Schwerhörigkeit: Hypakusis erkennen und effektiv behandeln
Bei Schwerhörigkeit (Hypakusis) ist das Hörvermögen bis hin zur Gehörlosigkeit gemindert. Die Ursachen sind vielfältig und eine schnelle Behandlung im Kampf gegen Demenz und sozialen Rückzug ist wichtig.
Der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. geht davon aus, dass 13 bis 15 Millionen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland von Schwerhörigkeit (Hypakusis) betroffen sind. In Form von Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) betrifft Schwerhörigkeit irgendwann fast jeden - physiologische Alterungsprozesse, die die Hörfähigkeit mindern, beginnen in der Regel im fünften oder sechsten Jahrzehnt des Lebens.
Auch angeborene oder erworbene Krankheiten - wie Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen - können zu Formen von Hypakusis führen - ebenso wie Unfälle oder Schäden des Gehörs durch Lärm. Die Ursachen sind also vielfältig. In jedem Fall gilt aber: Wer betroffen ist oder den Verdacht auf Hypakusis hat, sollte sich unbedingt in Behandlung bei HNO-Ärzten und/oder Hörakustikern begeben, um ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit mit dem Verlust von Sinneszellen und ein erhöhtes Demenzrisiko zu verhindern.
Formen von Schwerhörigkeit
Je nach anatomischer Verortung des Hypakusis auslösenden Problems wird Schwerhörigkeit in drei verschiedene Formen und eine kombinierte Variante eingeteilt:
Stadien von Schwerhörigkeit
Zwei Faktoren sind entscheidend für die Beurteilung der Hörfähigkeit:
- Tonhöhe (Frequenz): Sie wird in Hertz (Hz) gemessen und Gesunde haben einen Hörbereich von etwa 20 bis maximal 20.000 Hertz. Menschliche Sprache liegt im Frequenzbereich zwischen 500 und 6.000 Hz und wird normalerweise besonders sensibel gehört.
- Lautstärke: Wird in Dezibel (dB) gemessen und von Gesunden bis etwa 80 dB als angenehm empfunden. Über dieser Grenze beginnt Lärm, der laut dem Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. dauerhaften Schaden an den Sinneszellen des Gehörs anrichten kann. Spätestens Schalldruckpegel über 85 dB erfordern im Arbeitsrecht einen Lärmschutz.
Wird von HNO-Ärzten eine Hypakusis festgestellt, unterscheiden diese laut Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte in folgende verschiedene Stadien der Hörminderung:
- Normalhörigkeit: Der Hörbereich sollte zwischen 20 und 20.000 Hertz liegen. Abweichungen bis zu 20 dB von der jeweiligen Hörschwelle für eine Frequenz sind normal.
- Geringgradige Schwerhörigkeit: Betroffene brauchen stärkere Schallintensitäten, zwischen 25 bis 40 dB, um etwas zu hören. Leise Geräusche - wie Blätterrauschen, Flüstern oder das Ticken einer Armbanduhr - werden nicht mehr gehört.
- Mittelgradige Schwerhörigkeit beginnt bei einem Hörverlust von 40 dB - erst bei einer Lautheit zwischen 40 und 60 dB wird ein Geräusch wahrgenommen. Das bedeutet, dass viele Alltagsgeräusche gar nicht oder nur gedämpft gehört werden.
- Hochgradige Schwerhörigkeit entsteht bei mindestens 60 dB. Hier kann eine normallaute Stimme nicht mehr gehört und verstanden werden.
- Schwerhörigkeit an Grenze zur Gehörlosigkeit: Der Hörverlust beträgt 80 dB oder mehr, Musik oder Geräusche müssen die Grenze zur schädigenden Schallintensität überschreiten, um noch gehört zu werden. Dieser Schweregrad geht in die Gehörlosigkeit über, bei der Betroffene gar nichts mehr hören können.
Symptome beginnender Hypakusis erkennen?
Schwerhörigkeit ist nicht immer leicht zu erkennen - auch weil das menschliche Gehirn immer wieder Defizite kompensiert und kleine Hörminderungen ausgleicht. Wer im alltäglichen Leben Einschränkungen durch verminderte Hörfähigkeit bemerkt - zum Beispiel anfängt, sich aus Gesprächen in größeren Runden zurückzuziehen, oder oft nachfragen muss - sollte aktiv werden.
Es gibt Symptome, die auf die Spur einer Hypakusis führen können und bei denen man auf jeden Fall Hilfe bei einem HNO-Arzt oder einer HNO-Ärztin suchen sollte. Dazu zählen beispielsweise:
- Fokussieren des Hörens wird schwieriger (einer Person in einer sprechenden Gruppe zuhören)
- Verstehen von Gesprochenem dauert länger, weil das Gehirn nicht gehörte Teile "füllen" muss wie bei einem Lückentext
- Betroffene brauchen eine immer größere Lautstärke, um Musik oder eine Stimme hören zu können (Indiz kann das Schallvolumen beim Fernsehen oder die Einstellung von Lautsprechern sein, die sich verändert).
- Tinnitus: Etwa 40 Prozent der Menschen mit einer Schwerhörigkeit entwickeln auch einen Tinnitus.
Diagnose mit Freifeld- oder Schallfeldaudiometrie
Für die Diagnose von Schwerhörigkeit weit verbreitet ist die Freifeldaudiometrie oder Schallfeldaudiometrie. Dabei wird das Hörvermögen mit Tönen oder Sprache über Lautsprecher geprüft - es geht also um die konkrete Hörleistung im dreidimensionalen Raum. Freifeldaudiometrie wird in der Diagnostik von Hörproblemen eingesetzt, aber auch bei der Anpassung von Hörgeräten. Die Freifeldaudiometrie ermöglicht die Beurteilung des beidohrigen Hörens unter unterschiedlichen Bedingungen: Zunächst wird die Erkennung von Sprache in ruhiger Umgebung geprüft, dann mit Störgeräuschen - zum Beispiel Meeresrauschen oder Partylärm. So soll das Verstehen von Sprache in einer realistischen Hörsituation beurteilt werden. Weitere Messungen folgen unter Kopfhörern, um Frequenzen zu messen, die nicht mehr gut gehört werden.
Behandlung bei Hypakusis
Eine Behandlung von Schwerhörigkeit ist immer abhängig von der Art und auslösenden Ursache der Hypakusis. Zerstörte Sinneszellen lassen sich aber in keinem Fall wiederbeleben - es kommt also bei einer Therapie oft darauf an, andere Sinneszellen des Gehörs zu befähigen, die Aufgaben von zerstörten Hörzellen zu übernehmen. In vielen Fällen können Hörgeräte dabei helfen: Sie sollen Defizite im Hörvermögen ausgleichen und so die Kommunikation im täglichen Leben wieder erleichtern. Dazu müssen sie vier Aufgaben erfüllen:
- Geräusche verstärken
- Sprachverstehen bei Umgebungsgeräuschen verbessern
- räumliches Hören ermöglichen
- gegebenenfalls Beeinträchtigungen durch einen Tinnitus abmildern
Im Fall einer Schallempfindungsschwerhörigkeit/Innenohrschwerhörigkeit können auch Medikamente wie Antibiotika gegen Entzündungen zum Einsatz kommen.
In einigen Fällen von Schalleitungsschwerhörigkeit gibt es OP-Verfahren wie eine Stapesplastik (Wiederherstellung von Gehörknöchelchen) oder Tympanoplastik (OP im Mittelohr) infrage kommen.
Bei völligem Hörverlust können eventuell noch Implantate helfen (Hirnstammimplantat, Cochleaimplantat oder Mittelohrimplantat).
Schwerhörigkeit erhöht Demenzrisiko
Schwerhörigkeit hat viele Formen und Ausprägungen: Mancher hört Formen von Musik in hohen Frequenzen schlechter, andere haben Probleme Einzelheiten in einem Stimmengewirr zu hören und wieder andere Menschen mit Hypakusis hören Sprache immer schlechter und undeutlicher. Natürlich haben alle Formen von Schwerhörigkeit ihre Nachteile, aber fehlendes Sprachverstehen kann auch gesundheitsschädliche Folgen für das Gehirn haben: Neben der Behinderung zwischenmenschlicher Kommunikation, also sozialer Fähigkeiten, begünstigt Hypakusis auch die Entstehung einer Demenz.
Hintergrund: Der akustische Cortex - im Gehirn für die Verarbeitung von Höreindrücken zuständig - ist unmittelbar vernetzt mit Arealen, die für das Lernen und das Gedächtnis zuständig sind. Schlechteres Hören kann darum dazu führen, dass Lernprozesse verlangsamt und Informationen nicht so gut abgespeichert werden. Das ist ein altersunabhängiger Prozess - jede (unbehandelte) Form von Schwerhörigkeit und jede Hörminderung beeinträchtig also auch die kognitive Leistungsfähigkeit.
Behandlung bei Schwerhörigkeit senkt Demenzrisiko
Die gute Nachricht: Wer gegen seine Schwerhörigkeit aktiv wird, kann das erhöhte Demenzrisiko auch wieder senken. Ausschlaggebend ist die Wiederherstellung oder jedenfalls Verbesserung des Sprachverstehens. Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich durch Anregungen, Impulse und Reize von außen stimulieren zu lassen und auch neu zu organisieren. Neurologinnen und Neurologen nennen diese Fähigkeit Neuroplastizität des Gehirns - und sie besteht auch im fortgeschrittenen Alter noch.