NDR Radiophilharmonie begeistert junges Publikum in Japan
Die NDR Radiophilharmonie tourt derzeit durch Japan, dabei haben sie schon einige Konzerte gespielt, darunter auch Schulkonzerte. Nicht einfach so ein Publikum zu überzeugen, die sonst keine Berührungen mit klassischer Musik haben.
Extrem sportlich war die NDR Radiophilharmonie am Dienstag in Japan unterwegs: 8.15 Uhr Abfahrt vom Hotel in Fukuoka, dann per Flugzeug nach Tokio - anders wären die rund 1.000 Kilometer so schnell nicht zu machen gewesen. Kurz ins Hotel, essen, und dann zwei Konzerte hintereinander, um 15 Uhr und um 19 Uhr. Nicht etwa zweimal 90 Minuten, sondern zweimal 120 Minuten. Das muss man erstmal schaffen.
NDR Radiophilharmonie spielt zwei Schulkonzerte
Das erste der beiden Konzerte hatte ein ganz besonderes Publikum. Ein ziemliches Gewusel herrscht im Tokio Metropolitan Theater. Das Publikum ist in Japan von den Altersgruppen oft sehr gemischt. Aber so viele junge Menschen wie jetzt sind sonst nicht hier: Es ist ein Schulkonzert für 14- bis 18-Jährige. Alle tragen ihre Schuluniform, die Mädchen knielange Röcke, die Jungen Hosen, dazu Blazer oder Pulli. Mit dabei ist auch die 16-jährige Grace. Ob sie auch mal klassische Musik hört? Ja, sagt sie, manchmal. Beethovens fünfte Sinfonie mag Grace. Live gehört hat sie die allerdings noch nicht. "Die meisten hier sind genau wie ich bestimmt zum ersten Mal im Konzert." Beethoven wird sie heute auch erleben, seine siebte Sinfonie.
Zuerst allerdings gibt es das Violinkonzert von Brahms. Der Solist ist der japanische Geiger Daichi Nakamura. Er lebt in Fukuoka und Wien. "Ich liebe diese deutsche Musik." Nakamura ist 32 Jahre alt. Als Kind habe er wie viele andere Blockflöte gelernt, in vielen Grundschulen in Japan sei das Pflicht. "Wir singen auch viel in der Schule, das ist schon gut."
Japan: Günstige Konzerttickets für junge Menschen
Einige Konzerthäuser und Orchester in Japan bieten günstige Tickets für junge Menschen an, Nakamura würde sich noch mehr musikalische Angebote für Jugendliche wünschen. Sein eigener Weg in die Musik war sehr vom Elternhaus geprägt. "Ich habe nie gesagt, dass ich Geige spielen wollte. Meine Mutter spielt Klavier. Geige zu studieren war die Idee meiner Mutter." Seine Mutter spielte also eine wesentliche Rolle, viele andere Kinder sind in Sachen musikalischer Bildung allein auf die Schule angewiesen. Mal springt der Funke über, mal nicht.
Schülerinnen sind begeistert vom Konzert
Während des Violinkonzerts sitzen die Kinder mucksmäuschenstill im Saal, es wird weder getuschelt noch gekichert, nicht einmal gehustet. Einige sacken erschöpft auf ihren Stühlen zusammen, andere hören begeistert zu. In der Pause steht Grace mit ihren Freundinnen zusammen und redet über das Konzert. "Es ist wunderbar! Wenn die Geigen spielen, bewegen sie sich alle zusammen, mit dem ganzen Körper, diese Kraft und Energie, das fühle ich! Mich hat das bewegt." Auch ihre Freundinnen hat das Konzert sehr beeindruckt. Eine von ihnen gehe normalerweise nicht ins Konzerte, das sei das erste Mal. Und sie war begeistert von dem Geiger. Grace' andere Freundin fand den Ausdruck toll, sie habe gespürt, was sie sagen wollten.
Musikvermittlung ist wichtig
In ihrer Schule gebe es einen Chor, ein Streicherensemble, eine Gitarrengruppe und eine Band, erzählt Grace. Der Schulleiter Munenori Karnisugi von der Josai Highschool ist auch im Saal. "Es geht in der Schulbildung oft vor allem um gute Noten. Die Musik kommt dabei oft zu kurz. Das ist sehr schade. Wir wollen bei unseren Schülern dafür eine Sensibilität wecken. Ich glaube, ohne Musik, ohne Kultur, können sie nicht wirklich glücklich sein. Da würde etwas Wertvolles fehlen. Deshalb sind Konzerte wie dieses so wichtig."
Ganz praktisch versucht der Musiklehrer Jun Shinozuka den Kindern Musik zu vermitteln. "Ich versuche alles Mögliche, auch mit viel Körpereinsatz, und sage: Komm, lasst uns alle zusammen singen. Das Gemeinschaftserlebnis ist ein ganz wichtiger Weg. Und ich will ihre Spontanität wecken. Aber ich will sie nicht pushen, sondern eine Tür öffnen. Klassische Musik gilt unter den Kids nicht unbedingt als cool. Aber die Kinder kennen hier vor allem elektronische Klänge und Computer-Sounds. Und dieses Orchester heute spielt wirklich unplugged, unverstärkt. Das finden sie dann vielleicht doch cool."
Beifall nach dem Konzert - die Schülerinnen und Schüler sind begeistert
Der Beethoven lässt das junge Publikum offenbar aufhorchen, im Finale sind nickende Köpfe und wippende Füße zu sehen. Und als die Musikerinnen und Musiker der NDR Radiophilharmonie am Schluss ihre Instrumente in die Höhe halten, brandet der Beifall auf. Beim Rausgehen hat die Schülerin Grace ein breites Lächeln auf den Lippen. Sie habe es geliebt, sagt sie. Und natürlich werde sie wieder ins Konzert gehen.