Frau trinkt einen alkoholischen Drink © colourbox

Alkoholabhängigkeit - Symptome, Therapie und Spätfolgen

Stand: 17.12.2024 13:40 Uhr | vom Bayerischer Rundfunk-Logo

Die Symptome einer Alkoholsucht sind vielfältig: Die Persönlichkeit kann sich suchtbedingt verändern und die Auswirkung des starken Zellgifts zeigt sich im körperlichen Verfall der Alkoholabhängigen. 

von Isabel Hertweck-Stücken

Wer Alkohol trinkt, schädigt seine Gesundheit. Das gilt auch für die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung schon als "moderates Risiko" eingestufte Menge von rund 0,8 Liter Wein oder zwei Liter Bier pro Woche. Eine Alkoholabhängigkeit lässt sich dagegen nicht anhand der Trinkmenge definieren. Wie sich eine Alkoholsucht äußert, ist individuell unterschiedlich.  

Ab wann beginnt die Alkoholsucht? 

Ärzte und Ärztinnen fragen sechs Kriterien ab. Wenn drei davon zutreffen, wird eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert. Die Kriterien sind: 

  • Es besteht ein starker Wunsch oder Zwang Alkohol zu konsumieren.  
  • Wann, wie viel oder wo Alkohol getrunken wird, kann nicht mehr bewusst kontrolliert werden, es wird zum Automatismus. 
  • Obwohl es bereits in der Beziehung, in Freundschaften oder am Arbeitsplatz zu Problemen und Konflikten gekommen ist, wird weiter getrunken. 
  • Andere Aktivitäten oder Verpflichtungen werden zugunsten des Alkoholkonsums vernachlässigt. 
  • Die Alkoholmenge muss immer weiter gesteigert werden, um eine Wirkung zu erzielen. 
  • Ohne Alkohol kommt es zu körperlichen Entzugserscheinungen (Zittern, Stimmungsschwankungen, Ängste). 

Alkoholentzug: Symptome von Zittern bis Verfolgungswahn 

Wie stark die Symptome bei einem Alkoholentzug sind, lässt sich nicht sicher voraussagen. Wahrscheinlich spielt eine Rolle, wie lange und wie viel man konsumiert hat. Bei einer Kombination mit anderen Suchtmitteln (etwa Medikamente oder Cannabis) können sich die Symptome verstärken. 

Zu den körperlichen Symptomen zählen grippeähnliche Zustände, Zittern, übermäßiges Schwitzen, Magen-Darm-Beschwerden, aber auch Herz-Kreislauf-Probleme und Krampfanfälle. 

Psychische Symptome sind Unruhe, Angstzustände, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Auch psychotische Zustände wie Halluzinationen und Verfolgungswahn können auftreten. 

Nicht ohne ärztliche Überwachung entziehen

In seltenen Fällen kommt es zum sogenannten Delirium tremens - einem lebensgefährlichen Zustand, der durch Alkoholentzug ausgelöst wird. Aus diesem Grund wird empfohlen, einen Alkoholentzug nur mit ärztlicher Überwachung durchzuführen. In einer Klinik können körperliche und psychische Entzugssymptome zudem mit Medikamenten gelindert werden.  

Risiko für Alkoholsucht auch vererbbar

Es scheint bestimmte Gene zu geben, die das Risiko für die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit erhöhen und auch die Entwicklung bestimmter Folgeerkrankungen, wie Leberzirrhose, beeinflussen. Zudem beeinflussen psychosoziale Faktoren wie zum Beispiel traumatische Erlebnisse in der Kindheit, ungeeignete Strategien zur Stressbewältigung und Persönlichkeitsmerkmale das Risiko, eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln. Menschen, die wissen, dass enge Verwandte, Eltern oder Geschwister an Alkoholismus erkrankt sind, sollten mit Anzeichen für eine Sucht besonders sensibel umgehen. Es könnte sein, dass sich bei ihnen aus einem riskanten Konsumverhalten schneller als bei anderen eine Abhängigkeit entwickelt. 

Stufen des Alkoholismus

Es gibt den Versuch, die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit in typische Phasen zu unterteilen. 

  1. Voralkoholische Phase: In dieser Phase ist der oder die Betroffene weder körperlich noch seelisch abhängig. Die Kontrolle über das Trinkverhalten ist noch vorhanden. Alkohol wird bei gesellschaftlichen Anlässen getrunken, aber zunehmend eingesetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das Trinken bekommt eine psychische Funktion, wie zum Beispiel Entspannung, Belohnung oder Frustabbau. Problematisch ist, dass dadurch andere Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen, verlernt werden. 
  2. Anfangsphase: Den Betroffenen wird klar, dass ihr Alkoholkonsum sich vom normalen, gesellschaftlich-akzeptierten Trinkverhalten unterscheidet. Die sogenannte Toleranzentwicklung setzt ein: Es muss immer mehr konsumiert werden, um die erhoffte Wirkung zu erzielen. Der Konsum wird verheimlicht und verharmlost. Gedächtnislücken (Filmrisse) und ein verstärktes Verlangen nach Alkohol treten auf.  
  3. Kritische Phase: Kontrollverlust und Entzugssymptome kennzeichnen diese Phase. Während für Außenstehende der krankhafte Charakter längst offensichtlich ist, versucht der Abhängige, die Sucht vor anderen und sich selbst zu verleugnen. Rückzug aus dem sozialen Umfeld, Probleme in Beziehungen und am Arbeitsplatz treten vermehrt auf.  
  4. Chronische Phase: Die Abhängigkeit zeigt sich deutlich durch Vernachlässigung von Körper und Gesundheit. Zusammenbrüche, Klinikeinweisungen und auch Suizidversuche sind typisch für diese Phase einer lebensbedrohlichen Erkrankung. 

Körperlicher Verfall: Alkohol beschleunigt das Altern

Alkohol lässt den Körper schneller altern: Als potentes Zellgift schädigt er das Gehirn und zerstört Nervenzellen. Auch äußerlich beschleunigt Alkohol den Alterungsprozess: Er entzieht dem Körper - und damit auch der Haut - Wasser. Sie kann sich dadurch schlechter regenerieren, und es entstehen zunehmend Falten. Durch die Erweiterung der kleinen Blutgefäße im Gesicht entwickelt sich die typische "Schnapsnase". Denn Alkohol erweitert die Blutgefäße und fördert Entzündungen. Auch die Handinnenflächen und die Augen können verstärkt gerötet sein. 

Da Alkohol viele Kalorien hat und den Fettabbau bremst, entwickeln Betroffene den typischen Bierbauch, das heißt der Körper lagert zunehmend Fett ein. Alkohol schädigt auch den Zahnschmelz. Abhängige entwickeln oft Probleme wie fleckige, verfärbte Zähne, Karies, Entzündungen im Mundraum und in der Folge Mundgeruch.  

Alkoholismus behandeln: Entzug, Entwöhnung, Therapie 

Der körperliche Entzug - stationär oder ambulant - dauert circa ein bis zwei Wochen. Danach beginnt die sogenannte Entwöhnungsphase, um die psychische Abhängigkeit zu therapieren. Meist findet die Entwöhnung stationär in einer Reha-Einrichtung statt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine ambulante Therapie möglich. Im Anschluss daran gibt es die Möglichkeit, die Behandlung mit einer Therapie fortzusetzen. Auch eine Selbsthilfegruppe hilft dabei, neue Strategien gegen das Verlangen nach Alkohol (Craving) zu verfestigen.  

Bei einer schweren Abhängigkeit ist die Abstinenz der einzige Weg, um langfristig den Suchtdruck zu verringern. Eine Alternative für Betroffene, die mehrfach an diesem Ziel gescheitert sind, ist der Therapieansatz des "Kontrollierten Trinkens". Dabei versuchen die Betroffenen ihr Trinkverhalten bewusst zu reduzieren. Diese Strategien eignen sich auch für Menschen, bei denen noch keine körperliche oder psychische Abhängigkeit vorliegt, um die Entwicklung einer Abhängigkeit zu verhindern. Anlaufstellen und Kontakt zu telefonischer Beratung hat die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung zusammengestellt.

Hohe Rückfallquote: Nicht entmutigen lassen

Die Rückfallquote nach Alkoholentzug und  -entwöhnung ist hoch. Darum ist es wichtig, neue Verhaltensstrategien zu trainieren. Selbsthilfegruppen und auch hybride Versorgungsangebote per App bieten Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Betroffene sollten sich von Rückfällen nicht entmutigen lassen - sie gelten als Teil des Genesungsprozesses. Wichtig ist die Beschäftigung mit dem Auslöser oder Trigger für den Rückfall, um das Verhalten in Zukunft entsprechend anpassen zu können.  

Co-Abhängigkeit: Negativeffekte im Umfeld der Erkrankten 

Auch Angehörige von Alkoholabhängigen sind von der Sucht stark betroffen. Sie können sich, ebenso wie die Erkrankten, Hilfe bei Suchtberatungsstellen holen. Viele organisieren sich auch in Selbsthilfegruppen für Angehörige. Von Co-Abhängigkeit spricht man dann, wenn das Verhalten der Angehörigen die Alkoholsucht - teils unabsichtlich - eher fördert als reduziert. 

Beispiel dafür sind, Fehlzeiten am Arbeitsplatz gegenüber den Vorgesetzten zu verschleiern oder Alkohol-Einkäufe für den Suchterkrankten zu übernehmen. In jedem Fall ist der Umgang mit Suchtkranken schwierig und kräftezehrend. Angehörige können in der Folge selbst körperliche und psychische Symptome entwickeln.  

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