindel, Ursache wahrscheinlich vom Nacken. Ich bin in Ihrer Tagesklinik angemeldet für Oktober. Was kann ich bis dahin machen?
Strauß: Ausdauertraining und Physiotherapie für die Halswirbelsäule mit Stabilisierung der Muskulatur, Durchführung der mitgegebenen Gleichgewichtsübungen.
Heike: Ich leide unter Schwindel - mit Übelkeit, die teilweise zum Erbrechen führt. Dann kommt sehr starke Müdigkeit dazu. Der Schwindel tritt in allen Lagen auf: liegen, stehen, laufen, sitzen. In einer Schwindelambulanz wurde nichts festgestellt. Psychogener Schwindel war die Diagnose. MRT vom Kopf war negativ. Kann das auch von der Halswirbelsäule kommen?
Strauß: Übelkeit und Erbrechen sind eher nicht typisch für HWS-Beschwerden. Grundsätzlich sollte bei Problemen hier jedoch ein MRT der HWS gemacht werden.
Tensia: Bei mir wurde nach einer heftigen Schwindel-Attacke im Mai 2019 Morbus Menière diagnostiziert. Kann ein Zusammenhang dazu bestehen, dass ich seit September 2019 sehr tiefe Töne hören kann, die bis 20 Hertz gehen?
Strauß: Bei Menière kommt es zu Tiefton-Hörverlust und zur Ausbildung von Tinnitus auch in tiefen Frequenzen. Eventuell kann man als "freien Heilversuch" Kortison durch das Trommelfell spritzen. Hierfür sollten Sie sich erneut beim HNO-Arzt vorstellen.
Meyer: Meine Mutter leidet seit etwa zehn Wochen unter starkem Kopfdröhnen, Linksdrall und dadurch Schwindel. Ich war mit ihr beim HNO-Arzt, da ist alles okay. Beim Kardiologen alles soweit okay, ein MRT, bei dem altersbedingte Verkalkungen festgestellt wurden. Letzte Woche noch beim Neurologen. EEG, Ultraschall von der Halsschlagader und vieles mehr. Auch neurologisch alles unbedenklich. Nichts hat Linderung gebracht. Sie ist unglücklich, da ihr niemand hilft. Vielleicht haben Sie eine Idee, was sie noch machen kann?
Strauß: Ihre Mutter sollte sich mit allen Vorbefunden in der Schwindelsprechstunde vorstellen, um zu schauen, welche Diagnose gestellt werden kann.
Frau F.: Ich habe, seit ich Mitte 30 bin (jetzt bin ich 57) immer wiederkehrenden Drehschwindel. Erstmals war dies ein massiver Vestibularisausfall nach einer sonst unproblematischen Karussell-Fahrt. Ich war acht Tage im Krankenhaus. Seitdem kommt es in größeren Abstand etwa einmal im Jahr wieder, meist nachts. Es hilft nur eine Kortison-Stoßtherapie. Warum? Ich muss bei den nachfolgenden Anfällen erbrechen und bin nicht fähig zu gehen.
Strauß: Eine Menière-Krankheit ist nicht auszuschließen. Dies sollte geprüft werden. Vereinbaren Sie doch einen Termin in der Schwindelsprechstunde.
Wolfgang: Ich habe seit meinen zwei HWS-Operationen immer wieder Schwindel - bei Dunkelheit, wenn ich die Augen schließe, wenn ich nach oben sehe. Dann kann ich nicht mehr gerade laufen. Ich habe zwei Implantate in C5/6 und C7/TH1. Schmerzen und Sensibilitätsstörungen habe ich immer noch im Schulter-Arm-Bereich und am Hinterkopf. Außerdem eine Kehlkopflähmung mit hochgradiger Dysphonie. Was könnte ich noch tun, um eine Erleichterung beim Schwindel-Problem zu erreichen?
Strauß: Ich würde Ihnen empfehlen, ein Gleichgewichtstraining durchzuführen - zusätzlich zu Ausdauersport, der Ihnen trotz der HWS-Problematik möglich ist.
Klaus: Was empfehlen Sie bei phobischem Schwankschwindel, wenn weder Psychotherapie noch Antidepressiva helfen?
Strauß: Auf jeden Fall ein Gleichgewichtstraining zusätzlich zur Psychotherapie.
Gely: Wenn ich mich im Bett auf den Rücken drehe, verspüre ich leichten Schwindel im Bereich der Augen. Woher kommt das?
Strauß: Diese Frage kann man nicht einfach so beantworten. Bei Schwindel nach Drehung im Bett muss man auch an Lagerungsschwindel denken. Es sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden.
Ingrid: Was kann der Auslöser für wiederkehrenden Lagerungsschwindel sein? Kann man gegen die Übelkeit beim Manöver etwas tun?
Strauß: Wiederkehrend kann der Lagerungsschwindel sein, wenn die Steinchen nicht abgebaut werden. Dies kann sehr lange dauern. In dieser Zeit muss weiterhin Lagerungstraining gemacht werden. Gegen die Übelkeit gibt es Medikamente wie zum Beispiel Dimenhydrinat oder Metoclopramid.
Barth: Meine Nachbarin hatte ein Aneurysma im Kopf, das entfernt wurde. Seitdem leidet sie den ganzen Tag unter Schwindel. Kann man das behandeln?
Strauß: Die Frage ist sehr allgemein. Grundsätzlich ja. Eine Vorstellung in einer Schwindelambulanz bietet sich an.
Sabine: Seit einiger Zeit habe ich Schwindel-Attacken, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen. Kann das zusammenhängen mit einem starken Hörverlust auf einem Ohr?
Strauß: Ja, dies ist durchaus möglich. Hier gibt es verschiedene Erkrankungen, die es sein könnten. Sie sollten sich hierfür unbedingt beim HNO-Arzt vorstellen, danach gerne auch mit Befunden in der Schwindelsprechstunde.
Michael: Ich habe unregelmäßige Schwindel-Attacken, die mit starkem Schwitzen, Übelkeit und dem gefühlten "Verschluss" des linken Ohrs einhergehen, als ob es mit Wasser gefüllt ist. Weder beim HNO-Arzt noch beim Neurologen wurde etwas festgestellt. Unter regelmäßiger Medikamenteneinnahme ist es weniger geworden, aber nicht weg. Was kann die Ursache sein?
Strauß: Hierfür müsste man die HNO-Befunde sehen und wissen, welche Medikamente Sie einnehmen, die es bessern. Möglich ist zum Beispiel die Menière-Krankheit, aber auch eine Kreislauf-Regulationsstörung. Es kommen aber noch andere Erkrankungen in Betracht.
Turnerin: Ich habe seit mehreren Jahren Schwindel. Früher wurde es immer auf den niedrigen Blutdruck geschoben. Mich belastet das sehr stark, weil ich sehr gerne Sport mache, aber es fast nicht mehr möglich ist. Ich war auch Trainerin für Rücken-Gymnastik und musste aus diesem Grund aufhören. Dehnübungen oder auf einem Bein stehen ist nicht mehr möglich. Große Probleme sind das Laufen und dabei zur Seite zu schauen. Wohin soll ich mich wenden, wer kann mir helfen?
Strauß: Stellen Sie sich doch einmal mit allen Befunden im Schwindelzentrum vor, gerne auch bei uns in St. Georg.
Bine: Seit einer Kreuzfahrt und einem längeren Flug im März 2020 leide ich an Dauerschwindel. Wie bekomme ich ihn wieder los?
Strauß: Möglich ist eine sekundäre Somatisierungsstörung nach einer Kinetose/Reisekrankheit. Dies kommt relativ häufig vor. Hier hilft vor allem Gleichgewichtstraining.
Patient X: Können starkes Rauchen und regelmäßiger Alkoholkonsum Schwindel auslösen?
Strauß: Dies ist durchaus möglich, trotzdem würde ich die Grundkörperfunktionen prüfen lassen durch Blutabnahme, EKG, Blutdruckmessung. Stellen Sie sich doch zunächst bei Ihrem Hausarzt vor.
Lisa: Ich habe seit dem Absetzen der Pille starke Probleme mit Schwindel. Ich hatte die gleiche Symptomatik schon mal in der Pubertät, mit der Pille war es weg. Woran könnte es liegen?
Strauß: Sind Ihre Schwindel-Probleme verbunden mit Kopfschmerzen? Oder haben Sie früher oder jetzt unter Migräne gelitten? Eine Migräne kann auch Schwindel auslösen, hormonelle Schwankungen können hier eine Rolle spielen.
Maiky: Sollte Betavert einfach abgesetzt werden? Mein HNO-Arzt hat es nach sieben Jahren verlangt! Morbus Menière war perfekt im Griff, jahrelang schwindelfrei! Können die Anfälle wieder so heftig wie zu Anfang werden?
Strauß: Wenn keine Schwindelanfälle mehr auftreten, sollte das Medikament nach frühestens sechs Monaten langsam alle drei Monate um 24 Milligramm reduziert werden. Treten wieder Anfälle auf, muss es wieder erhöht werden.
Kika24: Was wäre zu tun, wenn das von der HWS kommt, hochgradige Spinale Stenose? Oft laufe ich ohne Grund, als wenn ich betrunken wäre, und muss mich festhalten. Das geht seit Monaten so. Vom Hausarzt heißt es, es läge am Wetter, aber doch nicht circa drei Monate?
Strauß: Ich würde Ihnen dringend eine Vorstellung beim HNO-Arzt vorschlagen. Vielleicht ist nicht nur die HWS die Ursache. Falls Sie auch unter Diabetes leiden, lassen Sie vom Neurologen bitte die Funktion Ihrer Bein-Nerven testen.
Anne: Mein Vater (81 Jahre) leidet nach zwei Schlaganfällen unter Gleichgewichtsstörungen und täglichem Schwindel. Zudem beschreibt er die Symptome wie Ameisen im Kopf. Er bekommt starke Medikamente. Muss er damit leben oder gibt es eine Möglichkeit, den Schwindel ein wenig zu lindern?
Strauß: Gleichgewichtstraining, zu Hause mehrmals täglich durchgeführt, führt zu einer Besserung der Symptome. Das Wichtige ist hierbei die konsequente Umsetzung der Übungen und das Wissen, dass dies länger dauern kann. Stellen Sie ihn gerne in der Schwindelsprechstunde vor.