Frauen in bunter Kleidung liegen auf einer Straße. © Staatstheater Hannover Foto: Kerstin Schomburg
Frauen in bunter Kleidung liegen auf einer Straße. © Staatstheater Hannover Foto: Kerstin Schomburg
Frauen in bunter Kleidung liegen auf einer Straße. © Staatstheater Hannover Foto: Kerstin Schomburg
AUDIO: "Und alle so still": Theater über Streik der Frauen (3 Min)

"Und alle so still": Theater über Streik der Frauen

Stand: 14.02.2025 08:52 Uhr

Was passiert, wenn Frauen das Arbeiten einstellen und sich in stillem Protest auf die Straße legen? "Und alle so still" nach dem gleichnamigen Roman von Mareike Fallwickl hat jetzt am Staatstheater Hannover Uraufführung.

von Agnes Bührig

Auf einer blauen, schrägen Fläche sitzen und liegen etliche Frauen am Boden, unterhalten sich und tun ansonsten - nichts. Ob es anhaltende Unruhen sind, wie ein Nachrichtensprecher im Video über der Bühne vermeldet oder ein Protest, wie eine der Akteurinnen ruft, ist strittig. Tatsache ist, dass sie sich zusammengeschlossen haben, weil sie erschöpft sind und sich dem System verweigern.

Erschöpfung sichtbar machen

"Sie beschließen erstmal nur, nicht mitzumachen", erklärt Regisseurin Jorinde Dröse. "Sie haben keinen Plan. Sie haben keine Forderung. Sie wissen auch nicht, wie es weitergeht. Aber der erste Schritt, meines Erachtens auch des Protestes, ist ein Sichtbarmachen von 'ich mache nicht mehr mit, ich ziehe mich raus aus der Verfügbarkeit des Systems'. Weil das System auf der Verfügbarkeit von menschlicher Arbeit basiert." Menschlicher Arbeit von Frauen: unbezahlt als Mütter, schlecht bezahlt als Reinigungskraft oder Kindergärtnerin, allseits sexuell verfügbar für den Partner. Diese Belastungen spiegelt Autorin Mareike Fallwickl in der Burnout-gefährdeten Pflegekraft Ruth. Und sie erweitert den Kreis. Auch Nuri ist ermattet. Er sinniert über seinen Vater, einen Fabrikarbeiter.

Einer wie er hat es nie nach oben geschafft, einer wie er hat immer nur andere reich gemacht. Und jetzt ändert sich alles um ihn herum, ohne dass er es versteht. Bühnenzitat: "Und alle so still"

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Buch-Cover: Mareike Fallwickl, "Und alle so still“ © Rowohlt

Mareike Fallwickls "Und alle so still": Wenn Frauen revoltieren

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Patriarchat macht auch Männer zu Verlierern

Aufgewachsen in prekären, bildungsfernen Verhältnissen hält sich Nuri mit mehreren Jobs über Wasser. Denn das Patriarchat macht auch die Männer zu Verlierern, sagt Schauspieler Fabian Dott. "Männer gehen in den Krieg für Männer und leiden und sterben als Beispiel, aber eben auch in der Gesellschaft. Wenn Amazon Pakete ausliefert, dann sind das eben auch Männer, die zu unfairen Arbeitsbedingungen arbeiten. Wenn Männer begreifen würden, dass Männer dieses patriarchale System befördern, unter dem sie selbst leiden, dann wären sie natürlich viel stärker daran beteiligt, das zu verändern."

Das sind Proteste, das ist der Aufschrei einer Gesellschaft, die zugrunde gerichtet wurde. Bühnenzitat: "Und alle so still"

Dystopie mit viel Humor

In "Die Wut, die bleibt" - dem vorigen Roman von Mareike Fallwickl, der am Schauspiel Hannover von Jorinde Dröse inszeniert wurde, gab es den roten Faden einer Familiengeschichte. In "Und alle so still" ist die Umsetzung für die Bühne schwieriger: Es gibt viele Figuren und etliche Orte, ein Chor aus Stimmen, der zur Gesellschaftskritik anschwillt. Eine Dystopie, die zugleich viel Humor hat - und das Existentielle des Protests auch in nicht-menschliche Figuren gießt, sagt Jorinde Dröse. "Mareike Fallwickl hat ja auch diese magischen Figuren reingeschrieben wie Pistole, Gebärmutter und Berichterstattung. Auch ihre Setzung, dass das System innerhalb von sieben Tagen zusammenbricht und diese Zustände, die sie beschreibt, das ist ja fiktional. Deswegen bietet es sich natürlich an, das auf die Bühne zu bringen und dabei zuzugucken, was dieser System-Clash eigentlich heißt."

Stiller, aber auffälliger Protest

Jetzt merken die Leute erst, was richtig Scheiße ist, wenn niemand mehr putzt. Was dann alles nicht mehr geht. Bühnenzitat: "Und alle so still"

Wenn die Bahn oder die Müllabfuhr streiken, merken wir das. Wie würden wir es merken, wenn alle Frauen streiken würden? Vielleicht über die Gemeinschaft bunter, tanzender Menschenansammlungen, die sich am Ende von "Und alle so still" solidarisieren, den stillen Protest brechen.

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Jorinde Dröse und Mareike Fallwickl © Joachim Gern/Gyöngyi Tasi Foto: Joachim Gern/Gyöngyi Tasi

"Die Wut, die bleibt" am Schauspiel Hannover

Jorinde Dröse inszeniert Mareike Fallwickls Roman "Die Wut, die bleibt" am Schauspiel Hannover. (23.10.2023) mehr

"Und alle so still": Theater über Streik der Frauen

Im Staatstheater Hannover legen sich die Frauen aus Protest auf die Straße - ein Stück nach einem Roman von Mareike Fallwickl.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Staatstheater Hannover Schauspielhaus
Prinzenstraße 9
30159 Hannover
Telefon:
(0511) 9999 1111
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 15.02.2025 | 07:20 Uhr

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Theater

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