Eine Frau mit langen dunklen Haaren lächelt in die Kamera. © Ernst Deutsch Theater Foto: Lisa Pickl

Intendantin Vértes-Schütter: Mit Theater Grenzen überwinden

Stand: 25.10.2023 06:00 Uhr

Isabella Vértes-Schütter, die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters in Hamburg, erzählt über die Kraft des Spielerischen, über Träume und darüber wie das Theater Jüngere begeistert - ein Essay.

von Isabella Vértes-Schütter

In der Spielzeit 2023/2024 haben die Stoffe, die wir ausgewählt haben, damit zu tun, wie wir miteinander leben wollen. Wir erzählen Geschichten, die unsere Mitmenschlichkeit in den Mittelpunkt stellen und laden zu Begegnungen und Diskursen ein.

Spiel mit der Wahrnehmung

Exemplarisch möchte ich hier die Neuschreibung "Die Ärztin" von Robert Icke sehr frei nach Arthur Schnitzlers Antisemitismus-Drama "Professor Bernhardi" nennen. Es geht um Gender-, Identitäts- und soziale Fragen, um medizinische Ethik und ökonomischen Druck, um Zuschreibungen und Verurteilungen. Das Stück spielt mit unserer Wahrnehmung und konfrontiert uns mit der Komplexität unseres menschlichen Handelns.

Wir erleben eine Zeit großer Verunsicherung: Die Folgen der Corona-Pandemie sind längst nicht überwunden, wir sind fassungslos angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine und wir sind zunehmend mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert. Die Wahrnehmung, dass Menschen immer häufiger nach einfachen Lösungen suchen und dass rechtspopulistische Kräfte, die unsere Demokratie bedrohen, mehr Zulauf erfahren, ist erschreckend. Das wirft auch für die Rolle des Theaters in unserer Gesellschaft entscheidende Fragen auf.

Im Spielerischen liegt Kraft zur Veränderung

Im Theater haben wir die große Chance zur Veränderung. Denn im Spielerischen liegt diese Kraft: Wir spielen, um unsere Welt besser zu machen, wir bringen auf die Bühne, wofür es sich zu träumen lohnt und arbeiten daran, dass die Träume wahr werden. Mit den Geschichten, die wir erzählen, können wir neue Perspektiven entdecken und Wege finden, um Grenzen zu überwinden.

In diesem Sinn möchten wir das Theater als kulturelles Zentrum in unserer Stadtgesellschaft verorten, wir verstehen es als Ort gemeinsamen emotionalen Erlebens und als Diskussionsforum für künstlerisch vermittelte gesellschaftliche Fragestellungen.

Jüngere begeistern mit Jugendsparte "plattform"

Der Zugang zum Theater ist keine Selbstverständlichkeit, insbesondere für künftige Generationen, und es ist unsere Aufgabe, Menschen immer wieder neu dafür zu begeistern und ihre Leidenschaft zu entfachen.

In unserer Jugendsparte "plattform" arbeiten zurzeit 250 junge Menschen an Stückentwicklungen zum Thema Zukunft. Es entsteht ein großes Laboratorium der Träume, Ängste, Wünsche und Entwürfe. Das, was hier entsteht, kommt direkt von den 12- bis 20-Jährigen, die mit uns arbeiten, und zeigt ihr Interesse und Engagement, sich einzubringen. Den theatralen Raum für junge Menschen und ihre Kreativität zu öffnen, finde ich für unsere Gesellschaft und für die Zukunft des Theaters besonders wichtig.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Hamburg Journal | 11.10.2023 | 19:30 Uhr

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