Premiere für "König Lear" am Thalia Theater in Hamburg
Am Sonntag hatte "König Lear", das wohl düsterste aller Shakespeare-Dramen, Premiere am Thalia Theater. Für die Titelrolle wurde ein Gast engagiert: Wolfram Koch. Er spielt sonst vor allem in Berlin, seit 2015 ermittelt er auch als Tatort-Kommissar in Frankfurt.
Selten sieht man einen so vergleichsweise jungen König Lear. Das schulterfreie, silberne Kleid, das Wolfram Koch trägt, bringt die muskulösen Arme zur Geltung und auch sonst: Hier tritt kein zitternder Herrscher ab, hier verteilt ein energischer Mann in Showmaster-Manier in einem gänzlich mit silbernem Stoff ausgeschlagenen Saal seine Macht an die Töchter.
Meine Töchter, da wir uns entkleiden werden sowohl von Herrschaft, Grundbesitz und aller Staatsräson, sagt: Welche von euch liebt uns am meisten? Zitat aus "König Lear"
Lears jüngste Tochter verweigert sich dem unlauteren Wettbewerb
Die Geschichte nimmt den bekannten Verlauf: Die beiden älteren Töchter überbieten sich in Liebesschwüren, die jüngste, als einzige dem Vater wahrhaft zugetan, verweigert sich dem unlauteren Wettbewerb. Und verliert alles. Doch auch Lear wird zum Opfer der eigenen Dummheit. Schnell machen ihm die beiden Gewinnerinnen klar, dass er nichts mehr zu melden hat. Sein Narr bringt es so auf den Punkt:
Du gabst ihnen die Rute und zogst Dir selbst die Hose runter … Zitat aus "König Lear"
Der Konflikt der Generationen steht im Mittelpunkt der Inszenierung von Jan Bosse. Der Alte dankt nur halbherzig ab, die Jungen wollen endlich das Sagen haben. Die Jungen steigen, wenn die Alten fallen - heißt es immer wieder, doch beide Seiten scheitern.
Regisseur Jan Bosse setzt Figuren holzschnittartig in Szene
Das ist die Tragik, die hier lange braucht, um sich zu entwickeln. Fast holzschnittartig setzt der Regisseur die Figuren ins Bild, mit Lust an Überzeichnung. Das spiegelt auch das Bühnenbild von Stéphane Laimé, der silbern ausgekleidete Raum, farblich abgestimmt die Kostüme, die Haare der Königstöchter. In der Mitte der Wand, wie ein Auge, eine große, halbe Discokugel. Doch dann, ein toller Effekt, verschwindet der silberne Stoff, liegen die schwarzen Wände bloß.
Die glitzernde Halbkugel senkt sich, wird zum Hügel, zur Hütte, Glühbirnen füllen den Raum. Durch den irrt der abservierte Lear, begleitet nur von einem treuen Diener und dem Narren. Das ist stark. Vorbei ist die am Anfang etwas überstrapazierte Partystimmung. Kochs Lear gewinnt an Konzentration, die vorher manchmal fast hektisch gespielte Zerrissenheit der Figur wird spürbarer.
Bosse setzt in Inszenierung zu viel auf Oberflächen und Effekte
Erst spät berührt dieser Abend - trotz vieler kluger Verweise, trotz eines starken Ensembles, Christiane von Poelnitz als Narr ist toll. Die Livemusik sorgt ebenfalls für intensive Momente, droht aber manchmal als eine Art Dauerverstärker den Worten die Kraft zu nehmen. Und auch wenn Lear sich Schicht für Schicht entkleidet und am Ende nur noch kurze Sporthosen trägt: Jan Bosse setzt in seiner Inszenierung zu viel auf Oberflächen und Effekte.