Alkohol: So schädlich ist er wirklich

Stand: 16.01.2025 17:00 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Ist Alkohol immer schädlich? Wie gefährlich ist Alkohol für die Leber? Was bringt der "Dry January"? Prof. Dr. Helmut Seitz hat im Interview mit Dr. Julia Fischer Fragen beantwortet. Das Gespräch zum Nachlesen.

Herzlich Willkommen bei ARD Gesund. Seit einigen Jahren trendet der “Dry January”, also das Vorhaben, den Januar über gar keinen Alkohol zu trinken. Wir haben viele Fragen von Userinnen und Usern zum Thema erhalten. Ich freue mich sehr, dass einer der Top-Experten auf dem Gebiet, Professor Doktor Helmut Seitz, sie beantworten wird. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologe und Alkoholforscher am Itanium Klinikum in Heidelberg. Hallo Herr Professor Seitz, schön, dass Sie da sind.

Prof. Dr. Helmut Seitz: Hallo, Frau Fischer, ich freue mich auch.

Sie waren jahrelang Direktor der Alkoholforschung an der Universität Heidelberg. Das heißt, sie beschäftigen sich schon lange mit dem Thema. Warum ist Alkohol für sie so faszinierend?

Seitz: Ich beschäftige mich seit 50 Jahren mit diesem Thema. Ich habe Chemie studiert, dann Biochemie und dann Medizin. Die Leber ist eigentlich das Organ, das am meisten verstoffwechselt. Und dieses kleine Molekül Alkohol bringt Tausende von Stoffwechselwegen der Leber durcheinander. Das fand ich faszinierend. Und dann bekam ich ein Forschungsstipendium in New York für zwei Jahre. In dieser Zeit haben wir sehr intensiv untersucht, wie Alkohol Krankheiten verursacht, die Leber verändert, zu Leberzirrhosen führt. Und wir haben die ersten Daten zu Alkohol und Krebs gesammelt. Ich bin dann nach Heidelberg zurückgekehrt und wir haben das Alkoholforschungszentrum an der Uni Heidelberg gegründet. Dann ist mir klar geworden, dass es nicht nur Grundlagenforschung ist, sondern dass es Millionen von Menschen gibt in Deutschland, die ein Alkoholproblem und verschiedene Erkrankungen haben. Dabei spielt die Ernährung eine Rolle. Forensische Medizin, Onkologie, Hepatologie, eine große Vielfalt, das war faszinierend - die Kombination aus Grundlagenforschung auf der einen Seite und der Klinik mit den Menschen auf der anderen Seite.

Sehr komplex und unglaublich relevant, weil - wie Sie sagen - sehr viele Menschen Alkohol trinken und auch viele einen problematischen Umgang damit haben. Wir starten sofort mit den Fragen. Es hält sich ja nach wie vor, trotz neuester Erkenntnisse, die das Gegenteil sagen, immer noch der Mythos: Ein bisschen Alkohol, das ist doch eigentlich sogar gut für uns. Das Glas Rotwein am Abend, der Verdauungsschnaps oder, wie uns ganz konkret jemand fragt, das Feierabendbier. Michael möchte wissen: "Ist es bedenklich, jeden Abend einen halben Liter Bier zum Feierabend zu konsumieren?"

Seitz: Ja, das ist bedenklich. Ein halber Liter Bier enthält ungefähr 20 bis 25 Gramm Alkohol. Das ist viel zu viel, zunächst einmal als alleinige Dosis. Außerdem wissen wir nicht genau, ob er abhängig werden könnte oder schon abhängig ist, wenn er jeden Tag diese Menge konsumiert.

Michael fragt außerdem, ob es besser wäre, es wären nur 300 Milliliter Bier. Gibt es überhaupt eine Alkoholmenge, die Sie als unbedenklich empfehlen würden für den Abend?

Seitz: Weniger ist mehr. Das ist richtig. Aber Alkohol ist Alkohol. Und nach den neuesten Daten ist jeder Alkohol schädlich. Wenn er das Feierabendbier einmal die Woche trinkt, am Montag und vielleicht noch eins am Freitag, dann ist er aus dem Risikobereich mehr oder weniger raus. Ansonsten ist das sicherlich auch zu viel.

Melanie fragt: "Wie ist das mit dem Verdauungsschnaps nach dem Essen? Wie schädlich ist der?"

Seitz: Der Volksmund sagt: Ein Schnaps nach einem Gänsebraten oder nach einer fettigen Mahlzeit, der entleert den Magen. Der Schnaps führt tatsächlich dazu, dass der Magen sich schneller entleert und man dieses Völlegefühl los ist. Aber der Schnaps hat 40 Prozent Alkohol. Und dieser 40-prozentige Alkohol stört natürlich die Schleimhaut von Mund, Speiseröhre und Magen. Und wir wissen, dass Krebs durch Alkohol in diesem Bereich häufig auftritt. Also sollte man dieses hochkonzentrierte Alkoholika lassen. Wenn Sie das einmal im Monat machen, kann nicht so viel passieren, aber man sollte lieber auf das fettige Essen verzichten, damit der Magen nicht so voll ist.

Dann ist der Schnaps auch gar nicht nötig. Die Frage erreichte uns häufiger, zum Beispiel von Petra und Doris. Sie fragen: "Wer Alkohol ablehnt, der bekommt oft komische Sprüche zu hören oder gilt als Spaßbremse. Wie kann man damit umgehen, wenn sogar im Familien- oder Freundeskreis komische Reaktionen kommen?

Seitz: Ja, das kommt sehr häufig vor. Wir sind eine Gesellschaft, alle trinken. Ich denke, das Selbstbewusstsein des Einzelnen muss gestärkt sein. Er muss sagen: "Ich trinke jetzt keinen Alkohol. Was ihr macht, ist mir gleichgültig. Ich habe eine klare Meinung dazu. Ich habe auch Argumente dafür. Es sinnvoll ist, wenn man darauf verzichtet. Jetzt machen wir das so und wenn ihr das nicht mit mir teilt, seid ihr nicht meine Freunde."

Sie haben es gerade schon gesagt: Wir sind eine Gesellschaft. Im Prinzip trinkt jeder. Warum hat Alkohol aus Ihrer Sicht diesen Stellenwert?

Seitz: Es ist über Jahrtausende etabliert. Alkohol macht, wenn man ein Gläschen trinkt, sehr munter, sehr heiter, ein bisschen lustig. Ich habe immer gesagt, das ist ein soziales Schmiermittel. Die Menschen mögen es, dass sie ein bisschen lockerer werden in den Zweierbeziehungen, aber auch allgemein. Deswegen ist Alkohol sicherlich ein beliebtes Mittel, um Situationen aufzulockern. Die Alkoholindustrie tut ihr Übriges dazu, die drängt Menschen dazu, Alkohol zu trinken. Aber wenn Sie mehr trinken als ein Glas, wird diese Lustigkeit ersetzt durch andere Gemütszustände. Und die sind dann problematisch.

Wie schnell geht es, dass ein Körper sich tatsächlich an den konstanten Alkoholkonsum gewöhnt?

Seitz: Wenn man jeden Tag trinkt, kann das schnell gehen. Man trinkt ein bisschen mehr. Dann nach ein, zwei Monaten noch ein bisschen mehr, denn entwickelt man eine Toleranz gegenüber Alkohol. Es gibt Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn. Das wird mehr und mehr gesteigert. Und dann sind Sie irgendwann in einer Abhängigkeit. Das kann ein, zwei Jahre gehen. Jedenfalls ist es ein Problem, wenn Sie jeden Tag und chronisch trinken.

Was ist denn eigentlich schädlicher: Wenn ich täglich eine geringe Menge konsumiere oder es einmal im Monat am Wochenende so richtig krachen lasse?

Seitz: Das ist eine wichtige Frage. Wenn Sie einmal richtig "Binge-Trinken", also Komatrinken mit fünf, sechs Drinks am Abend und dann auch betrunken sind, dann zerstören Sie ihre Gehirnzellen massiv. Das ist ein Riesenproblem, insbesondere bei jungen Leuten. Weil dann die psychosoziale Entwicklung leidet und Abhängigkeitsmuster entstehen. Wenn Sie chronisch trinken, dann kommen Sie in eine Sucht hinein und beinahe alle Organe des Körpers leiden. Alkohol ist ein Zellgift und schädigt alle Organe. Das Sensibelste - und das wissen die Wenigsten - ist die Brust, die weibliche Brustdrüse. Hier gibt es gar keine Schwellendosis. Wenn jemand jeden Tag Alkohol trinkt, dann hat er ein deutlich erhöhtes Risiko, irgendwann später Brustkrebs zu entwickeln. Das ist eine von 200 möglichen Krankheiten.

Für welche Krankheiten wird das Risiko durch Alkoholkonsum erhöht?

Seitz: Alkohol ist ein Lebergift. Von den eine Million Leberzirrhose-Todesfällen in Europa ist die Hälfte alkoholbedingt. Alkohol ist eine giftige Substanz für die Leber. Die Leber verfettet, entzündet sich und verhärtet dann. Die Leber steht im Zentrum, aber auch das zentrale Nervensystem, die Bauchspeicheldrüse und der gesamte Magen-Darm-Trakt sind betroffen. In Mund, Speiseröhre und im Magen können Tumore entstehen. Es gibt zwei Tumore, die ganz besonders häufig in Deutschland sind: Brustkrebs, der häufigste Krebs bei Frauen, und das Dickdarmkarzinom bei Männern und Frauen zusammen. Für beide ist Alkohol ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Stoffwechselkrankheiten muss man auch nennen. Praktisch jedes Organ, jede Zelle des Körpers wird durch Alkohol ungünstig beeinflusst.

Es ist also wirklich ein gefährliches Gift. Deswegen fragt Julia Ju: "Sollte Alkohol eher wie Zigaretten behandelt werden? Dass es ein Werbeverbot gibt und vielleicht auch abschreckende Bilder auf Verpackungen gedruckt werden?"

Seitz: Das sage ich schon seit Jahren. Ich habe vor fünf Jahren mit Ingrid Thoms-Hoffmann zusammen ein Buch über die Frage geschrieben, was man machen soll. Ein Punkt ist das Werbeverbot, weil Werbung ja immer mit wunderbaren Dingen verknüpft ist - mit Jugend, Leichtigkeit und Gesundheit. Genau das Gegenteil ist eigentlich der Fall. Ein Label auf alkoholischen Getränke, das auf das Krebsrisiko hinweist, halten wir für sehr sinnvoll - ohne Frage.

Pamela fragt, ob es ein Mythos ist, dass Frauen Alkohol weniger gut vertragen als Männer.

Seitz: Nein, das ist kein Mythos. Frauen vertragen Alkohol generell schlechter als Männer im Hinblick auf Organschäden. Die Leber ist ein gutes Beispiel. Frauen entwickeln im Vergleich zu Männern in der Hälfte der Zeit wie Männer bei der Hälfte Alkohol eine fortgeschrittene Lebererkrankung. Frauen entwickeln schneller Karzinome als Männer. Warum das so ist, weiß man nicht genau. Frauen verstoffwechseln Alkohol im Magen schlechter als Männer, bekommen mehr Alkohol ins Blut. Und sie haben höhere Blutalkoholspiegel, wenn sie die gleiche Menge Alkohol pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen. Das liegt daran, dass Frauen weniger Körperwasser haben und deswegen die Alkoholspiegel höher sind.

Zusammengefasst: Alkohol ist wirklich ab dem ersten Tropfen schädlich und erhöht das Risiko für viele Erkrankungen, auch ganz viele Krebsarten. Glücklicherweise aber gehen immer mehr Menschen wirklich bewusst damit um oder verzichten sogar mal einen ganzen Monat lang wie jetzt im Januar auf Alkohol. Und genau zu diesem Thema gibt es aktuell viele Beiträge in der ARD, zum Beispiel die Doku-Serie "Alkohol Detox - die Challenge". Es geht um vier Frauen, die versuchen, einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten. Dabei ist auch die Schauspielerin Tina Ruland. Sie möchte nicht, dass ihr Sohn sieht, wie sie über der Toilette hängt und sich übergibt. Ich glaube, die Situation kennt der eine oder die andere. Man möchte den Alkoholkonsum gern vertuschen, statt die Konsequenz zu ziehen und darauf zu verzichten. Warum passiert uns das immer wieder?

Seitz: Ich glaube, Frauen sind da ganz besonders empfindlich. Sie schämen sich, wenn sie Alkohol trinken. Sie machen es heimlich, sie machen es in der Garage und sie wollen das nicht zeigen. Männer kokettieren mehr mit Alkohol. Wie viel kann ich trinken? Frauen haben Ängste und schämen sich. Meine Frau ist Psychologin und behandelt vor allem alkoholabhängige Frauen in Heidelberg. Sie erlebt immer wieder solche Situationen. Der Grund dafür, dass sie nicht davon wegkommen, ist eine Sucht, eine Abhängigkeit. Die Betroffenen brauchen eine entsprechende Suchtberatung und Behandlung.

An dieser Stelle auch der Appell, sich unbedingt Hilfe zu suchen, wenn man das nicht allein schafft, oder?

Seitz: Ja, absolut. Es gibt sehr viele psychosoziale Anlaufstellen und Suchtberatungen. Die kann man googeln. Da sind die Leute darauf vorbereitet.

Das Beste wäre natürlich, komplett auf Alkohol zu verzichten. Wir wissen aber auch, dass das bestimmt nicht für jeden machbar oder realistisch ist. Was bringt es denn, einen Monat auf Alkohol zu verzichten?

Seitz: Relativ viel. Sie werden besser schlafen. Alkohol lässt sie zwar schnell einschlafen, aber sehr schlecht durchschlafen. Sie wachen um zwei oder drei Uhr nachts auf. Katecholamine, also Hormone, werden aktiviert. Die lassen Sie nicht mehr einschlafen. Das Herz schlägt, der Blutdruck geht hoch. Am anderen Tag sind Sie müde, können das Tagwerk nicht mehr verbringen. Sie sind geschwächt. Wenn Sie besser schlafen, stärkt das auch Ihr Immunsystem. Sie werden weniger Erkältungskrankheiten in diesem Monat haben. Ihre Haut wird besser. Hauterkrankungen wie Akne oder Schuppenflechte werden zurückgehen. Die Haut wird reiner und sauberer. Das Gewicht wird zurückgehen. In diesen vier Wochen werden Sie wahrscheinlich 1 bis 1,5 Kilo an Gewicht verlieren, weil Alkohol 7,1 Kalorien pro Gramm hat. Zudem wird die Leber entfettet. Schon nach sieben bis 14 Tagen ohne Alkohol sind 50 Prozent des Fettes aus der Leber raus. Die Leber erholt sich und kann gut regenerieren. Menschen mit Bluthochdruck werden merken, dass sie weniger Tabletten brauchen, um den Blutdruck zu kontrollieren. Auch Patienten mit Diabetes werden merken, dass ihr Diabetes sich besser einstellen lässt. Manche Laborwerte werden besser. Wichtig ist auch, dass viele Menschen, die nach vier Wochen ein besseres Gefühl haben, auch im Februar und März nicht mehr oder weniger trinken. Das ist natürlich schon ein sehr, sehr guter Ansatz.

Dass es so schnell geht, ist beeindruckend und sollte uns alle motivieren, das mal durchzuziehen. David möchte wissen, ob drei Monate Detox viel mehr bringen als ein Monat.

Seitz: Je länger Sie Alkohol weglassen, umso mehr bringt das natürlich. Wenn Sie mal drei Monate ohne Alkohol sind, werden Sie sehen, dass sie auch vier, fünf oder sechs Monate ohne auskommen oder vielleicht gar keinen Alkohol mehr brauchen. Also, das ist sicherlich eine gute Idee.

Ein User, fragt, ob eine kohlenhydratreiche Ernährung oder eher Alkohol eine Fettleber begünstigt. Was ist schlechter für die Leber?

Seitz: Für die Leber Ist Alkohol deswegen so schlecht, weil er in der Leber abgebaut wird. Dieser Abbau führt dazu, dass dort Fett abgelagert wird. Man spricht von einer alkoholischen Fettleber. Demgegenüber gibt es die nicht-alkoholische Fettleber. Das ist eine Fettleber, die durch Übergewicht entsteht. Wenn Sie Übergewicht oder Diabetes haben, bekommen Sie auch eine Fettleber. Die ist nicht so schwerwiegend wie die alkoholische. Aber man kann sich vorstellen, was passiert, wenn Menschen, die ein sogenanntes metabolisches Syndrom haben, die übergewichtig sind und vielleicht noch Diabetes und Bluthochdruck haben, zusätzlich Alkohol trinken. Dann kommt ein zweiter Faktor zur Fettleber hinzu und das wird addiert. Das ist natürlich besonders schlecht.

Einige haben uns geschrieben, das sie sich gar nicht vorstellen können, einen Monat auf Alkohol zu verzichten. Ist das schon ein Anzeichen von Sucht?

Seitz: Ja, das ist ein Zeichen von Abhängigkeit und da würde ich mir Beratung holen.

Dazu fragt auch Andreas aus Düsseldorf. Er nimmt sich immer wieder vor, mit dem Trinken aufzuhören, schafft es aber nur tageweise. Wie hört man am besten ganz auf?

Seitz: Wenn er es nur tageweise schafft, dann sollte er eine Suchtberatungsstelle aufsuchen. Es ist sehr unterschiedlich von Mensch zu Mensch, welche Ansätze angewandt werden. Aber er braucht eine Beratung.

Außerdem fragt ein User: "Können Alkoholsüchtige bleibende psychische Schäden davontragen, also zum Beispiel eine mangelnde Impulskontrolle, auch wenn sie schon seit 15 Jahren trocken sind?"

Seitz: Wenn Sie seit 15 Jahren trocken sind, werden Sie das nicht haben. Es sei denn, Sie haben von Haus aus eine mangelnde Impulskontrolle. Es gibt ja solche Verhaltensweisen auch ohne Alkoholkonsum. Aber der Alkohol, der 15 Jahre weg ist, hat sicherlich keine psychischen Spätfolgen.

Martin fragt: "Ist Alkohol schädlicher als Cannabis? Oder anders herum?"

Seitz: Alkohol ist sicherlich schädlicher als Cannabis, weil er für über 200 Krankheiten mitverantwortlich ist. Cannabis aber ist nicht ganz zu unterschätzen. Wir haben ja jetzt das Cannabisgesetz. Langsam kommt heraus, dass die Psychosen doch mehr sind, als man gedacht hat. Man muss mit Cannabis vorsichtig sein. Viele nehmen Alkohol und Cannabis und das ist natürlich eine schlechte Kombination, insbesondere was die psychologische Situation angeht, aber wahrscheinlich auch, was die Leber angeht. Aber da fehlen noch die harten Fakten.

Ist es besonders für junge Menschen schlecht, Alkohol und Cannabis zu konsumieren?

Seitz: Ganz besonders schlecht, weil die psychosoziale Entwicklung des Gehirns erst mit 21 Jahren abgeschlossen ist. Da kommen zwei Faktoren zusammen, die sehr ungünstig sind. Bei Alkohol weiß man, das bei jungen Leuten, die Alkohol trinken - Einstiegsalter in Deutschland ist 14 Jahre - die psychosoziale Entwicklung schlecht ist. Die jungen Menschen entwickeln sich anders und auch das Abhängigkeitspotenzial nimmt massiv zu. Und es gibt noch einen weiteren Punkt: 20 oder 30 Jahre später können sie durchaus eine Krebsentwicklung haben, weil sie in einer Phase, in der die Zellen regenerieren, Alkohol als Toxin auf diese Zellen haben fallen lassen.

Insgesamt muss man sagen, dass Alkoholkonsum in Deutschland ein echtes Problem ist. Was müsste denn in Ihren Augen passieren, damit weniger Menschen zur Flasche greifen?

Seitz: Die Prävention ist in Deutschland eigentlich skandalös, nur drei Millionen Euro werden dafür ausgegeben. Die Alkoholindustrie gibt 800 Millionen aus, um ihre Interessen durchzusetzen. Man müsste ein Werbeverbot durchsetzen. Man müsste gucken, dass die Verfügbarkeit von Alkohol eingeschränkt wird. Die Skandinavier machen das mit großem Erfolg. Litauen macht es seit Neuestem und man sieht, dass es sehr positiv ist. Weniger Gewalttaten, weniger Autounfälle. Bis 2012 hatte die baden-württembergische Regierung ein Verfügbarkeitsverbot. Das wurde dann durch die grün-schwarze Regierung aufgehoben und seitdem hat die Zahl der Unfälle und der Gewalttaten deutlich zugenommen. Wir sollten alkoholische Getränke auf alle Fälle teurer machen, denn wenn sie teurer sind, werden sie nicht mehr so häufig getrunken.

Es müsste also noch eine Menge passieren, damit die Versuchung verringert wird, dass wir zu viel trinken. Alkohol ist ein Zellgift. Wir haben gehört, für welche Krankheiten das Risiko tatsächlich deutlich steigt, wenn wir zu viel Alkohol trinken. Aber, und das ist die gute Nachricht: Immer mehr Menschen machen alkoholfreie Monate. Herr Professor Seitz, vielen Dank, dass Sie die Fragen beantwortet haben.

Seitz: Gerne, Frau Fischer. Vielen Dank.

Weitere Informationen:

Wenn Sie Schwierigkeiten mit Alkohol haben oder von der Abhängigkeit eines anderen Menschen betroffen sind, gibt es Hilfsangebote, die anonym und und unkompliziert Informationen oder Hilfe anbieten:

Sucht & Drogen Hotline
Unter der bundesweiten Telefonnummer 01806 313031 erhalten Sie rund um die Uhr professionelle Unterstützung. Egal, ob Sie selbst betroffen sind oder als Angehöriger Hilfe suchen. Weitere Infomationen:
www.sucht-und-drogen-hotline.de

"Kenn dein Limit" – Aufklärung über Alkoholismus
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet unter der Initiative "Kenn dein Limit" umfangreiche Informationen rund um den Umgang mit Alkohol und Hinweise zu Hilfsangeboten. Mehr erfahren:
kenn-dein-limit.de

Hilfe und Beratung bei Gewalt und Sucht in der Familie
Alkoholabhängigkeit kann oft mit familiären Konflikten oder sogar Gewalt einhergehen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet Unterstützung und Kontaktstellen, die speziell auf solche Situationen zugeschnitten sind. Weitere Informationen:
bmfsfj.de

 

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