Nach Hundekot-Attacke: Staatsoper Hannover trennt sich von Goecke
Nach der Hundekot-Attacke von Marco Goecke auf die Kritikerin Wiebke Hüster hat die Staatsoper Hannover am Donnerstagmittag bekannt gegeben, dass der Vertrag des Ballettchefs aufgelöst wird.
Goecke habe mit seinem Verhalten gegen viele Grundsätze des Staatstheaters verstoßen, sagte Opernintendantin Laura Berman. Eine vertrauensvolle Arbeit in Zukunft sei nach diesem "unüberlegten Übergriff" deshalb nur schwer vorstellbar gewesen. Man habe sich "im gegenseitigen Einverständnis getrennt", so Berman. Allerdings bleiben Goeckes Werke nach Angaben der Intendantin im Repertoire der Staatsoper und werden dort auch in Zukunft weiter aufgeführt. Die kommenden Aufführungen des aktuellen Goecke-Stücks seien alle fast ausverkauft, fügte Berman hinzu. Ob der ehemalige Ballettchef eine Abfindung erhält, wollte sie nicht sagen. Das Ensemble wird laut Berman nun bis zum Sommer 2024 vom stellvertretenden Ballettdirektor Christian Blossfeld geleitet.
Mohrs: Trennung von Marco Goecke war "unausweichlich"
Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD) bezeichnete die Trennung als "unausweichlich". Eine Vertragsauflösung schaffe sofortige Klarheit. "Intendantin Laura Berman hat bei dieser Entscheidung meine Rückendeckung als Aufsichtsratsvorsitzender", sagte Mohrs. In den zurückliegenden Tagen habe es intensive und gute Abstimmungen gegeben. Es sei wichtig, dass sich die Compagnie schnell wieder auf ihre künstlerische Arbeit konzentrieren könne, so der Minister.
Schülerin von Goecke übt Kritik an Rezensenten
Nicole Kohlmann, Schülerin von Goecke und Ballettmeisterin, kann die Entscheidung der Staatsoper nachvollziehen. Seine Tat war ein No-Go, schrieb sie in einem Brief, der dem NDR Niedersachsen vorliegt. Ihn auf seine Tat zu reduzieren, wäre allerdings auch ein No-Go. Kohlmann betonte: "Werden Kritiken als Plattformen genutzt, auf denen sich die Rezensentinnen und Rezensenten in höchst subjektiver Manier auf Kosten der Kunst und der Künstlerinnen und Künstler in ihren eigenen Präferenzen baden, dann verfehlen sie ihre Funktion." Zudem kritisierte sie die Berichterstattung. Es sei traurig zu sehen, wie auch die kleinste Zeitung des Landes sich auf den Fall stürze und dafür sorge, "das Stereotyp vom nicht-kritikfähigen Künstler zu untermauern".
Kot des Dackels ins Gesicht der Kritikerin gedrückt
Grund für Goeckes Rauswurf ist der Vorfall vom vergangenen Samstag zwischen ihm und der Tanzkritikerin Wiebke Hüster. Der Ex-Ballettchef hatte sich am Premierenabend von Goeckes Stück "Glaube - Liebe - Hoffnung" bei Hüster über ihre "persönliche" Kritik beschwert und ihr Hundekot seines Dackels ins Gesicht geschmiert. Die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und Körperverletzung.
Wiebke Hüster nimmt Goecke-Entschuldigung nicht an
Der suspendierte Ballettchef hatte sich am Dienstag in einer Stellungnahme bei Hüster entschuldigt. Ihm sei "der Kragen geplatzt", sagte er. "Im Nachhinein wird mir klar bewusst, dass dies eine schändliche Handlung im Affekt und eine Überreaktion war." Hüster nahm die Entschuldigung nicht an, bezeichnete die Stellungnahme gegenüber dem NDR in Niedersachsen als "höchst inakzeptabel". Es sei "keine Entschuldigung für die physisch brutale Gewalt", die Goecke ihr angetan habe.
Kritiker- und Presseverbände sehen Angriff auf die Pressefreiheit
Nachdem die Hannoveraner Opernintendantin Laura Berman sich um Einfühlung in den Täter bemüht hat und in der vorsätzlichen Tat keine Attacke auf die Pressefreiheit erkennen konnte, meldeten sich Kritiker- und Presseverbände zu Wort. Die Vereinigung der amerikanischen Theaterkritiker (ATCA) hat in einer Stellungnahme ihre Unterstützung von Wiebke Hüster bekräftigt. "Kritiker sollten ihren Beruf ohne Angst vor physischer Auseinandersetzung ausüben können, und Künstler hohen Niveaus sollten die Rolle der Kritik im Ökosystem der Künste verstehen und respektieren", heißt es in der Erklärung. Die Tat sei nicht nur eine schreckliche Verletzung der angegriffenen Person gewesen, sondern ein Versuch, die freie Presse einzuschüchtern.
Der niedersächsische Landesvorsitzende vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV), Frank Rieger, schrieb auf Twitter: Wer nicht fähig sei, in dem Angriff auf die Kritikerin der F.A.Z. eine Attacke auf die Pressefreiheit zu sehen, habe offenbar nicht verstanden, was am Samstag in der Staatsoper passiert sei. Journalistinnen und Journalisten lebten wie Künstlerinnen und Künstler von der Meinungsfreiheit: "Wer darauf mit Gewalt reagiert, verlässt den demokratischen Konsens."