"Und alle so still" in Hannover: Die Abgründe der Überlastung
Was lässt sich mit einem stillen Streik erreichen? Diese Frage stellt die Autorin Mareike Fallwickl in ihrem Roman "Und alle so still". Das Schauspiel Hannover hat daraus eine Bühnenfassung gemacht, die nun Uraufführung feierte.
Nach Fallwickls Bestseller "Die Wut, die bleibt", der - am Schauspiel Hannover inszeniert - großen Erfolg hatte, widmet sich "Und alle so still" nun dem stillen Protest. Was würde passieren, wenn sich alle Frauen einfach auf die Straße legen und die Arbeit einstellen würden?
Schlecht bezahlt und ausgelaugt
Vor einer blauen Fläche, die aussieht wie eine hochgeklappte Fahrbahn, sitzen acht Menschen auf Stühlen in einer Reihe. Nach anfänglichem Schweigen beginnen sie zu sprechen: der junge Mann Nuri aus prekären Verhältnissen, der sich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser hält, die Influencerin Elin, die die ständige Verfügbarkeit für ihre 1,2 Millionen Follower auslaugt, die überlastete Pflegekraft Ruth, allein mit 24 Patienten.
Vier Patienten muss ich noch lagern. Wer nicht mobil ist, muss alle zwei bis drei Stunden bewegt werden. Das Luftholen ist schwer, ich muss atmen. Das hilft aber nicht. Da ist zu vieles, zu vieles, was ich erledigen muss. O-Ton der Pflegekraft Ruth
Unterstützung durch den Queerchor Hannover
In überzeugender schauspielerischer Leistung ziehen einen die Protagonisten des Stücks in die Abgründe ihrer Überlastung. "My Jobs" steht über einem projizierten Handy-Display, auf dem gleich drei Jobs gleichzeitig fordern, von Nuri übernommen zu werden. Lieblos und mechanisch versorgt Ruth eine Patientin, die sich eingenässt hat. Dass sich immer mehr Menschen dagegen entscheiden, so weiterzumachen wie bisher, sich in der Öffentlichkeit still auf die Erde legen, erfahren wir von einem Nachrichtensprecher: "Der stille Protest, der gestern vor dem örtlichen Krankenhaus begann, breitet sich zunehmend aus."
Die im Buch von Mareike Fallwickl angelegte Verschwisterung der Ausgebeuteten setzt Regisseurin Jorinde Dröse unter anderem mit musikalischen Mitteln um. Sie hat den Queerchor Hannover auf die Bühne geholt, der nicht nur mit Songs wie "Girls just wanna have fun" die Influencerin im Stück hinterfragt. Er signalisiert zudem, dass alle Menschen unter dem derzeitigen System leiden - jenseits von Kategorien wie männlich und weiblich, sagt Jorinde Dröse. Und: "Es geht um den Hoffnungsschimmer der Solidarität, die verlernt worden ist durch dieses kapitalistische System, in dem wir dann doch alle irgendwie versuchen: Arbeiten und Work-Life-Balance und Selbstoptimierung. Wenn wir uns miteinander, gegenseitig empowern, dann haben wir auch eine Chance, Sachen wieder herzustellen, die jetzt gerade zerstört werden."
Lang anhaltender Applaus
Die Forschung habe ergeben, dass es zu Veränderungen in der Gesellschaft führen kann, wenn 3,5 Prozent einer Bevölkerung sich im gewaltfreien Protest zusammenzuschließen, heißt es im Stück. Auch die Gebärmutter, das weibliche Organ, das von Selbstbestimmung handelt, hat seinen Auftritt. Von Juliane Kalkowski wunderbar als Kostüm in rosa Glitzer und Tüll entworfen, wird es kurzweilig als Wer-bin-ich-Ratespiel inszeniert.
Langanhaltender, frenetischer Beifall beendet diesen Theaterabend am Schauspiel Hannover - nicht, ohne mit dem letzten Song noch einmal die Kraft des einzelnen zu beschwören: "Give me real power".
"Und alle so still" in Hannover: Die Abgründe der Überlastung
Was lässt sich mit einem stillen Streik erreichen? Das Stück nach dem Roman von Mareike Fallwickl wurde in Hannover uraufgeführt.
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Schauspiel Hannover
Prinzenstraße 9
30159 Hannover - E-Mail:
- kartenservice@staatstheater-hannover.de
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