Wärmen und heilen: Wärmflasche, Heizdecke, Kirschkernkissen
Stand: 06.12.2023 21:43 Uhr
Wärmflasche, Kirschkernkissen oder Heizdecke helfen bei Bauchschmerzen oder Muskelverspannungen. Doch sollten sie nicht zu heiß sein, sonst kann die Wärme zu Verbrennungen führen.
Wärme erweitert die Gefäße und sorgt für eine bessere Durchblutung der betroffenen Stellen. Dadurch werden Sauerstoffaustausch und Stoffwechsel aktiviert, Stoffwechselendprodukte abtransportiert und hilfreiche Enzyme zu ihrem Einsatzort gebracht. Mit Wärme lässt sich die natürliche körpereigene Regeneration beschleunigen.
So wirkt Wärme bei Bauchschmerzen oder Muskelverspannung
Im Bauchraum sind die einzelnen Organe in kleinen Fasziensäcken aufgehängt, die Schmerzen verursachen, wenn sie verkrampfen. Durch Wärme entspannt sich dieses myofasziale Gewebe - die Schmerzen lassen nach.
Die Wirkung von Wärme bei Bauchschmerzen, bei schmerzhaften Muskelverspannungen oder auch bei Arthrose beruht zudem auf einer Art neuronalem Ablenkungsmanöver: Unser Gehirn nimmt Schmerzsignale weniger intensiv wahr, wenn es gleichzeitig Signale von denen durch Wärme aktivierten Wärmerezeptoren empfängt. Die Schmerzwahrnehmung wird überlagert und dadurch gedämpft.
Wärme als effektiver Gegenspieler von Stress
Bei Stress ziehen sich unsere Gefäße zusammen - dadurch hat man in stressigen Situationen häufiger kalte Hände und Füße. Durch Wärme weiten sich die Gefäße wieder und das wirkt beruhigend auf das vegetative Nervensystem und den Parasympathikus. Dass man mit warmen Füßen besser einschlafen kann, ist sogar wissenschaftlich belegt.
Wärmen oder kühlen? Was wirkt wann? Wann schadet Wärme?
Nicht immer ist Wärme hilfreich: Bei akuten Gelenkentzündungen, Schwellungen und Verstauchungen sowie bei hohem Fieber ist Wärme kontraproduktiv. Auch bei einer aktivierten Arthrose, also wenn das Gelenk entzündet ist, würde Wärme den Entzündungsprozess zusätzlich triggern und die Schmerzen verstärken. In diesen Fällen hilft statt Wärme Kühlung!
Bei Wärmeanwendungen vorsichtig sein sollten zudem Menschen mit einer Herzschwäche oder mit starkem Bluthochdruck. Auch Menschen mit Sensibilitätsstörungen - etwa bei Polyneuropathie oder Diabetes - müssen vorsichtig sein: Sie nehmen die Hitze an bestimmten Körperstellen gegebenenfalls nur abgedämpft oder gar nicht wahr und riskieren dadurch Verbrennungen.
Verschiedene Möglichkeiten der Wärmetherapie
Eine Wärmetherapie funktioniert mit unterschiedlichen Hilfsmitteln. Auch bei den altbekannten wie Wärmflasche oder Kirschkernkissen sollte man wissen, wie es richtig geht:
Bei kalten Füßen hilft immer noch eine "alte Bekannte": die Wärmflasche. Aber Vorsicht: Eine Wärmflasche sollte weder zu heiß sein noch ganz befüllt werden. Sie muss gut verschlossen werden und das Gummi darf nicht direkt auf der Haut aufliegen, um Verbrennungen zu vermeiden.
Neben Kirschkernen werden Wärmekissen mit Getreide wie Hirse oder Dinkel gefüllt, auch Samen kommen zum Einsatz. Die Füllung der Kissen kann die Wärme nach Erhitzung über mehrere Stunden speichern. Obwohl die Hersteller häufig empfehlen, die Körnerkissen in der Mikrowelle zu erhitzen, rät das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) davon ab. Denn anders als im Backofen entsteht im Mikrowellengerät im Material eine punktuelle Wärme, wodurch es zu starken Überhitzungen in der Füllung kommen kann. Mit etwas Zeitverzögerung kann dadurch sogar ein Glimmbrand entstehen.
Statt in der Mikrowelle sollten die Kissen bei etwa 70 °C für circa 10 bis 15 Minuten im Backofen erwärmt werden. Dabei beachten: Die Kissen möglichst flach auf einen mit Backpapier ausgelegten Rost legen, dabei sollten sie die Wände des Backofens nicht berühren. Zwischendurch aufschütteln, um die Wärme im Kissen zu verteilen.
Eine Heizdecke oder ein Heizkissen sollte bis zu zwei Stunden gleichmäßig wärmen und sich dann automatisch abschalten. Menschen, bei denen sich zum Beispiel eine Arthritis durch Kälte verschlechtert, kann eine heizende elektrische Wärmequelle helfen. Insgesamt sehen Expertinnen und Experten die Dauerwärme einer Heizdecke allerdings auch kritisch: Denn stundenlanges Liegen auf Wärme kann dazu führen, dass das Fasziengewebe verfilzt - so, als würde man einen Wollpullover zu heiß waschen. Und das verfilzte Gewebe kann Wärme gar nicht mehr durchdringen. Die Betroffenen führen sich per Heizdecke dann immer mehr Wärme zu, weil sie das Wärmegefühl empfinden möchten. Das kann zu Verbrennungen auf der Haut führen.
Ob Wechselduschen oder Kneippsche Fußbäder - das Wirkprinzip der Thermotherapie, die der bayerische Pfarrer Sebastian Kneipp entwickelt hat, ist einfach: Durch Kälte ziehen sich zunächst unsere Gefäße zusammen - um anschließend vom Körper doppelt so gut durchblutet und damit angenehm gewärmt zu werden. Für alle, die keine Zeit haben, sich am Abend die Wannen fürs Fußbad zu füllen, gibt es ein praktisches Kneipp-Miniformat: die Kneippschen Wollsocken. Dafür taucht man ein normales Paar Baumwoll- oder Leinensocken in kaltes Wasser, wringt sie gut aus und zieht sie an. Darüber kommt ein dickes Paar Wollsocken. Durch das kalte Wasser in den Socken werden die Hautgefäße zuerst zusammengezogen, der Körper steuert gegen und sorgt so für eine gesunde Durchblutung der Füße. Das geht mit einer angenehmen Erwärmung einher und regt den gesamten Stoffwechsel an. Wichtig: Die nassen Socken nicht bei sowieso schon kalten Füßen anziehen, sondern in diesem Fall die Füße vorher zunächst anwärmen (zum Beispiel mit einer Wärmflasche).
Die Kneippschen Socken kann man auch gut zum Einschlafen im Bett anziehen: Die Wärme wirkt entspannend auf das vegetative Nervensystem und schlaffördernd. Darüber hinaus können sie blutdrucksenkend wirken und bei leichten Venenentzündungen und Krampfadern helfen. Nicht anwenden sollte man die Kneippschen Socken bei Nieren-Blasen-Beschwerden, Menstruation, beginnenden Erkältungskrankheiten und ansteigendem Fieber.
Bienenwachswickel oder -auflagen vertiefen durch das direkte Aufliegen auf der Haut die eigene Körperwärme bis in die tiefen Hautschichten. Die Auflage kann auch zusätzlich vor der Anwendung kurz mit einem Föhn oder einer Wärmflasche erwärmt werden. Das Wachs schmilzt nicht und ist wiederverwendbar. Bienenwachsauflagen helfen gerade auch Kindern bei Husten oder Bronchitis, wenn man sie direkt auf den Brustkorb legt. Sie wirken durchblutungsfördernd, schleimlösend, reizlindernd und entspannend. Zudem helfen die Auflagen bei Muskelverspannungen zum Beispiel direkt im Nacken oder bei Fingerarthrose.
Zum einen gibt es Pflaster, die durch Capsaicin (Wirkstoff der Chili) die Durchblutung des betroffenen Areals anregen und dadurch Wärme erzeugen. Bei den Wirkstoffpflastern sollte man vorsichtig sein, da es zu unerwünschten Hautirritationen und auch zu Atemwegsbeschwerden kommen kann. Gerät man nach Kontakt mit den Fingern unbeabsichtigt an die Schleimhäute von Augen oder Nase, kann es zu extremen Reizungen kommen. Außerdem gibt es Wärmepflaster oder Auflagen, die frei von Arzneimitteln sind. Nach der Öffnung der luftdichten Verpackung kommt es zu einer Reaktion der Inhaltsstoffe mit Sauerstoff, wodurch sich die Auflage erwärmt und die Wärme für mehrere Stunde hält. Wärmepflaster sollen auf Grund der Klebstoffe nicht bei Hauterkrankungen, Wunden und Allergien angewendet werden. Der Gebrauch während des Schlafens ist wegen Überhitzungsgefahr von den Herstellern ab einem Alter von 55 Jahren nicht empfohlen.
Infrarotlicht ist vielseitig einsetzbar: Das Licht dringt ins Gewebe ein und erhöht dort die Temperatur. Wie bei anderen Wärmbehandlungen auch reagiert der Körper mit einer Erweiterung seiner Blutgefäße und einer besseren Durchblutung. Eine Infrarotlampe sorgt im Gegensatz zu Wärmflasche oder Kirschkernkissen für eine gleichmäßige und einstellbare Wärme und eignet sich zum Beispiel auch bei einer Nasennebenhöhlenentzündung oder Ohrenschmerzen. Auch bei Menschen mit chronischen Schmerzproblemen wie der Fibromyalgie kommen Infrarotlampen zum Einsatz.
Für eine heiße Rolle werden Handtücher mit kochendem Wasser getränkt und kurz auf schmerzende Körperstellen gepresst. Die heiße Rolle funktioniert besonders gut bei muskulären Verspannungen, vor allem im Schulter- und Nackenbereich. Auch bei Zerrungen und Muskelfaserrissen, die länger als acht Stunden zurückliegen, ist die heiße Rolle eine gute Behandlungsmöglichkeit.
Mit Fango- oder Moor-Packungen lassen sich starke Muskel-Verhärtungen und chronische Rheuma-Schmerzen gut behandeln. Dazu werden mit Paraffin und Mineralschlamm gefüllte Wärmeträger auf 60 Grad erhitzt. Vorsicht bei Fango- oder Moor-Packungen, die man zu Hause in der Mikrowelle erwärmen kann: Neben möglichen Verbrennungen kann eine zu lange Anwendung entsprechender Packungen dazu führen, dass es durch die großflächig geweiteten Gefäße beim Aufstehen zu Kreislaufproblemen kommt.
Experte und Expertinnen zum Thema
Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Chefarzt Abteilung Naturheilkunde
Immanuel Krankenhaus Berlin, Standort Berlin-Wannsee
Königstraße 63
14109 Berlin
Elbchaussee 567
22587 Hamburg
Osteopathin und Physiotherapeutin
Praxis für Physiotherapie & Osteopathie
Lüdemannstraße 7a
22607 Hamburg
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05.12.2023 | 20:15 Uhr
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