Elke Heidenreich: Botschaft des "Steppenwolfs" wichtiger denn je
Mit Schönheit gegen Verkommenheit: In Rostocker Volkstheater war Elke Heidenreich am Donnerstag mit einem Programm zu Hermann Hesses "Steppenwolf" zu Gast - und machte neugierig auf die "Steppenwolf"-Oper, die im April Premiere feiert.
Der Große Saal im Rostocker Volkstheater am Donnerstag ist ausverkauft. Über 500 Menschen sind gekommen, um eine der bekanntesten Stimmen der Literaturszene live zu erleben: Elke Heidenreich spricht über Hermann Hesses Roman "Steppenwolf".
"Der Steppenwolf": Für Elke Heidenreich zeitlos
Der Roman erzählt von Harry Haller - einem Mann, der nicht weiß, wohin mit sich, zerrissen zwischen bürgerlicher Sicherheit und dem Wunsch nach Freiheit. Für Heidenreich ist es ein zeitloses Buch, auch wenn die Sprache heute ein bisschen veraltet sei. "Alles, was wir lesen, verändert sich", so die Autorin und Literaturkritikerin. "Wenn man jung ist und noch sucht und nicht weiß, wo es im Leben hingeht, ist der Steppenwolf genau richtig. Wenn man dann älter ist und etwas gelassener ist, so wie ich jetzt, dann liest man ihn und sieht all diese Qualen, die man überwunden hat."
Im April bringt das Volkstheater den "Steppenwolf" als Oper auf die Bühne. Die Regie übernimmt Vera Nemirova. Sie ist in Rostock aufgewachsen - und erinnert sich noch an ihre erste Begegnung mit Hermann Hesses Buch: "Als ich es las, war ich 17. Um mich herum veränderte sich die ganze Wirklichkeit, die Mauer fiel, Menschen demonstrierten."
Regisseurin Vera Nemirova: "Steppenwolf" als Krisenhelfer
Für Nemirova war klar: Diesen Roman will sie gern inszenieren. Dass Hesses Geschichte heute noch viele Menschen bewegt, hat sie oft erlebt: "Es gibt sogar Leute, die mir gesagt haben: 'Das Buch hat mir das Leben gerettet. Ich war in einer solchen Depression und einer so tiefen persönlichen Krise, dass ich nie daran geglaubt habe, dass das irgendwann mal wieder gut werden würde.'" Das Buch würde Mut machen. "Es zeigt auf, dass man sich selbst nicht zu ernst nehmen soll, dass man gelassener umgehen kann mit dem Leben, mit Humor."

Gerade jetzt, sagt Heidenreich, ist die Botschaft des "Steppenwolf" wichtiger, denn je: "Wir leben in schrecklichen Zeiten im Moment. Alle sind entnervt, alle sind unsicher, wie es weitergeht, politisch und menschlich. Wir sind moralisch oft so verkommen. Wenn ich mir angucke, was für Politiker uns regieren, nicht nur weltweit, sondern auch in Europa, dann denke ich, gegen diese Verkommenheit kann man nur Schönheit setzen. Und Schönheit ist Kunst."
Elke Heidenreich: "Ich hasse 'Carmen'"
Der Abend soll eine Einladung sein, sich auf diese Botschaft einzulassen. "Der Steppenwolf" sei zwar keine ganz klassische Oper, sagt Heidenreich. Deswegen wünscht sie sich am Ende des Abends noch etwas vom Publikum: "Ich hasse Carmen, immer wieder nur Carmen! Es muss auch neue Opern geben, neue Themen. Damit die Oper nicht untergeht. Wir müssen die Oper erhalten. Auch wenn uns nicht immer alles gefällt, das ist wurscht. Es muss weitergehen."
Danach gibt es noch eine Signierstunde im Foyer. Elke Heidenreich bleibt noch eine Weile. Die Schlange bis zu ihrem Tisch ist lang.
